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Beschleunigte Teilchen

Student eröffnet eigenes Café
Wl 1004 T B10

Hungrig nach dem Erfolg ihres Cafés sind Stefan Jansen und Thomas Wehrmann. 

Foto: Peter Grewer

Auf den ersten Blick wirkt der Mann hinter dem Tresen sehr jung. Betritt man das Café "Teilchen und Beschleuniger", wird man ihn – mit Kapuzenpulli und Dreitagebart – möglicherweise für eine studentische Aushilfskraft halten. Jung mag Stefan Jansen mit seinen 25 Jahren tatsächlich sein, ein alter Hase im Gastro-Geschäft ist er aber trotzdem. "Mit 16 habe ich angefangen, zu kellnern. Ein ganzes Jahr lang in Italien", berichtet er. Von dort hat der Lehramtstudent viele Kaffeeideen mitgebracht: "Die Italiener sind, was das angeht, einfach die Spezialisten." Speziell ist auch der Name"des Cafés, der wider Erwarten nichts mit Physik oder Chemie zu tun hat: Teilchen steht ganz pragmatisch für die Bagels, die sie in unterschiedlichsten Variationen anbieten. Und wie könnte es bei der Logik anders sein – der Kaffee ist natürlich der Beschleuniger.

"In den Anfängen habe ich schon schlecht geschlafen."

Den Wunsch, ein eigenes Café zu eröffnen und "für sich selbst zu arbeiten", hatte der gebürtige Bochumer schon länger. "Freunde haben mir kürzlich erzählt, dass ich schon vor Jahren davon gesprochen habe", ruft Stefan Jansen aus der Küche, wo er gerade Bagels mit Frischkäse, sonnengetrockeneten Tomaten und Rucola belegt. "Daran kann ich mich selbst gar nicht mehr erinnern", gibt er augenzwinkernd zu. Vor gut zwei Monaten hat er zusammen mit dem Veranstaltungskaufmann Thomas Wehrmann das Café an der Wolbecker Straße aufgemacht. Und seitdem rotieren die Freunde, sind fast ausschließlich für ihren Laden im Einsatz.

"Den schlimmsten Stress hatten wir vor der Eröffnung", erinnert sich Stefan Jansen. Um den finanziellen Aufwand und damit auch das Risiko möglichst klein zu halten, verständigten sich die jungen Männer auf ein "Low-Budget"-Projekt. Second-Hand-Möbel, gebrauchte Kaffeemaschine, Abrechnungssoftware aus dem Internet: "Wir haben alles selbst gemacht: den Holzboden verlegt, die gebrauchte Küche zusammengezimmert und mussten kurz vor der Eröffnung doch noch schwitzen, dass alles rechtzeitig fertig wird", erinnern sich die Geschäftspartner an schmerzende Knie, wunde Hände und schlaflose Nächte. Zwar fehlte zur Eröffnung dann doch noch das ein oder andere – beispielsweise gab es keine Spülmaschine, sondern nur Spülhände – aber das macht, laut Stefan Jansen und Thomas Wehrmann, den Charme von "Teilchen und Beschleuniger" aus. „Hier ist nicht alles von Anfang an perfekt, aber wir arbeiten dran.“

Erst jetzt, im alltäglichen Betrieb, wird den beiden bewusst, was man vorher alles nicht bedenkt. Fast täglich müssen Lebensmittel nachgekauft und kleinere Reparaturen gemacht werden. Ganz zu schweigen vom bürokratischen Wust, der auf die Café-Besitzer zukommt: "Das frisst unglaublich viel Zeit", seufzt der Kaffeeliebhaber und erzählt von einem Nachbarn, der das Ordnungsamt alarmierte, weil die Sitzbänke vor der Tür fünf Zentimeter zu weit auf den Gehweg ragten. Der Ärger über die typisch deutsche Genauigkeit verpufft ob der großen positiven Resonanz aber schnell. "Wir haben schon eine richtige Stammkundschaft und mittlerweile zwölf Angestellte, sonst würden wir die ganze Arbeit gar nicht schaffen", sagt der 25-Jährige nicht ohne Stolz. Und tatsächlich, im "Teilchen und Beschleuniger" in der Nähe des Bahnhofs scheint es ständig zu brummen. Mit manchen Gästen hätten die Jungunternehmer im Vorfeld nicht gerechnet: "Von elf bis mittags haben hier die Mütter und Kinder das Café fest im Griff", berichten sie schmunzelnd. Was als Studententreffpunkt angelegt war, hat sich zu einem Geheimtipp bei den unterschiedlichsten Gruppen entwickelt.

Trotz all der Freude über den gelungenen Start ins Geschäftsleben – 600 Gäste bei der Eröffnungsparty, stabile Umsätze – setzte die Doppelbelastung von Arbeit und Studium Stefan Jansen mitunter stark zu. "In den Anfängen habe ich schon schlecht geschlafen", gibt der Italienisch- und Deutsch-Student zu. Ausgebrannt sei er gewesen, gerade als auch noch zwei Examensprüfungen anstanden: "Erstaunlicherweise waren das meine besten Prüfungen überhaupt. Jetzt konzentriere ich mich aber erst mal auf den Laden, mit der Examensarbeit lasse ich mir noch etwas Zeit. Ich habe in den vergangenen Wochen viel fürs Leben gelernt und weiß jetzt erst richtig, was Arbeit bedeutet."

„Die Helfer haben eine besondere Widmung bekommen. Unsere Bagels tragen ihre Namen.“

"Zeit" ist für Stefan Jansen ein wichtiges Stichwort. "Natürlich habe ich jetzt nicht mehr viel Zeit für andere Dinge, aber ich habe meinen halben Freundeskreis hier eingestellt, so dass wir doch immer viel Zeit zusammen verbringen", sagt er und guckt sich um. In der Tat: Ein Kumpel von ihm sitzt in einem tiefen Sessel und genießt die Kaffee-Hausmarke "Beschleuniger", eine Freundin steht hinter dem schwarzen Tresen und bedient. Die Hilfe, die er und Thomas Wehrmann von ihren Freunden gerade in der harten Anfangszeit bekommen haben, können sie ihnen finanziell gar nicht zurückzahlen. Dafür haben sie sie auf ihrer Karte verewigt. "Die Helfer haben eine besondere Widmung bekommen. Unsere Bagels tragen ihre Namen", sagt Student Stefan Jansen und deutet auf die schwarze Tafel über dem Tresen, auf der unter anderem die Bagels "Jörn" und "Clara" zu finden sind.

Hanna Dieckmann