Wl 1104 Glycerin Ergonomedia Pc

Als Nebenprodukt fällt Glycerin bei der Biodiesel-Produktion an.

Foto:ergonoMedia/pc

Auf 100 Tonnen Biodiesel kommen bei der Produktion zehn Tonnen Glycerin, die "nebenbei" als Reststoff anfallen. Allein in Deutschland sind das rund 250000 Tonnen Glycerin jährlich, EU-weit handelt es sich um etwa drei Mal so viel – und die Zahlen steigen weiter, da die Beimischung von Biokraftstoffen zunimmt. "Glycerin ist ein häufig verwendetes Produkt. Es wird beispielsweise als Feuchtigkeitsspender in Kosmetikprodukten eingesetzt und als Feuchthaltemittel in Lebensmitteln. Es wird allerdings für diese Zwecke nicht in so großen Mengen benötigt, wie sie durch die Biodiesel-Produktion anfallen", erklärt Prof.  Alexander Steinbüchel vom Institut für Molekulare Mikrobiologie und Biotechnologie. Der Biologe stellt sich daher gemeinsam mit anderen Forschern die Frage: Wie kann man das Glycerin in Substanzen umwandeln, die  benötigt werden?

Es gibt bereits alternative Einsatzmöglichkeiten von Glycerin. Beispielsweise wird es in der Futtermittelindustrie als preiswerte Komponente zur Geschmacksverbesserung eingesetzt. Den Wissenschaftlern geht es jedoch darum, höherwertige Produkte aus dem Glycerin herzustellen. In einem Verbundprojekt, an dem auch Wissenschaftler der Universitäten  Greifswald und Rostock sowie die Firma Cognis beteiligt waren, haben die Forscher Möglichkeiten zur besseren Glycerin-Verwertung aufgezeigt. In Münster war Dr. Björn Andreessen im Rahmen seiner Doktorarbeit maßgeblich beteiligt.

Das münstersche Team hat es mit gentechnischen Methoden geschafft, Bakterien dazu zu bewegen, Glycerin zu einem bestimmten Polyester umzubauen. Die Substanz mit dem Namen "Poly(3-Hydroxypropionat)" ließe sich künftig beispielsweise für die Herstellung von Joghurtbechern einsetzen, so eine Idee der WWU-Forscher. Der Polyester ist thermoplastisch verformbar, ließe sich also erwärmt leicht in jede gewünschte Form bringen. Zudem ist es auch biologisch abbaubar – eine praktische Eigenschaft, wenn es um Müll-Reduzierung geht. "Ich kann mir auch andere Einsatzmöglichkeiten vorstellen", sagt Alexander Steinbüchel. "Zum Beispiel für Knochennägel, die sich mit der Zeit auflösen und eine zweite Operation überflüssig machen, bei der sonst der Nagel wieder entfernt werden müsste. Oder als Kapsel, die Medikamente zeitverzögert abgibt – beispielsweise Hormone wie Insulin."

Ein zweites Produkt, das die münsterschen Forscher nun mithilfe von Bakterien aus Glycerin herstellen können, ist Serinol. "Das ist ein kleines Molekül mit großer Bedeutung", erklärt Alexander Steinbüchel. "Es wird für zahlreiche chemische Prozesse benötigt, zum Beispiel zur Herstellung bestimmter Antibiotika oder anderer Medikamente, unter anderem gegen Multiple Sklerose. Serinol wird aber auch zur Produktion von Röntgenkontrastmitteln eingesetzt. Bislang wird es nur chemisch hergestellt. Die biotechnologische Herstellung könnte eine günstige Alternative sein."

Um in Zukunft eine wirtschaftliche Herstellung möglich zu machen, müssen die Prozesse optimiert werden – daran wollen die münsterschen Biotechnologen in einem Projekt, das an das jetzige anschließt, arbeiten. Das nun abgeschlossene Projekt wurde vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz über die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe gefördert.   

Christina Heimken