DFG-Projekt „Kommunikative Mittel für eine barrierefreie Umfrageforschung“

In vielen Bereichen der Gesellschaft hat sich die Sensibilität für Fragen der Barrierefreiheit in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Jedoch sind Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen von öffentlich finanzierter empirischer Sozialforschung weiterhin oft ausgeschlossen. Weder werden die technischen Möglichkeiten für einen barrierefreien Webzugang in Online-Befragungen standardmäßig angeboten, noch wird in den Fragebögen einfacher oder sogar in Leichter Sprache gefragt. Die Interessen und Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen werden so oft nicht berücksichtigt. Umso relevanter ist dieser Ausschluss dann, wenn auf der Basis repräsentativer Online-Befragungen Planungen angestellt und politische Entscheidungen getroffen werden.

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    Das Ziel des Projektes ist es einerseits, kommunikative Mittel zu identifizieren, die Personen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen die Teilnahme an standardisierten Online-Befragungen ermöglichen. Andererseits soll Menschen ohne solche Einschränkungen die Teilnahme vereinfacht werden. Dabei werden sowohl absolute als auch relative Barrieren in den Blick genommen. Unter anderem werden folgenden Forschungsfragen beantwortet:

    • Wie können standardisierte Instrumente und Skalen barrierefrei gestaltet werden?
    • Sind barrierefrei gestaltete Skalen messäquivalent zu standardisierten Skalen?
    • Welchen Beitrag zur Teilnahmemotivation kann eine barrierefreie Gestaltung leisten?

    Das Projekt besteht insgesamt aus mehreren Teilprojekten, um das Thema umfassend untersuchen zu können. Hier kommen sowohl qualitative als auch quantitative Methoden zum Einsatz. Eine Online-Befragung der deutschsprachigen kommunikationswissenschaftlichen scientific community zur Umfragepraxis ergänzt den Forschungsansatz.

    Das Projekt wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und von Dr. Benjamin Bigl und Ketevan Gognelashvili M.A. unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Gehrau durchgeführt.

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Eine grafische Darstellung des Projekt-Zeitplans
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Neue Ansätze zur Optimierung von Online-Befragungen: Barrierefreie Lösungen erhöhen Verständlichkeit und Teilnahmebereitschaft

Am 1. Oktober fand der Abschlussworkshop des DFG-geförderten Forschungsprojekts „Kommunikative Mittel für eine barrierefreie Umfrageforschung“ statt. Volker Gehrau, Benjamin Bigl und Ketevan Gognelashvili stellten zentrale Ergebnisse aus dem DFG-Projekt und Handlungsempfehlungen vor. Ziel des Projekts war es, herauszufinden, wie barrierefreie Kommunikationsmittel die Teilnahme an standardisierten Online-Befragungen verbessern können. Rund 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Instituten der Markt- und Meinungsforschung, von Fachverbänden und Fachgesellschaften sowie aus der universitären Umfrageforschung diskutierten im Festsaal des Schlosses Münster Möglichkeiten, wie die Handlungsempfehlungen zu barrierefreien Lösungen in die Praxis überführt werden können. Prof. Gehrau betont, dass die meisten Online-Befragungen ohne Beteiligung von Menschen mit Einschränkungen durchgeführt werden. „Dies wollen wir ändern, indem wir partizipative Methoden einsetzen, die diese Gruppe aktiv einbeziehen.“

Ein zentraler Befund des Projekts ist es, dass einfache Sprachversionen und assistive Tools wie Vorlesefunktionen oder die Verwendung eines Darkmodus die Verständlichkeit und Teilnahmemotivation verbessern können. Ketevan Gognelashvili hob die Bedeutung der Ergebnisse für die allgemeine Umfrageforschung hervor: „Vor allem Visualisierungen wie zum Beispiel Smileys und farbliche Skalen sind hilfreich, während Schieberegler oft als unpraktisch wahrgenommen wurden. Diese Erkenntnisse können künftige Online-Umfragen optimieren.“

Mit den vorläufigen Ergebnissen legt das DFG-Forschungsprojekt den Grundstein für neue Perspektiven und Methoden im Bereich der Online-Forschung. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, Barrieren in der Teilnahme an Umfragen zu verringern und die Inklusion wissenschaftlicher Datenerhebungen zu fördern. „Es zeigt sich, dass barrierefreie Mittel nicht nur Menschen mit Einschränkungen, sondern auch Personen ohne Beeinträchtigungen den Zugang zu Umfragen erleichtern können. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für eine inklusivere Datenerhebung in der empirischen Forschung.“ so Dr. Benjamin Bigl. Im Workshop wurden gemeinsam mit den Expertinnen und Experten Strategien entwickelt, wie die Resultate in die Methodenlehre und die Umfragepraxis integriert werden sollten.

