Privatdozent Dr. Peter Kohlgraf
18.4.2011. Nicht nur viele Mitbrüder aus dem Erzbistum Köln waren angereist, um Peter Kohlgraf zu hören. Auch der Religions-Leistungskurs des Mädchen-Gymnasiums „Marienberg“ aus Neuss war da. Und der musste lächeln, als Peter Kohlgraf das Internet als „Machtwort des Zeitgeistes“ benannte und ausführte: „Die meisten Schülerinnen schauen zwischendurch immer mal rein, was sich auf Facebook tut. Obwohl sie eigentlich gar kein Handy dabei haben dürften!“
Von Praxis war sein Vortrag geprägt, der einigen Zündstoff in sich trug, wie Dekan Prof. Dr. Klaus Müller bei seiner Begrüßung betonte. Denn Schuld, Gnade und Erlösung seien nicht nur altgewordene Begriffe. Sie seien auch schwierig geworden in einer Zeit, in der einerseits Gläubigen ein schlechtes Gewissen in Sachen Eros gemacht werde und andererseits in der Missbrauchsdebatte „unergründliche Milde für Täter“ praktiziert werde. Peter Kohlgraf wandte sich anschließend der Lebenspraxis junger Menschen zu. Dass Begriffe wie Schuld und Erlösung unklar geworden sind, ist für ihn nicht nur ein Kommunikationsproblem. „Eine neue Sprache reicht nicht.“ Vielmehr ginge es darum, Erfahrungsfelder zu erschließen, die die intellektuellen Begriffe erlebbar machen. Die Schulseelsorge biete dazu einige Möglichkeiten, so Kohlgraf. Etwa durch die Ent-Schleunigung des Schulbetriebs durch Schulgottesdienste. Oder durch Aufmerksamkeit für die Schülerinnen und Schüler, die sich im Leistungsbetrieb Schule nicht durchsetzen können. Dazu müsse die Kirche den (jungen Menschen) allerdings zuhören, ohne die Antworten schon vorher zu wissen. „Wirklich zuhören heißt, das eigene Denken vom anderen prägen zu lassen.“
„Ich bin in die Schule gekommen, weil mich der Erzbischof irgendwann fragte, ob ich mir das vorstellen kann, erzählt Kohlgraf. „Ich habe es nicht bereut.“ Schule zwinge dazu, die Theologie täglich neu zu erden. Dabei geht es weniger um Kirchenkritik. „Manchmal würde ich mir mehr Kritik wünschen“, sagt der Schulseelsorger. „Man muss die Fragen richtig rauskitzeln und klarmachen: Du darfst kritisch sein. Das ist gewollt!“ Doch auch in anderer Hinsicht ist der Religionsunterricht eine Herausforderung. „In der Oberstufe ist das ein richtig anspruchsvoller theologischer Grundkurs“, sagt der 44jährige. Dass einige seiner Schüler sich entschlossen haben, anschließend Theologie zu studieren, ist für ihn eine schöne Bestätigung. „Und dass manche schon selbst promovieren zeigt, wie schnell die Zeit vergeht.“
Privatdozent Dr. Peter Kohlgraf ist 44 Jahre alt und Priester des Erzbistums Köln. Nach seiner Zeit als Kaplan in Euskirchen, arbeitete er vier Jahre als Religionslehrer und Schulseelsorger am Erzbischöflichen Kardinal-Frings-Gymnasium in Bonn-Beuel. Im Jahr 2000 promovierte er an der Universität Bonn im Fachbereich Alte Kirchengeschichte/Patrologie mit einer Studie über die Paulus-Auslegung des Johannes Chrysostomos.
2002 beauftrage ihn der Kölner Erzbischof zur Habilitation im Fach Pastoraltheologie bei Prof. Dr. Udo Schmälzle. Gleichzeitig war Peter Kohlgraf Schulseelsorger an einem Bonner Gymnasium und Repetent im Theologenkonvikt Collegium Albertinum. Im März 2009 wurde er zum Religionslehrer und Schulseelsorger am Erzbischöflichen Gymnasium und der Höheren Handelsschule "Marienberg" in Neuss ernannt.
Im Oktober 2010 wurde Peter Kohlgraf am Lehrstuhl für Pastoraltheologie habilitiert mit einer Arbeit zum Thema: "Glaube im Gespräch. Die Suche nach Identität und Relevanz in der alexandrinischen Vätertheologie – ein Modell für praktisch-theologisches Bemühen heute?"
„Jetzt bin ich Pastoraltheologe“, sagt Dr. Peter Kohlgraf. Der Priester der Erzdiözese Köln, der in Alter Kirchengeschichte/Patrologie promoviert hatte, hat das Feld gewechselt. „Patrologie war für mich immer dann interessant, wenn man sie ins Gespräch bringen kann mit heutigen Fragen“, sagt Kohlgraf. Mit denen beschäftigte er sich in seiner Antrittsvorlesung. „Schuld, Gnade, Erlösung – schulpastorale Erfahrungen zu altgewordenen Begriffen“, lautete das Thema des Theologen, der seit vielen Jahren als Religionslehrer und Schulseelsorger tätig ist. Sein Fazit: Vielleicht sollte die Kirche sich mehr Zeit nehmen, um wirklich zuzuhören.