Tausendsassa gesucht

Lehrer, Forscher, Manager: Die Anforderungen an Hochschullehrer sind vielfältig
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Karikatur: Arndt Zinkant

Er sollte ein herausragender Forscher sein, ein überdurchschnittlich guter Lehrer, er sollte gleichsam ausgleichend und motivierend wirken, kaufmännische Fähigkeiten werden ebenso vorausgesetzt wie organisatorisches Geschick und kommunikative Fähigkeiten – kurzum ein Universal-Könner. Eine Mischung aus Wilhelm von Humboldt, Fußballtrainer Jürgen Klopp und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Ein Generalist und gleichzeitig ein Spezialist, dieser "Jürgen von Ackermann", in jedem Fall eine Persönlichkeit, die über ein außergewöhnliches Repertoire an Fähigkeiten verfügt.

Ein Ding der Unmöglichkeit. Natürlich. Aber so oder ähnlich nehmen viele der rund 22500 deutschen Professorinnen und Professoren die Anforderungen wahr, die die eine oder andere Universitätsleitung und die Gesellschaft an sie stellen. Als sie sich vor einigen Monaten in einer Umfrage Luft machen durften, riefen sie mehrheitlich: „Wir ersticken!“ Und sie leiteten aus dieser Zustandsbeschreibung ihren größten Wunsch ab: "Ich wäre gerne mehr Wissenschaftler und weniger Manager." Diese Klagen, betont der Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes, Dr. Michael Hartmer, seien zwar so alt wie der Beruf selbst. "Aber es steht außer Zweifel", fügt er hinzu, "dass die Bürokratisierung erheblich zugenommen hat – etwa durch die Evaluations- und Akkreditierungsverfahren und durch den Bologna-Prozess. Es gibt mittlerweile sehr, sehr viele kleine Zeitfresser."

"Jeder muss alles können – ich halte das für falsch"

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Prof. Thomas Apolte

Einerseits. Andererseits gibt es nur wenige Berufsgruppen, die so sehr mit sich im Reinen sind. Hochschulforscher haben in den vergangenen Jahren mehrfach nachgewiesen, dass Professoren bemerkenswert zufrieden mit ihrer Berufswahl sind. Sie genießen vor allem ihre Unabhängigkeit und ihr gesellschaftliches Ansehen, das sie in der Allensbacher "Berufsprestige-Skala 2008" auf Platz drei hinter den Ärzten und Pfarrern landen ließ. Klagen die Professoren somit auf einem sehr hohen Niveau? Und geht es nicht vielen Architekten, Journalisten oder Studienräten ähnlich, die sich ebenfalls über eine "Verdichtung" ihrer Aufgaben beschweren? Die Antworten sind nicht zuletzt eine Frage der Erwartung, meint der Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Prof. Thomas Apolte. "Anders als in den USA verfolgt man in Deutschland gerne die Linie, dass jeder alles können muss – ich halte das für falsch."

Fakt ist, argumentiert Prof. Hans-Michael Wolffgang, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, dass "heutzutage ein Programm das nächste jagt". Zudem habe die Notwendigkeit, Drittmittel  einzuwerben, "in den vergangenen zehn Jahren extrem zugenommen". Gleichwohl sei es müßig, über den erhöhten Verwaltungsaufwand ständig Klage zu führen "und den angeblich besseren Zeiten hinterher zu trauern". Hans-Michael Wolffgang plädiert stattdessen für ein Ziel, das nicht nur die Universität Münster, sondern viele deutsche Hochschulen intensiver denn je verfolgen: die Professionalisierung der Fachbereiche beziehungsweise Dekanate. Davon könnten nicht nur die Hochschulen als Ganzes, sondern im Idealfall auch jede einzelne Professorin und jeder Professor profitieren.

Die 15 Dekane der WWU arbeiten an Lösungs-Modellen, um den zum Teil sehr diffizilen und zeitraubenden Verwaltungskomplexen zu begegnen – und um den "Wissens- und Erfahrungsverlust" zu begrenzen, der immer dann offenkundig wird, wenn der Dekan seine Amtszeit beendet und sich kurz und knapp aus dem Dekanat verabschiedet. Noch stehen die Ergebnisse nicht fest. Zwei mögliche Modelle zeichnen sich aber bereits ab. Erstens: An der Spitze steht ein hauptamtlicher Dekan, der über weitreichende Befugnisse verfügt –  so wie es die Medizinische Fakultät der WWU mit Prof. Wilhelm Schmitz praktiziert. Zweitens: Das so genannte Dekanats-Modell sieht  einen Dekan, einen Prodekan und einen Studiendekan als auf Zeit gewählte Vertreter vor, die von einer Geschäftsführung unterstützt werden, die auf Dauer tätig ist. Die Mehrheit der aktuellen Dekane, berichtet Hans-Michael Wolffgang, favorisiere Modell Nummer zwei.

Das kann DHV-Geschäftsführer Michael Hartmer gut nachvollziehen. "Hauptamtliche Dekanats- und Fakultäts-Manager können dem Dekan so viel Arbeit abnehmen, dass er sich tatsächlich auf essentielle Leitungsaufgaben beschränken kann. Ich weiß, dass sich viele Dekane einen starken Geschäftsführer an ihrer Seite geradezu wünschen."

Thomas Apolte orientiert sich weniger an Wünschen denn an der Realität. Die sieht an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät  bereits professionell aus. Der Dekan hat je einen Prodekan für Finanzen und Strategie an seiner Seite – sie alle bleiben zwei Jahre im Amt. Daneben gibt es Dauerstellen für Qualitätsmanagement, internationale Beziehungen, Marketing, Karriereplanung und Alumni-Kontakte, eine Geschäftsstelle und einen Geschäftsführer: eine effektive Struktur, die viele Beobachter als beispielhaft bezeichnen. "Es ist unser Anliegen, möglichst viel Verwaltung im Dekanat abzuarbeiten, damit die Lehrstühle und Institute sich auf ihre Aufgaben in Forschung und Lehre konzentrieren können", betont Thomas Apolte. Damit "Jürgen von Ackermann" zumindest eine Chance hat ...

Norbert Robers