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PIKSL-1

Am 3. und 4. April 2023 fand eine Teilstudie statt, in der gemeinsam mit Teilnehmenden des PIKSL-Labors Düsseldorf potenzielle Kommunikationsmittel für barrierefreie Umfragen getestet und bewertet wurden. Das PIKSL-Labor beschäftigt Menschen mit und ohne Einschränkungen, die Organisationen und Einrichtungen beraten, wie Produkte und Dienstleistungen für alle Menschen zugänglich gestaltet werden können. Aufgrund ihrer Expertise wurden die Mitarbeitenden des PIKSL-Labors bereits in die Entwicklung des zu testenden Fragebogens eingebunden. Das Ziel dieser Teilstudie bestand darin, einen ersten Überblick über mögliche Barrieren bei Online-Befragungen zu erhalten und Wege zu finden, diese zu minimieren. Die Teilstudie wurde methodisch als Kombination aus Fokusgruppendiskussionen und problemzentrierten Interviews konzipiert. Beispiele können Sie hier anschauen.

Über diese Teilstudie haben wir im Rahmen einer Veranstaltung einen Vortrag an der KatHo Münster gehalten. Die Folien zum Vortrag können Sie hier einsehen.

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Communitybefragung

Um den tatsächlichen Stellenwert der Barrierefreiheit in der Forschungspraxis zu ermitteln, wurde eine Umfrage unter Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftlern durchgeführt. Die Online-Umfrage begann im Frühjahr 2023 und im Sommer desselben Jahres abgeschlossen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden hauptsächlich aus den Fachbereichen Kommunikationswissenschaft, Erziehungswissenschaft, Soziologie, Psychologie und Politikwissenschaft rekrutiert. Einzelne Personen aus anderen Bereichen wurden ebenfalls einbezogen. Die ersten Ergebnisse wurden bei unserem Vortrag auf der Fachgruppentagung vorgestellt.

Die Anregungen und Rückmeldungen aus dem PIKSL-Labor wurden in einer Online-Befragung umgesetzt und dadurch konnten mehrere Versionen eines Fragebogens erstellt werden. Funktionen, wie eine Vorlesefunktion, der Dark Mode und die Möglichkeit zur Vergrößerung wurden integriert. Die Teilnehmenden erhielten zufällig verschiedene Versionen. Es wurden verschiedene Varianten getestet, wie wissenschaftliche Sprache versus einfache Sprache sowie visualisierte versus verbalisierte Antwortmöglichkeiten. Die Befragung wurde während einer Berufsorientierungsstunde am Paul Spiegel Berufskolleg in Warendorf und am Adolf Kolping Berufskolleg in Münster durchgeführt.

Parallel zu der Befragung an den Berufskollegs fand eine weitere Teilstudie des Projekts statt. Insgesamt 37 Schülerinnen und Schüler haben an einer Beobachtung teilgenommen, welche mittels Eyetracking-Rechner durchgeführt wurde.

Literaturanalyse

Neben den geplanten Teilstudien des Projekts wurde eine systematische Literaturanalyse durchgeführt, um zu untersuchen, wie kommunikationswissenschaftliche Studien Aspekte der Inklusion berücksichtigen.

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Vom Screenreader bis zur einfachen Sprache – Umfragen müssen für alle zugänglich sein

(06.11.2022) Erfolgreicher Auftaktworkshop zum DFG-Projekt „Kommunikative Mittel für eine barrierefreie Umfrageforschung“ am Institut für Kommunikationswissenschaft der WWU Münster.

Die rund 20 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Kommunikationswissenschaft, Linguistik, Rehabilitationswissenschaft, Erziehungswissenschaft sowie aus der Wirtschaft, aus Städten und Integrationseinrichtungen kamen nach Münster, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen in die repräsentative Umfrageforschung besser gelingen kann.