Faulhaber-Tagebücher 1937: Von Hitlers "gutem Willen"

Michael Kardinal von Faulhaber
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Michael Kardinal von Faulhaber hoffte Anfang 1937 trotz der kirchenfeindlichen Politik des NS-Regimes weiter auf Hitlers guten Willen. Das zeigen seine Tagebücher aus diesem Jahr, die ein Forscherteam des Instituts für Zeitgeschichte München−Berlin und des Seminars für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster jetzt wissenschaftlich bearbeitet und veröffentlicht hat. Auf der Seite www.faulhaber-edition.de sind damit inzwischen die Jahrgänge 1911 bis 1919, 1933 bis 1937 und 1945/1946 online zugänglich.

Die Tagebuchnotizen zeigen: Faulhaber gab sich im Februar 1937 überzeugt, dass Hitler "gutgläubig" sei, einen "guten Willen" habe und "keine Vernichtung der Kirche" wolle. Anfang November 1936 hatte er eine mehrstündige Unterredung mit "dem Führer" auf dem Obersalzberg gehabt. Danach keimte beim Münchner Oberhirten die Zuversicht auf, durch regelmäßigen und persönlichen Kontakt mit Hitler Differenzen im Verhältnis von Staat und katholischer Kirche beilegen zu können. Auch Hitlers Rede zum Jahrestag der Machtübernahme hatte den Erzbischof, seinem Tagebuch zufolge, "tief ergriffen". So kam er dem Wunsch Hitlers nach, in Absprache mit seinen Bischofskollegen ein Rundschreiben gegen den Bolschewismus zu verfassen.

Doch der NS-Staat forcierte den Kampf gegen den Katholizismus. Am 27. Februar vertraute der Erzbischof seinem Tagebuch mit Blick auf die Verordnungen der Nationalsozialisten an: "Ein Tag trauriger als der andere. … Geistliche und Laien werden zermürbt." Ihm sei "dabei der Kopf so schwer, und man sieht, es ist alles umsonst". Die Nationalsozialisten attackierten die Ordensschulen und schufen die Bekenntnisschule ab. Sie schränkten die Verbreitung bischöflicher Verlautbarungen ein, erließen Kanzelverbote und verhafteten offen regimekritische Priester wie den Jesuitenpater Rupert Mayer. In den sogenannten Sittlichkeitsprozessen wurden Ordensangehörigen und Priestern Homosexualität und sexueller Missbrauch vorgeworfen, was selbst "gute Katholiken schwankend" machte, wie Faulhaber im Juli von einem Gesprächspartner erfuhr. Im Oktober notierte er: "Sterilisierungen am laufenden Band."

Schon zu Beginn des Jahres 1937 hatte unterdessen Papst Pius XI. den Münchener Erzbischof beauftragt, ein Rundschreiben zu entwerfen, in dem die anti-kirchliche Politik des NS-Staates scharf attackiert werden sollte. Aus Faulhabers Fassung ging die Enzyklika "Mit brennender Sorge" hervor, die am 21. März 1937 auf den Kanzeln im Deutschen Reich verlesen wurde.

© Faulhaber-Projekt

Informationen zur Faulhaber-Edition:

Mehr als 40 Jahre lang hielt Faulhaber in seinen Tagebüchern jeden Tag seine Begegnungen mit Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten fest. Diese Quelle wird im Projekt "Kritische Online-Edition der Tagebücher von Michael Kardinal von Faulhaber (1911-1952)" wissenschaftlich aufbereitet und im Internet unter www.faulhaber-edition.de veröffentlicht. Die Einträge müssen dafür zunächst aus der Kurzschrift Gabelsberger übertragen werden, die heute nur noch wenige Experten entziffern können. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das auf zwölf Jahre angelegte Vorhaben seit dem 1. Januar 2014.

Im Projekt arbeiten Historikerinnen und Historiker, Theologen und Informatiker interdisziplinär zusammen. Geleitet wird es von dem Historiker Prof. Andreas Wirsching vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und dem Kirchenhistoriker Prof. Hubert Wolf von der Universität Münster. Kooperationspartner ist das Erzbischöfliche Archiv München, in dem die Tagebücher verwahrt werden.

Die Edition wird insbesondere neue Beiträge zum Verhältnis von Religion und Politik und zum Umgang der katholischen Kirche mit totalitären Ideologien ermöglichen. Gleiches gilt für innovative Forschungen zur Theologie- und Kulturgeschichte, etwa mit Blick auf personelle Netzwerke, Frömmigkeitsformen, Kriegsdeutungen, Emotionen und Geschlechterrollen im Katholizismus oder die Beziehungen zu anderen Glaubensgemeinschaften.