Film mit Prof. Wolf über Papst Pius IX. – und dessen Gegenspielerin

Cristina Trivulzio Belgiojoso (Barbara Grahsl) galt als Kritikerin der päpstlichen Unfehlbarkeit.
Cristina Trivulzio Belgiojoso (Barbara Grahsl) galt als Kritikerin der päpstlichen Unfehlbarkeit.
© Metafilm GmbH

Warum eskalieren in der katholischen Kirche die Flügelkämpfe zwischen „Konservativen“ und „Reformern“ heute oft so heftig? Und woher kommt der Eindruck, Rom erhebe den Anspruch, die „ewig gültige, unveränderliche“ katholische Lehre zu verteidigen? Der Dokumentarfilm „Die Kirche bin ich – wie der Papst unfehlbar wurde“ gibt eine Antwort: In den gegenwärtigen Konflikten wirken das Erste Vatikanische Konzil (1869 bis 1870) und die von Papst Pius IX. beanspruchte Unfehlbarkeit mit ungeheurer Macht nach.

Pius IX. verkündete das Unfehlbarkeits-Dogma vor genau 150 Jahren in der Konzilsaula in Rom. Schon damals standen sich Befürworter und Gegner unversöhnlich gegenüber. Mit Prof. Hubert Wolf begeben sich die Filmemacher auf die Suche nach den Spuren der Ereignisse. In aufwändig gestalteten Spielszenen werden außerdem historische Persönlichkeiten interviewt. Die Aussagen der Personen sind Originalzitate. Zu Wort kommen Theologen, Kardinäle – und eine Frau, die mit Nachdruck das Wort ergriff, als es um das Dogma ging: Cristina Trivulzio Belgiojoso, eine italienische Intellektuelle und Vorreiterin für Frauenrechte.

Das Unfehlbarkeitsdogma besagt, dass der Papst nicht irren kann, wenn es um Lehrentscheidungen in Glaubens- und Sittenfragen geht, die er „ex cathedra“ verkündet, in seiner Eigenschaft als Kirchenlehrer. Das Erste Vatikanische Konzil sprach dem Papst außerdem den Jurisdiktionsprimat zu, die höchste Rechtsgewalt. Die Päpste haben seitdem die ganze Vollmacht über die römisch-katholische Kirche. Sie können jedem Bischof vorschreiben, was er in seinem Bistum tun oder lassen soll. Und sie können Katholikinnen und Katholiken auf der ganzen Welt Vorschriften in Glaubens-, Lebens- und Moralfragen machen.

Prof. Hubert Wolf bei den Dreharbeiten.
Prof. Hubert Wolf bei den Dreharbeiten.
© Metafilm GmbH

Nach und nach wurden Äußerungen des Papstes, vor allem in Rundschreiben, von den Gläubigen wie unfehlbare Lehrentscheidungen aufgenommen. Sogar die größten Kritiker der Unfehlbarkeit, die Befürworter von Reformen, blicken immer dann, wenn Entscheidungen getroffen werden sollen, hoffnungsvoll nach Rom zum Papst und rufen ihn an – als letzte Instanz. Ist es hier der – wie es Hubert Wolf formuliert – „römischen Indoktrination gelungen, den Katholikinnen und Katholiken einzuimpfen: Die Kirche ist der Papst“? Pius IX., jener Papst, der die Unfehlbarkeit zum Dogma erhob, formulierte diesen Anspruch einmal so: Die Kirche bin ich.

Hubert Wolf hat Jahre in verschiedenen Archiven des Vatikans verbracht und faszinierende Erkenntnisse ans Tageslicht gefördert. Sie werfen ein neues Licht auf Papst Pius IX. und seine Berater auf dem Weg zur Unfehlbarkeit. „Invention of Tradition“ lautete das Prinzip der maßgeblich am Dogma der Unfehlbarkeit beteiligten Theologen: Erfundene Traditionen wurden zur endgültigen Wahrheit erhoben. Manche Berater von Pius IX. hatten auch einen zweifelhaften Ruf. Einer war sogar ein von der Inquisition verurteilter Ketzer, wie Hubert Wolf in den Archiven herausfand.

Der Film von Klaus T. Steindl begibt sich an die Original-Schauplätze des Lebens von Papst Pius IX. und der Entstehung des Unfehlbarkeits-Dogmas. Er zeigt die massiven Auswirkungen und Irritationen, welche die Unfehlbarkeit bis heute mit sich bringt, etwa mit Blick auf die Enzyklika „Humanae Vitae“, die sogenannten „Pillenenzyklika“, oder auf das Apostolische Schreiben von Johannes Paul II., demzufolge Frauen nicht zur Priesterweihe zugelassen werden dürfen. Beide Dokumente wurden wie Dogmen aufgenommen, die der Papst in seiner Funktion als Unfehlbarer verkündete.


Erstmals gesendet wird die 45-minütige Dokumentation am Dienstag, 15. Dezember 2020, ab 22.35 Uhr im zweiten Fernsehprogramm des österreichischen Rundfunks, das als ORF 2 Europe per Digitalsatellit auch in Deutschland frei empfangbar ist. Im deutschen Fernsehen lief der Film erstmals am Montag, 1. Februar 2021, ab 23. 50 Uhr in der ARD.

Weitere Sendetermine – unter anderem im Bayerischen Fernsehen und auf 3sat – werden folgen.

Der Film basiert auf Prof. Wolfs Buch „Der Unfehlbare. Pius IX. und die Erfindung des Katholizismus im 19. Jahrhundert“, das im Verlag C.H.Beck erschienen ist. Dort können auch Rezensionsexemplare angefordert werden, Ansprechpartnerin ist Frau Katrin Maria Dähn.

(Die News wurde am 15. Februar 2021 ergänzt um den Ausstrahlungstermin in der ARD)