Inhaltsverzeichnis
- 1. SoPaKo – Soziale Partizipation durch Kohäsion. Eine Interventionsstudie an Grundschulen (Stefanie van Ophuysen, Sina Schürer, Sophie Michalke)
- 2. FamiSchul - Familie und Schule in Zeiten der Corona-Pandemie (Stefanie van Ophuysen, Andreas Sander, Laura Schäfer)
- 3. FLiP – Forschendes Lernen im Praxissemester (Lars Behrmann, Bea Bloh (Universität Paderborn), Martina Homt, Sina Schürer, Jennifer Weßeler, Stefanie van Ophuysen)
- 4. Relevanz von Schülermerkmalen für die Übergangsempfehlung (Stefanie van Ophuysen, Katrin Lintorf (Bergische Universität Wuppertal), Kim Diebig)
- 5. Ganz In – TVA Diagnostik und Beratung (Stefanie van Ophyusen, Sina Schürer)
- 6. „Schulen im Team – Übergänge gemeinsam gestalten“ – Weiterführung der Kooperation mit einem Schulnetzwerk aus Duisburg-Marxloh (Kim Diebig, Sina Schürer, Stefanie van Ophuysen)
Abgeschlossene Forschungsprojekte
SoPaKo – Soziale Partizipation durch Kohäsion. Eine Interventionsstudie an Grundschulen (Stefanie van Ophuysen, Sina Schürer, Sophie Michalke)
Soziale Teilhabe von Kindern mit Beeinträchtigungen ist ein zentrales Ziel inklusiver Beschulung. Gelungene Partizipation liegt vor, wenn Kinder mit und ohne Förderbedarf in gleicher Weise in schulische Lern- und Arbeitsprozesse eingebunden sind sowie wechselseitig positive Beziehungen mit ihren Klassenkameraden erleben. Die empirische Forschung zeigt jedoch, dass soziale Partizipation aller Kinder nicht allein durch inklusive Beschulung gesichert werden kann.
Verschiedene Trainings zur Verbesserung der sozialen Partizipation von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPFB) wurden daher entwickelt und überprüft. Sie streben häufig die Stärkung der sozialen Kompetenzen der Kinder mit SPFB an oder sie versuchen als unterstützungsbasierte Interventionen deren soziale Ressourcen zur Bewältigung fachlicher/sozialer Probleme zu steigern. Insgesamt rücken diese Interventionen stets das förderbedürftige Kind in den Fokus und nehmen damit das Risiko seiner Stigmatisierung in Kauf.
Unsere eigene schulische Interventionsmaßnahme legt ihren Fokus hingegen auf die Schulklasse als Ganzes und vermeidet damit individuelle Stigmatisierungen. Zielvariable ist die Gruppenkohäsion, verstanden als „the resultant of all forces acting on members of groups to remain in the group“ (Festinger, 1950, S. 274). Kohäsion unterstützt die instrumentellen Funktionen einer Gruppe – die Erfüllung der gemeinsamen Aufgabe und des Bedürfnisses nach Zugehörigkeit – und sollte damit auch die individuelle soziale Partizipation der Schülerinnen und Schüler fördern.
Unsere Intervention umfasst lernbezogene sowie soziale Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler auf Dyaden- vs. Gesamtgruppenebene, die in den regulären Unterricht eingebunden werden. Die Aktivitäten orientieren sich einerseits am Projekt SirIus (Universität Zürich) – einer Intervention für Grundschulklassen mit inklusiv unterrichteten Kindern mit geistiger Behinderung – und greifen andererseits Ideen eines Teamentwicklungsmodells auf, das bereits erfolgreich zur Steigerung der Gruppenkohäsion in Sportgruppen eingesetzt wurde (Carron & Spink, 1993).
