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Bilderbuchkarriere mit Hindernissen

Professorin Katrin Tent ist Mitglied bei AcademiaNet

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Herausragende Wissenschaftlerinnen aller Fachrichtungen bei ihrer weiteren Karriere zu unterstützen, ist Angela Merkel ein wichtiges Anliegen. Die Bundeskanzlerin schaltete kürzlich das Internetportal AcademiaNet in Berlin frei.

Foto: Robert-Bosch-Stiftung

Die vielen langen Formeln, die mit Kreide an der großen Wandtafel in ihrem Büro notiert sind, lassen es erahnen: Prof. Katrin Tent beschäftigt sich mit dem, was vielen in der Schule Kopfzerbrechen bereitet. Rechenansätze, Algorithmen, komplexe Zahlenzusammenhänge. Sie ist Professorin für Mathematik und Mathematische Logik, Arbeitsgebiet Modelltheorie und Algebra. Damit gehört sie im deutschen Hochschulwesen zur Minderheit. Dass Frauen in Deutschland die akademische Karriereleiter erklimmen, ist selten. Laut Robert-Bosch-Stiftung sind bundesweit nur rund zwölf Prozent der höchstdotierten Professuren weiblich besetzt. Deswegen hat die Stiftung Ende letzten Jahres das Internetportal „AcademiaNet“ ins Leben gerufen – Katrin Tent ist bereits Mitglied. Es soll exzellenten Wissenschaftlerinnen  der besseren Vernetzung dienen.

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Auch Katrin Tent musste viele Hürden nehmen, bis sie an ihrem Schreibtisch im achten Stock des Instituts für Mathematische Logik und Grundlagenforschung saß. „Ich musste mich immer wieder neu beweisen, zeigen, dass ich auch als Frau etwas auf dem Kasten habe“, erzählt die 47-Jährige. „Ich hatte das Gefühl, weniger ernst als die männlichen Kollegen genommen zu werden.“ Dabei entspricht ihre Laufbahn einer Bilderbuchkarriere: Bevor sie den Weg in die Mathematik einschlug, promovierte Katrin Tent an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Fach Linguistik. Außerdem hat sie lange Zeit im Ausland geforscht und gelehrt, unter anderem in Kanada, USA, Israel und Großbritannien.

"Der Schritt, wieder nach Deutschland zu kommen, war schon groß", gesteht die Frau mit den rotblonden Haaren und der zierlichen Statur. "Im Ausland wurde ich nicht ständig danach gefragt, wie ich denn meinen Beruf mit meiner Familie unter einen Hut bekäme." Katrin Tent ist Mutter von vier Kindern, die zeitweise auch mit ihr im Ausland lebten. Mit der Unterstützung ihres Mannes und der Hilfe von Tagesmüttern war die Kombination "Karriere und Kinder" kein Problem. Dazu trägt auch bei, dass sie sich ihre Forschungsarbeit an der Universität flexibel einteilen kann.

Und trotzdem: In Deutschland hatte sie das Gefühl, dass bei Bewerbungsgesprächen nicht mehr ihre akademischen Erfahrungen und Kenntnisse, sondern Fragen nach ihrer Familiensituation im Vordergrund standen. "Ich habe mich quer durch Deutschland beworben und bin meistens bei der Auswahl nur auf dem zweiten Platz gelandet", sagt die münstersche Zahlenjongleurin. "Das war schon frustrierend." Umso mehr gewinnt man den Eindruck, dass sie mit den vielen Fotos und selbstgemalten Bildern ihrer Kinder, die für jeden sichtbar an der Wand im Büro hängen, ein Zeichen setzt.

Katrin Tent ist keine festgefahrene Polemikerin. Wenn sie spricht, tut sie das mit ruhiger Stimme, in klar formulierten Sätzen. Den Grund dafür, warum Frauen es oft schwieriger im akademischen Bereich haben, sieht die Professorin nicht nur bei den männlichen Kollegen. "Manche Frauen haben einfach zu wenig Selbstbewusstsein und daher fehlt ihnen oft der Mut eine akademische Karriere zu wagen", meint sie. Aber: "Wenn man wirklich will, dann geht’s auch" – man müsse sich nur durchbeißen. Dazu fordert Katrin Tent ihre Studentinnen in den Sprechstunden auch immer wieder auf. Wenn man einen gewissen Status erreicht hat, dann wird man ohnehin nach oben gereicht – das war zumindest ihre Erfahrung. Spätestens nach ihrer Lehrtätigkeit in Birmingham seien die deutschen Unis auf sie zugekommen. Dass ein solches Einzelkämpferinnentum eine gewisse Ellenbogenmentalität unter Frauen hervorruft, hat die Forscherin hier in Münster nicht erlebt. Im Gegenteil. "Meine Kolleginnen und ich tauschen uns aus, wenn wir Probleme haben."

"Unsere Förderung beginnt bereits an der Schnittstelle Master/Promotion"

Daher findet Katrin Tent es auch gut, dass das Frauen-Vernetzungsportal "AcademiaNet" ins Leben gerufen wurde. Sie will es nutzen, um einen Überblick darüber zu bekommen, welche renommierten Wissenschaftlerinnen es in anderen Fachbereichen gibt. Für Prognosen sei "AcademiaNet" jedoch noch zu jung.

Was viele junge Forscherinnen nicht wissen: Auch an der Universität Münster gibt es ein weitreichendes Angebot zur Frauenförderung. Mit einem festen Etat von 190.000 Euro jährlich unterstützt sie den weiblichen Nachwuchs beispielsweise in Form von diversen Mentoring-Programmen, durch das Servicebüros Familie oder die Uni-Kita. "Unsere Förderung beginnt bereits an der Schnittstelle Master/Promotion", berichtet die Gleichstellungsbeauftragte der WWU, Dr. Maja Malik. "Denn während es im Durchschnitt mehr Frauen gibt, die ein Studium absolvieren, dreht sich diese Tendenz während der Promotion und Habilitation komplett um." Bei den Neuberufungen geht der Trend dagegen in die andere Richtung: Dort liegt der Frauenanteil mittlerweile bei rund 40 Prozent.

Christina Moebus

ACADEMIA-NET

Wissenschaftlerinnen der WWU bei "AcademiaNet": Prof. Heike Bungert (Historisches Seminar), Prof. Cornelia Denz (Institut für Angewandte Physik), Prof. Marianne Heimbach-Steins (Institut für Christliche Sozialwissenschaften), Dr. Isabel Heinemann (Historisches Seminar), Prof. Dagmar Klostermeier (Institut für Physikalische Chemie), Prof. Berenike Maier (Institut für Molekulare Zellbiologie), Prof. Ruth-E. Mohrmann (Seminar für Volkskunde/ Europäische Ethnologie), Prof. Barbara Stollberg-Rilinger (Historisches Seminar), Prof. Katrin Tent (Institut für Mathematische Logik und Grundlagenforschung) und Prof. Martina Wagner-Egelhaaf (Germanistisches Institut). Mit Dr. Kerstin Bartscherer vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin und Prof. Annegret Kuhn vom Universitätsklinikum (UKM; Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten) sind zwei weitere münstersche Forscherinnen vertreten.