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Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hatte bis 2022 seinen Sitz im selben Gebäude wie das Oberverwaltungsgericht, zuerst im Heereman’schen Hof Königsstraße 47 und seit 1963 im Gebäude Aegidiikirchplatz 5. Zurzeit nutzt es als Zwischenlösung an der Königsstraße 51-53 Räume, in denen vorher Büros und ein Bettengeschäft untergebracht waren. Geplant ist ein Umzug in das bisher von der Bezirksregierung als Freiherr-von-Vincke-Haus benutzte Gebäude am Domplatz 36. Der repräsentative Bau wurde 1892/93 für die Reichsbank im Stil der italienischen Hochrenaissance errichtet; die West- und die Nordfassade stehen unter Denkmalschutz.

Hier am Domplatz 36 soll der Verfassungsgerichtshof demnächst residieren.
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Dass der Verfassungsgerichtshof jetzt ein seiner Stellung als Verfassungsorgan angemessenes Gebäude beziehen soll, ist Folge einer Verfassungsänderung im Jahre 2016. Bis dahin nahm der Präsident des Oberverwaltungsgerichts das Amt des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs in Personalunion wahr. Außerdem gehörten dem Gericht die beiden lebensältesten Präsidenten der Oberlandesgerichte und vier vom Landtag auf sechs Jahre gewählte Mitglieder an, von denen zwei die Befähigung zum Richteramt besitzen mussten. Nach einigen Diskussionen hatte sich der Landtag 1950 für diese Lösung entschieden, die für die Aufgaben eines Staatsgerichtshofs angemessen erschien und es erlaubte, den Apparat des Oberverwaltungsgerichts für den Verfassungsgerichtshof zu nutzen. Die nach der Landtagswahl 2012 eingesetzte Verfassungskommission, deren Vorschlag der Landtag 2016 gefolgt ist, plädierte stattdessen dafür, alle sieben Mitglieder durch den Landtag auf acht Jahre zu wählen; die Mitglieder des Gerichts werden weiterhin nicht hauptamtlich tätig, sondern nehmen ihr Amt neben ihrem Beruf wahr. Alle müssen jetzt Volljuristen sein. Nach dem Eintritt der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts in den Ruhestand wählte der Landtag 2021 Prof. Dr. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb zur Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs. Damit war die Personalunion aufgelöst und der Verfassungsgerichtshof benötigte eine eigene Verwaltung und einen eigenen Dienstsitz.

Eingang des Verfassungsgerichtshof an der Königsstraße 51-53
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Zuständig ist das Gericht für die typischen Aufgaben eines Staatsgerichtshofs, also vor allem für Streitigkeiten zwischen Verfassungsorganen, für Normenkontrollen und für Verfassungsbeschwerden von Kommunen, die annehmen, sie seien in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt. Kommunale Verfassungsbeschwerden machten bis 2018 rund 80 % aller Verfahren aus. Mit seinen Entscheidungen über die rund hundert Verfassungsbeschwerden von Kommunen gegen Gesetze zur kommunalen Neugliederung hat der Gesetzgeber in den Jahren um 1970 maßgeblich zur Akzeptanz dieser Reform beigetragen, auch wenn die Erfolgsquote nur bei 8 % lag. 2019 wurde die Individualverfassungsbeschwerde eingeführt; jetzt kann jedermann mit der Behauptung, in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein, das Gericht anrufen. Dessen Arbeitsbelastung hat sich damit stark erhöht. Im Jahre 2023 erreichten das Gericht insgesamt 147 Eingänge; davon betrafen 138 Individualverfassungsbeschwerden. Die Erfolgsquote der 2023 erledigten Individualverfassungsbeschwerden betrug null Prozent.

Janbernd Oebbecke

 

Zum Weiterlesen

Verfassungsgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen. Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, hg. vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Münster 2002.

Janbernd Oebbecke: Der Verfassungsgerichtshof als Einflussfaktor in Nordrhein-Westfalen, in: Geschichte im Westen 35 (2020), S. 9-35.