In einem Wartekontrollgruppendesign mit insgesamt 40 Grundschulklassen der Klassenstufen zwei und drei wird überprüft, ob durch diese Intervention a) die Klassenkohäsion gestärkt und b) darüber vermittelt die individuelle soziale Partizipation aller Kinder, insbesondere aber derjenigen mit Schulleistungsschwäche und Verhaltensauffälligkeiten, gesteigert wird. Die Analyse der quantitativen Daten aus Schüler- und Lehrerfragebögen sowie soziometrischen Befragungen geschieht auf Klassenebene mittels mixed-design ANOVAs sowie auf Individualebene mittels Hierarchischer Linearer Modellierung. Dieses Vorgehen erlaubt die Berücksichtigung individueller, metrisch erfasster Merkmale (Schulleistung, Verhaltensprobleme) bei der Schätzung des Interventionseffektes und vermeidet so auch auf statistischer Ebene die kategoriale Zuordnung „mit vs. ohne SPFB“.
FamiSchul - Familie und Schule in Zeiten der Corona-Pandemie (Stefanie van Ophuysen, Andreas Sander, Laura Schäfer)
Die im Zuge der Corona-Pandemie angeordneten Maßnahmen – unter anderem die Schulschließungen und die Beschränkung der Sozialkontakte – führten zu einer strukturellen Veränderung des alltäglichen Lebens in vielen betroffenen Familien. Eltern und Erziehende stehen unter der Doppelbelastung von Beruf, Kinderbetreuung und -beschulung. Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen sehen sich mit dem „Lernen auf Distanz“ und dem Wegfall sozialer Kontakte konfrontiert. Schulkinder und ihre Eltern bzw. Erziehende werden nun vor die Herausforderung gestellt diese einzigartigen und (voraussichtlich) zeitlich begrenzten Umstände zu meistern.
Mit dem Forschungsprojekt „Familie und Schule in Zeiten der Corona-Pandemie (FamiSchul)“ untersuchen wir, wie die Schülerinnen und Schüler diese als kritisches Lebensereignis (CLE; Filipp & Aymanns, 2018) zu wertende Situation wahrnehmen und welche Bedingungen einen erfolgreichen Umgang mit diesen Herausforderungen beeinflussen. Zum einen fokussieren wir die Lernerfahrungen, die die Schulkinder zurzeit machen und fragen unter welchen technischen und räumlichen Bedingungen das Lernen und Arbeiten in der familiären Umgebung stattfindet und welche fachliche Unterstützung sie von ihren Eltern (und Lehrkräften) erfahren. Zum anderen möchten wir Veränderungen im kognitiven und affektiven Wohlbefinden, den Verhaltensmustern und den Kommunikationsformen der Schulkinder abbilden.
Das Projekt umfasst zwei Datenerhebungen in Form von Online-Befragungen, die sich an Eltern und ihre Kinder an weiterführenden Regelschulen in Nordrhein-Westfalen (NRW) richten. Über die erste (Eltern-)Befragung (15. April bis 11. Mai 2020) sind wir an Eltern, Erziehungsberechtigte und Erziehende herangetreten, um einen Einblick in den Umgang dieser Personengruppe mit den entstandenen Änderungen zu erhalten. Dabei wurde insbesondere die Lernbegleitung des Kindes und familiäre Situation im Allgemeinen (z.B. Betreuungssituation) betrachtet. Erste Ergebnisse dieser ersten Befragungsrunde mit Angaben von über 6.600 Personen, liegen bereits vor (Sander et al., 2020). Die zweite noch laufende Befragung (12. Juni bis 17. Juni 2020) wird durch ein innovatives Verknüpfungssystem ausgezeichnet, das die Daten sowohl von den Eltern bzw. Erziehenden als auch ihren Kindern zuordnet. Zusätzlich lassen sich Veränderungen über die Verknüpfung von Daten der ersten und zweiten Befragungsrunde analysieren. Dieser umfassende Datenpool lässt eine Untersuchung der verschiedenen Perspektiven der beiden relevanten Akteursgruppen zu.
Die Elternbefragungen umfassen Fragen zu verschiedenen lernrelevanten Themen, wie die häusliche Lernumgebung (z.B. technisches und räumliches Umfeld), die familiäre Lernbegleitung (z.B. fachliche Unterstützung, Lern- und Unterstützungsdauer) und die Lehrer- und Schulevaluation. Zudem werden Veränderungen der Tagesaktivitäten sowie die derzeitige Zufriedenheit und Besorgnis erfasst.
Der Fragebogen für Schüler_innen beinhaltet z.T. ähnliche Themen, die um spezifischere schulbezogene Fragen nach z.B. dem Schulweg, der Schulausstattung und -regeln (z.B. in Bezug auf Hygiene, Verhaltensregeln) sowie dem Erleben des digitalen und Präsenzunterricht erweitert wurde.
