Faulhaber-Tagebücher 1936: Zu Besuch bei Hitler

Beiblatt zum 4. November 1936
© EAM

Der Jahrgang 1936 der Faulhaber-Edition ermöglicht neue Erkenntnisse zum Treffen des Münchener Erzbischofs mit Adolf Hitler auf dem Obersalzberg am 4. November 1936. Faulhaber hatte sich über Vertraute bemüht, das persönliche Treffen mit dem „Führer“ zu arrangieren, um das Verhältnis zwischen NS-Staat und katholischer Kirche zu verbessern, das sich zuvor rapide verschlechtert hatte. Bisher unbekannte Beiblätter zu seinem Tagebuch dokumentieren Ablauf und Inhalt der mehrstündigen Unterredung in bisher nicht gekannter Tiefe.

Hitler zeigte sich – den Notizen des Erzbischofs zufolge – konziliant gegenüber dessen Anliegen. Er sprach unter anderem über seine Anschauungen zum Verhältnis von Nationalsozialismus und Kirche sowie seine außen- und innenpolitischen Aktivitäten und Pläne. „Kommt der Bolschewismus über uns, dann ist es auch mit dem Christentum aus“, gab Faulhaber die Worte des „Führers“ wieder.

Bischofsjubiläum mit prachtvollem Zeremoniell

Bereits im Februar 1936 hatte Faulhaber sein 25. Bischofsjubiläum gefeiert. Bischöfe, Äbte, Priester und „einfache“ Gläubige kamen aus ganz Bayern, um an dem prachtvollen Zeremoniell teilzunehmen, in dem sich der gesellschaftliche Anspruch der katholischen Kirche deutlich manifestierte. „Bei der Rückfahrt so starke Ovation, dass der Wagen nicht vom Fleck kommt, ganz langsam zurückfahren muss und am Tor nicht hereinfahren kann, also zu Fuß und fast erdrückt“, hielt Faulhaber am 16. Februar in seinem Tagebuch fest.

Doch diese Momente persönlicher Genugtuung konnten nicht über die schwierige Lage der katholischen Kirche im Jahr 1936 hinwegtäuschen. Der NS-Staat setzte seinen Kampf gegen diese mit unverminderter Härte fort. So wurde das Lehrpersonal an theologischen Hochschulen und kirchlichen Schulen abgebaut, die Auflösung der Bekenntnisschulen schritt voran, und bischöfliche Hirtenbriefe wurden beschlagnahmt. Am 13. Juni notierte Faulhaber desillusioniert: „In diesen Tagen Übergang des schleichenden Kulturkampfes zum offenen. Aber Bischof sah das kommen.“

Nach dem Treffen auf dem Obersalzberg keimte bei Faulhaber für einige Wochen die Zuversicht auf, dass sich das Verhältnis zwischen NS-Staat und Kirche entspannen könnte. Doch die Hoffnung trog. Anfang 1937 begannen die Arbeiten Faulhabers an der päpstlichen Enzyklika „Mit brennender Sorge“, mit der Papst Pius XI. das nationalsozialistische Regime offen kritisierte.


© Faulhaber-Projekt

Informationen zur Faulhaber-Edition:

Mehr als 40 Jahre lang hielt Faulhaber in seinen Tagebüchern jeden Tag seine Begegnungen mit Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten fest. Diese Quelle wird im Projekt „Kritische Online-Edition der Tagebücher von Michael Kardinal von Faulhaber (1911-1952)“ wissenschaftlich aufbereitet und im Internet unter www.faulhaber-edition.de veröffentlicht. Die Einträge müssen dafür zunächst aus der Kurzschrift Gabelsberger übertragen werden, die heute nur noch wenige Experten entziffern können. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das auf zwölf Jahre angelegte Vorhaben seit dem 1. Januar 2014.

Im Projekt arbeiten Historikerinnen und Historiker, Theologen und ein Informatiker interdisziplinär zusammen. Geleitet wird es von dem Historiker Prof. Andreas Wirsching vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und dem Kirchenhistoriker Prof. Hubert Wolf von der Universität Münster. Kooperationspartner ist das Erzbischöfliche Archiv München, in dem die Tagebücher verwahrt werden.

Die Edition wird insbesondere neue Beiträge zum Verhältnis von Religion und Politik und zum Umgang der katholischen Kirche mit totalitären Ideologien ermöglichen. Gleiches gilt für innovative Forschungen zur Theologie- und Kulturgeschichte, etwa mit Blick auf personelle Netzwerke, Frömmigkeitsformen, Kriegsdeutungen, Emotionen und Geschlechterrollen im Katholizismus oder die Beziehungen zu anderen Glaubensgemeinschaften.