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Gemischte Gefühle

Lehrerausbildung wird bis 2011 umgestellt

Mit aktuell insgesamt knapp 8000 Lehramtsstudierenden prägt die Lehrerausbildung das Profil der Uni Münster. Fast ein Viertel aller Studierenden der WWU will Lehrer werden. Die WWU bildet für alle Unterrichtsfächer und für alle Lehrämter außer Sonderpädagogik aus, einschließlich für das Lehramt an Berufskollegs in Kooperation mit der Fachhochschule Münster. Eine Reform der Lehramtsausbildung, wie sie gerade von der Landesregierung beschlossen wurde (siehe auch w|l Juni 2009), ist damit ein ganz besonderer Meilenstein für die Uni Münster. Die ist gut vorbereitet, denn durch den im Wintersemester 2005/06 gestarteten Modellversuch konnten bereits Erfahrungen mit der Ausbildung von Lehrern in Bachelor- und Master-Studiengängen gesammelt werden. "Wir sind erheblich besser aufgestellt als andere Hochschulen, weil wir schon viele Erfahrungen – positiver und negativer Art – gemacht haben", so Dr. Marianne Ravenstein, Prorektorin für Lehre, Studienreform und studentische Angelegenheiten.

Während andere Universitäten erst jetzt beginnen, Bachelor-Studiengänge für ihre Lehramtsstudierenden zu entwickeln, sind im vergangenen Wintersemester bereits die ersten "Master of Education"-Studiengänge in Münster gestartet. Allerdings müssen nach den Bestimmungen des Gesetzes zur Reform der Lehrerausbildung sowohl Bachelor- als auch "Master of Education"-Studiengänge noch einmal grundsätzlich überarbeitet werden, damit sie von der Agentur "AQAS" akkreditiert werden können. Künftig werden die Grundschullehrer genauso lange studieren wie die Kandidaten für die anderen Schulformen, nämlich in der Regel sechs Semester im Bachelor- und vier Semester im "Master of Education"-Studiengang. "Das ist gewissermaßen ein Ende der Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Lehrerausbildung", begrüßt Ravenstein diesen Schritt. Allerdings belastet der studienzeitverlängernde Effekt der Ausbildung von Grund- und Hauptschullehrern die Kapazitäten der WWU. Das Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie (MIWFT) stellt ab 2011 langsam anwachsend bis zu 45,9 Millionen Euro pro Jahr, verteilt nach den Kapazitäten im "Master of Education"-Bereich, den Hochschulen in NRW zur Verfügung. Weiter sind zwölf Millionen Euro für die Einrichtung von Fachdidaktik-Professuren vorgesehen. Es handelt sich dabei um eine reine Projektförderung. Jeder lehrerausbildende Standort erhält bis zu einer Million Euro für die Einrichtung eines Zentrums für Lehrerbildung.

Mit dem Gesetz zur Reform der Lehrerausbildung wird ein eigenständiger Studiengang für das Lehramt an Grundschulen eingeführt.  "Gerade in der Grundschule braucht man sehr gut ausgebildete Lehrer, und wir haben nicht nur in der Ausbildung, auch in der Forschung die entsprechende Expertise", sagt Ravenstein und denkt dabei beispielsweise an die Begabungsforschung, die individuelle Förderung und die fachdidaktische Vermittlung der Grundlagen beispielsweise im Sachunterricht.

Einen weiteren wichtigen Unterschied zu der bisherigen Ausbildung sieht Ravenstein mit leicht gemischten Gefühlen: den Ausbau der Praxisphasen. Möglichst bereits vor dem Studium sollen die Abiturienten ein sogenanntes Eignungspraktikum durchlaufen. In der Bachelorphase sind ein Orientierungspraktikum und ein Berufsfeldpraktikum zu absolvieren. In die Masterphase fällt ein Praxissemester, dafür wird das Referendariat von zwei auf ein Jahr verkürzt. "Ich begrüße die stärkere Praxisorientierung im Studium, aber das geht zu Lasten der fachwissenschaftlichen und bildungswissenschaftlichen Anteile", so Ravenstein. Die fachwissenschaftlichen Anteile werden zukünftig in der weiterhin polyvalenten Bachelorphase vermittelt, das heißt, die Studierenden können nach Abschluss ihres Zwei-Fach-Bachelorstudiums auch in einen fachwissenschaftlichen Masterstudiengang wechseln.