FLiP – Forschendes Lernen im Praxissemester (Lars Behrmann, Bea Bloh (Universität Paderborn), Martina Homt, Sina Schürer, Jennifer Weßeler, Stefanie van Ophuysen)
Durch das neue LABG (2009) haben Praxisphasen in der universitären Ausbildung von angehenden Lehrerinnen und Lehrern an Bedeutung gewonnen. An der WWU Münster steht das Praxissemester im Lehramt-Master ganz im Zeichen des „Forschenden Lernens“. Die AG Forschungsmethoden/Empirische Bildungsforschung ist dabei für die vorbereitende forschungsmethodische Ausbildung (mit)verantwortlich. In diesem Zusammenhang haben wir ein Lehrkonzept entwickelt, das zunächst darauf abzielt, den Studierenden das erforderliche Handwerkszeug für die Umsetzung eigener empirischer Studienprojekte in ihren Schulen zu vermitteln. Darüber hinaus gilt es jedoch, sie von der Nützlichkeit des Forschenden Lernens für die Entwicklung professioneller Handlungskompetenzen zu überzeugen und damit den Weg für eine nachhaltig wirksame, forschende Grundhaltung zu bahnen. Dazu bieten wir neben einer tutoriell begleiteten Methodenvorlesung auch speziell entwickelte Projektseminare an, in denen die Studienprojekte in Kleingruppen vorbereitet und ihre Umsetzungen begleitend unterstützt werden.
Unter dem Akronym FLiP fassen wir verschiedene Forschungsprojekte zum Forschenden Lernen im Praxissemester in unserer Arbeitsgruppe zusammen, die sich der Frage widmen „Wie lernen Studierende, forschend zu lernen?“. Wir analysieren die Wirksamkeit der verschiedenen Bausteine und didaktischen Elemente des Lehrkonzeptes mit Blick auf die Veränderung von Einstellungen/Überzeugungen und Handlungsintentionen mittels quantitativer Befragungen. Wir entwickeln ein Erhebungsinstrument zur ökonomischen und anwendungsorientierten Erfassung forschungsmethodischen Wissens. Wir begleiten einzelne Studierende durch die komplette Praxisphase und erfassen ihre individuellen Erfahrungen und Entwicklungen mittels qualitativer Interviews.
Relevanz von Schülermerkmalen für die Übergangsempfehlung (Stefanie van Ophuysen, Katrin Lintorf (Bergische Universität Wuppertal), Kim Diebig)
Der Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule stellt immer noch eine zentrale Gelenkstelle in der Bildungsbiographie der Schülerinnen und Schüler in Deutschland dar. Selbst in Bundesländern mit freiem Elternwillen stellt die Empfehlung der Grundschullehrer_innen einen wichtigen Prädiktor der tatsächlichen Übergangsentscheidung dar. Die Forschungsbefunde zur Frage, welche Kriterien von Lehrkräften als übergangsrelevant erachtet werden, sind bislang unbefriedigend.
So wurden beispielsweise in regressionsanalytischen Studien sowohl leistungsnahe als auch leistungsferne Merkmale (insbes. der elterliche Bildungshintergrund) als relevante Prädiktoren identifiziert. Diese Merkmale wurden jedoch meist aus Schüler-/Elternsicht erfasst, spiegeln also nicht unbedingt die tatsächliche lehrerseitige Einschätzung wider. Weiterhin fehlen Analysen, die überprüfen, ob Kriterien unterschiedlich relevant sind, je nachdem ob es sich um eine sichere/uneingeschränkte oder eine unsichere/eingeschränkte Schulformempfehlung handelt. Neben diesem „indirekten“ Zugang zur Relevanzerfassung über Regressionsgewichte finden sich auch Studien, in denen Lehrkräfte direkte nach ihrer Relevanzeinschätzung gefragt werden. Diese Befragungen erfassen jedoch generalisierte Einschätzung und beachten nicht, dass Lehrkräfte – gerade bei „uneindeutigen“ Fällen – sehr individuelle Urteilsprozesse durchlaufen. Aufbauend auf zentrale Befunde des Dissertationsprojektes von Kim Diebig werden diese Desiderate im Rahmen einer quantitativen Lehrerbefragung aufgegriffen, um die Erkenntnisse zur Kriterienrelevanz im Kontext der Übergangsempfehlungen zu vertiefen.
