Vermittlung für Freundschaften
"Friendship" - Freundschaft - suchen die Studierenden, die an dem Programm der "Brücke" teilnehmen. Auch die deutschen Partner profitieren von der Begegnung mit den ausländischen Studierenden.
Foto: maccaroni/pc
In beiden Richtungen auf dem Fahrrad unterwegs, obwohl doch eine Einbahnstraße angeschlagen ist? Noch nicht mal ein Handschlag, nur ein lässiges "Hallo", obwohl man sich noch nie gesehen hat? Verständnislose Blicke, wenn man das erste Mal versucht, auf Deutsch beim Bäcker Brötchen zu bestellen? Die sprachlichen und kulturellen Hürden sind hoch, wenn man in ein fremdes Land wechselt. Kein Sprachkurs, kein Reiseführer bereiten einen darauf vor. Da hilft nur eins: rein ins Geschehen, am besten mit einem Partner, der die Szene kennt. Und der einem in Freundschaft verbunden ist. "Friendship" hat deshalb die Brücke ihr Partnerschafts-Programm zwischen ausländischen Studierenden und münsterschen Einheimischen genannt, das helfen soll, die Gäste möglichst schnell zu integrieren.

Noch ein wenig fremd in Deutschland fühlen sich Zaniar Ghadernezhad, Claudia Bizzarri und Pankaj Kolhe (von links).
Fotos (2): Angelika Klauser
"Ich wollte verschiedene Menschen und verschiedene Kulturen kennenlernen", erklärt Zaniar Ghadernezhad seine Gründe, warum er an "Friendship" teilnimmt. Der Iraner ist seit zwei Monaten in Deutschland und studiert hier Mathematik. Zum ersten Mal hat er sein Heimatland verlassen, noch ist alles neu und fremd für ihn. Betreut wird er von Ute Wenzel. Die 63-jährige Grundschullehrerin hat durch eine Anzeige von dem Programm erfahren und sich mit ihrem Lebensgefährten spontan gemeldet. "Ich habe früher schon ein Zimmer an ausländische Studentinnen vermietet. Das waren immer sehr interessante Gespräche", erzählt sie.
Ihre Hoffnung, etwas über andere Länder zu erfahren, können Zaniar und auch Pankaj Kolhe sicher erfüllen. Letzterer ist der Partner von Wenzels Lebensgefährten und kommt aus Indien. Der 27-Jährige hat in Soest seinen Master in Elektrischer Energietechnik gemacht und promoviert nun an der WWU. Obwohl er seit zwei Jahren in Deutschland ist, geht ihm die fremde Sprache noch immer schwer über die Lippen. "Man braucht deutsche Freunde, um das Deutsch zu verbessern" – auch ein Grund, bei "Friendship" mitzumachen. Der Hauptgrund aber war die Einsamkeit: "Wenn man in eine fremde Stadt kommt, braucht man jemanden, mit dem man reden kann."
"Immer wenn ich Deutsch spreche, fühlt es sich an, als sei es das erste Mal."

Neugierig ist Ute Wenzel auf Erzählungen aus fremden Ländern.
Und der findet sich immer. Ioana Popa von der "Brücke", die als studentische Hilfskraft das Programm koordiniert, hat die Erfahrung gemacht, dass es kein Problem ist, deutsche Partner zu finden. Vor acht Jahren ist das "Friendship"-Programm gestartet worden. Damals kamen bereits im ersten Jahr durch die Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden über 300 Vermittlungen zustande. Doch irgendwann schlief das Projekt ein, bis es vor drei Semestern wieder ins Leben gerufen wurde. "Im Moment haben wir 19 Pärchen. Aber allein in den vergangenen zwei Wochen haben wir zehn Kontakte vermittelt", erzählt die Rumänin. Auf der Seite fänden sich viele Berufstätige wie Wenzel, aber auch Studierende, die ihren ausländischen Kommilitonen die deutsche Kultur näher bringen wollen.
Nachholbedarf hat auch Claudia Bizzarri. Die 25-Jährige lebt zwar schon seit einem Jahr in Münster, doch die Umgangssprache im Physikalischen Institut ist Englisch – und italienisch, denn Arbeitsgruppenleiterin Prof. Luisa de Cola ist ebenso wie Claudia Italienerin. "Immer wenn ich deutsch spreche, fühlt es sich an, als sei es das erste Mal", erzählt sie. Dabei, so hat es Pankaj erlebt, "freuen sich die Deutschen, wenn man einige deutsche Wörter kann." Er hat gelernt, dass er selbst die Initiative ergreifen und auf die Menschen zugehen muss: "Sie sind alle sehr kooperativ und versuchen, so viel wie möglich zu helfen." Auch Zanair musste über seinen Schatten springen und die anfängliche Isolation durch die Sprachhürde überspringen. "Ich habe mich nicht gut gefühlt als Fremder, weil ich mich nicht verständigen konnte", sagt er und erzählt, wie er mit dem Bus in Nienberge gestrandet ist, weil er nicht lesen konnte, wohin der fuhr. Ein freundlicher Deutscher wies ihm dann den richtigen Weg.
Vorerst sind die drei darauf angewiesen, in Deutschland Freunde zu finden. Pankaj war innerhalb von zwei Jahren einmal in Indien, Zanair hofft, dass er alle sechs Monate in den Iran fliegen kann. Claudia trifft es weniger hart: "Nach Italien gibt es viele billige Flüge", sagt sie lachend. "In Deutschland lebt man eher vereinzelt, in Indien hat die Familie mehr Bedeutung", erzählt Pankaj. Er möchte auf jeden Fall zurück in sein Heimtland. Zanair vermisst den Iran ebenfalls: "Alle wichtigen Menschen, meine Familie, meine Freunde leben dort." Aber an erster Stelle steht für ihn die Wissenschaft: "Ich will in eine gute Forschergruppe, gleichgültig, wo auf der Welt sie zu finden ist." Claudia hat Freunde in Münster gefunden. Doch nachdenklich sagt sie: "Manchmal habe ich das Gefühl, dass das Leben hier nicht das richtige Leben ist. Ich muss mir hier ein Leben aufbauen, aber ich habe noch ein Leben in Italien. Werden die Freunde, die ich hier habe, nur Freunde für ein Jahr sein?"
"Die Deutschen sind wirklich sehr offen."
Ute Wenzel hat gelernt, dass aus Zweckbündnissen Freundschaften für ein Leben entstehen können. Mit der chilenischen Studentin, an die sie als erstes ein Zimmer vermietete, hat sie noch heute Kontakt. Anfangs zögerte sie, bei „Friendship“ mitzumachen, weil sie fürchtete, zu alt zu sein. „Doch gerade ältere Menschen machen bei uns mit, weil sie jemanden haben wollen, mit dem sie reden können“, berichtet Ioana Popa. „Und die ausländischen Studierenden freuen sich, weil sie von ihnen lernen können.“ Bislang habe es zwischen den vermittelten Partner noch keine Probleme gegeben. Fast allen ist es egal, aus welchem Land die Studierenden kommen, „die Deutschen sind wirklich offen“. Wie sich die weitere Freundschaft gestaltet, ist den Teilnehmern überlassen. Ute Wenzel und ihr Freund planen eine Fahrradtour, zum Essen eingeladen haben sie Pankaj und Zanair auch schon.
Immer sind es mehr ausländische Studierende, die auf einen deutschen Partner warten als umgekehrt. Sieben sind es im Moment, aber Popa ist zuversichtlich, sie bald vermitteln zu können.
bn