Im viersemestrigen "Master of Education" wird ein Praxissemester an einer Schule absolviert, ein Semester ist für die Master-Arbeit vorgesehen, so dass zwei Semester bleiben, die vor allem bildungswissenschaftlichen Inhalten vorbehalten sind. Die Organisation des fünfmonatigen Praxissemesters liegt bei der WWU in Zusammenarbeit mit dem Studienseminar. "Für Münster konnten wir mit der Bezirksregierung eine günstige Einigung erreichen: Alle Schulen im Regierungsbezirk werden als Ausbildungsstellen für unsere Studierenden zur Verfügung stehen. Ich bin auf die Erfahrungen mit diesem Praxissemester gespannt", so Ravenstein.

Während die Verantwortung der Hochschulen für die stärkere Praxisorientierung im Lehramtsstudium steigt, müssen gleichzeitig neue Studieninhalte entwickelt werden. So sollen die Studierenden künftig neu in den Bereichen "Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte" und "Diagnostik" ausgebildet werden. "Wir führen aktuell Gespräche mit Fachvertretern, um zu sehen, wer von unseren Wissenschaftlern diese Bereiche abdecken kann. Die Expertise ist auf jeden Fall vorhanden", ist sich Ravenstein sicher. Die inhaltlichen Vorgaben des Schulministeriums (MSW) beschränken sich, wie von den Hochschulen im Vorfeld gefordert, auf die "Master-of Education"-Phase. Die curriculare Verantwortung liegt bei den Universitäten, das MSW hat allerdings ein Vetorecht bei der Akkreditierung der einzelnen Master of Education-Studiengänge. "Da hätten wir uns noch mehr Autonomie gewünscht, aber immerhin ist ein Teil unserer Bedenken berücksichtigt worden", resümiert die Prorektorin.

Die Studierbarkeit der Lehramtsstudiengänge und die Studienorganisation soll und muss nach den bisherigen Erfahrungen optimiert werden: "Da besteht zum Teil noch erheblicher Verbesserungsbedarf", so die Prorektorin. Die Reform der Lehrerausbildung in NRW wird von Seiten der WWU nachdrücklich begrüßt. "Die Stärkung des Output-Prinzips in der Lehrerausbildung mit dem Instrumentarium der Akkreditierung der Studiengänge und dem Abschluss von Zielvereinbarungen mit dem MIWFT ist positiv", so Ravenstein. Die zukünftigen Zielvereinbarungen mit dem MIWFT werden auf Basis der entsprechenden lehramtsrelevanten Studienkapazitäten und dem Umfang der fachdidaktischen Studienkapazitäten an der WWU erfolgen. Ravenstein betont, dass auf Grundlage eines flexibilisierten Kapazitätsrechts profilbildende Schwerpunkte in der Lehramtsausbildung sowie in den Studienprogrammen der Bachelor- und vor allen Dingen der Masterprogramme gesetzt werden sollen.

Die gewünschte Stärkung der Fachdidaktiken wird vom Rektorat begrüßt, wobei eine personelle Erweiterung der fachdidaktischen Kapazitäten dringend erforderlich sei. Auch in diesem Punkt kann eine abschließende Bewertung von Seiten der WWU erst erfolgen, wenn nähere Informationen zur angekündigten Finanzierung der Reform sowie die Verteilung der finanziellen Mittel an die Hochschulen von Seiten des MIWFT und des MSW vorliegen. "Der Bedarf an Lehrern ist auf jeden Fall da, die Prognosen für unsere Absolventen sind hervorragend", meint Ravenstein. Wer das Referendariat durchlaufe, könne hinterher sicher sein, eine Stelle zu bekommen. Beste Aussichten also für gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer ...

bn

Aus der Praxis