Ganz In – TVA Diagnostik und Beratung (Stefanie van Ophyusen, Sina Schürer)
Im Rahmen des Projektes „Ganz In“ werden Ganztagsgymnasien aus NRW im Rahmen ihrer Schulentwicklungsarbeit begleitet. In einer ersten Phase wurden die Schulen dabei unterstützt, ihre Unterrichts- und Lernkultur weiter zu entwickeln. In der 2015 angelaufenen 2. Phase sollen innovative Konzepte und Strategien zur Weiterentwicklung der Ganztagsgymnasien entstehen. Die Gymnasien konnten sich u.a. für ein themenspezifisches Vertiefungsangebot (TVA) entscheiden. Das TVA „Übergang Grundschule-Gymnasium“ verfolgt das Ziel, mithilfe einer schulstufenübergreifenden Kooperation zwischen Grundschulen und den Ganz In-Gymnasien die Bereiche der Diagnostik und Beratung weiterzuentwickeln. Dabei wird der Einsatz eines Dokumentationsbogens zur Verbesserung der schulstufenübergreifenden Kommunikation im Übergang zu Diagnosezwecken fokussiert. Darüber hinaus soll der Dokumentationsbogens zur Unterstützung von Elternberatungsgesprächen in der Grund- und weiterführenden Schule genutzt werden.
In Kooperation mit dem Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS, Dortmund) begleitet und berät unsere Arbeitsgruppe die Netzwerke aus Grundschulen und Gymnasien inhaltlich. Dabei werden insbesondere unsere Dokumentationsbögen aus dem Projekt „Schulen im Team“ adaptiert, implementiert und für Beratungszwecke genutzt. Wir erforschen in diesem Kontext einerseits die Implementation dieser Maßnahme um Gelingensbedingungen in Einzelschulen und Schulnetzwerken herauszuarbeiten. Darüber hinaus stehen die eltern- und lehrerseitigen Erfahrungen mit „datengestützten“ Beratungsprozessen im Fokus unseres Interesses.
„Schulen im Team – Übergänge gemeinsam gestalten“ – Weiterführung der Kooperation mit einem Schulnetzwerk aus Duisburg-Marxloh (Kim Diebig, Sina Schürer, Stefanie van Ophuysen)
Im Rahmen des bereits abgeschlossenen Projektes „Schulen im Team – Übergänge gemeinsam gestalten“ entstand eine Kooperation zwischen der AG Forschungsmethoden (Prof. Dr. Stefanie van Ophuysen, Kim Diebig) und einem Schulnetzwerk aus Duisburg-Marxloh. Gemeinsam mit Lehrkräften von zwei Grundschulen, einem Gymnasium und einer Gesamtschule entstand ein Beobachtungs- und Dokumentationsbogen, der insbesondere im Kontext des Grundschulübergangs von besonderer Bedeutung ist. Lehrkräfte von Grundschulen und weiterführenden Schulen dokumentieren mit dessen Hilfe Informationen über einzelne Schülerinnen und Schülern, geben ihn zu vereinbarten Terminen weiter bzw. melden ihn zurück und nutzen die gesammelten Informationen im Rahmen von Elternberatungsgesprächen. Denn nur durch eine systematische und kontinuierliche Dokumentation kann die individuelle (Lern-) Entwicklung eines jeden Kindes begleitet und kontrolliert werden. Da neben der Entwicklung eines geeigneten Instrumentariums dessen Implementation für den erfolgreichen Einsatz entscheidend ist, steht dieses Thema momentan im Fokus der gemeinsamen Netzwerkarbeit.
Zusammenfassend verfolgen wir im Rahmen der Kooperation folgende Forschungsfragen:
1. Welche Kriterien erachten Lehrkräfte verschiedener Schulstufen und -formen für die Beobachtung und Beurteilung von Schülerinnen und Schülern als relevant?
2. Welche Rahmenbedingungen tragen zu einer gelungenen Implementation des Dokumentationsbogens bei?