Unheimliche Bereicherung

Immer bereichernd ist es, wenn verschiedene Kulturen aufeinander treffen.
Foto: Peter Grewer
"Es macht einfach irre viel Spaß. Man macht wichtige persönliche und berufliche Erfahrungen. In jedem Fall ist ein Auslandsaufenthalt in verschiedener Hinsicht richtig toll." Dr. Anke Kohl weiß, wovon sie redet, denn die neue Leiterin des "International Office" hat selbst geraume Zeit im Ausland verbracht. An der Universität Twente war sie zuletzt für die strategischen Entscheidungen zur Internationalisierung der niederländischen Universität zuständig. Jetzt soll sie in Münster den Prozess der Internationalisierung vorantreiben.
"Heutzutage arbeitet man einfach nicht mehr nur national, egal, welchen Job man macht", sagt Kohl. Deshalb sei es wichtig, so früh und so umfangreich wie möglich internationale Erfahrung zu sammeln. Wie das funktioniert, hat Kohl an der Universität in Enschede erlebt. Ursprünglich half sie dort als promovierte Poiltikwissenschaftlerin, den Doppel-Diplom-Studiengang zwischen den münsterschen Politikwissenschaftlern und den niederländischen Verwaltungswissenschaftlern aufzubauen, bevor sie erst auf die Fachbereichs- und dann auf die zentrale Ebene wechselte.
Internationalisierung bedeutet auch für die Niederländer in erster Linie Studierendenaustausch. "Die Enscheder haben schon wesentlich früher mit der Internationalisierung begonnen, da ihnen in einigen Fächern schlicht die inländischen Studierenden fehlen", erklärt Kohl. Die deutschen gehören dafür zu den wichtigsten Zielgruppen, vor allem in Fächern, die in Deutschland zulassungsbeschränkt sind wie Kommunikationswissenschaft oder Psychologie. "Aber Twente wollte nicht nur die zweite Wahl sein, sondern besonders qualifizierte Studierende bekommen", berichtet Kohl. Dafür wurde beispielsweise ein "D-Team" geschaffen, das schon in den deutschen Schulen die Studienanfänger rekrutiert und später beim Einstieg begleitet. Knapp 20 Prozent der Studienanfänger in Enschede kommen aus dem Ausland.
"Mit dem Blick von halbaußen kann ich sagen: Ich höre in Münster oft, dass vieles noch nicht so gut sei in Sachen Internationalisierung, aber ich finde, hier wird schon eine ganze Menge gemacht." Derzeit sitzt Kohl an einer Bestandsaufnahme. Dazu gehört auch, zu schauen, wie viele Studiengänge an der WWU auf englisch laufen. Sieben Bachelor- oder Master-Studiengänge werden inzwischen in der Lingua franca angeboten, ein Master-Studiengang auf niederländisch und knapp 30 Studiengänge haben englischsprachige Anteile. Von den fremdsprachigen Angeboten profitieren nicht nur die ausländischen Studierenden. "Nur ein Bruchteil der deutschen Studierenden geht ins Ausland. Denen müssen wir die internationale Erfahrung hier in Münster vermitteln", so Kohl.
"Internationalisation at home" heißt das Aufgabengebiet, für das seit Anfang Januar Petra Bettig im "International Office" zuständig ist. "Alle unsere Studierenden sollen internationale und interkulturelle Kompetenzen erwerben", beschreibt sie ihren Ansatz. Dies könne durch den Einsatz von Fremdsprachen, durch landeskundliche Angebote oder durch fachspezifische Angebote wie internationales Recht oder internationale Wirtschaft geschehen. "Wenn man lernt, Menschen, die einen anderen kulturellen Hintergrund haben, mit Offenheit und Respekt zu begegnen, dann lernt man auch viel über sich selbst", so Bettig. Denn um mit anderen umgehen zu können, müsse man sich erst über den eigenen kulturellen Hintergrund klar werden.
"Wir müssen den Studierenden klar machen, dass sie willkommen sind."
Klar ist sowohl Kohl wie auch Bettig, dass sie mit dem "International Office" vor allem Dienstleister für die Fachbereiche sind. "Die Fachbereiche müssen die Internationalisierung wollen", so Kohl und Bettig ergänzt: "Das Interesse ist auf jeden Fall da." So kann die Geoinformatik beispielsweise mit einem "ERASMUS-MUNDUS"-Studiengang glänzen, die Landschaftsökologen organisieren eine internationale "Summer School", an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät wird für im Ausland graduierte Juristen und Juristinnen der Master-Studiengang "Deutsches Recht" angeboten, am Institut für Erziehungswissenschaft der Zusatzstudiengang „Deutsch als Zweitsprache/Interkulturelle Pädagogik“. Das sind nur einige Beispiele aus einer Vielzahl von Aktivitäten der Fachbereiche.
Als Führungsaufgabe betrachten die Wirtschaftswissenschaftler die Internationalisierung ihrer Studiengänge. Sie haben ein "International Relation Center" geschaffen, das von Dr. Stephanie Schröder geleitet wird. 60 aktive Partnerschaften, 44 "ERASMUS"-Programme und drei Doppeldiplome bietet die Fakultät ihren Studierenden. Doch da es sich jeweils um wechselseitige Austausch-Programme handelt, besteht hier weiterhin Ausbaubedarf: Die Zahl der "Incomings" liegt mit 100 niedriger als die Zahl der "Outgoings". Rund 150 münstersche Studierende der Wirtschaftswissenschaften absolvieren jedes Jahr ein oder mehrere Auslandssemester. "Wir bemühen uns inzwischen insbesondere um die Rekrutierung von ausländischen Studierenden aus den für unsere Studierenden interessanten Zielländern. Vor allem englischsprachige Programme sind gefragt", erklärt Schröder ein Ziel des Fachbereiches. Im Gegensatz zu einem eigenständig organisierten Auslandssemester können münstersche Studierende insbesondere von der Befreiung von im Ausland in der Regel deutlich höheren Studiengebühren profitieren und Probleme bei der Anerkennung der im Ausland erbrachten Studienleistungen vermeiden. Wichtig dabei sei, dass man auf qualifizierte Programme setze, die international akkreditiert worden sind.
Zahlreiche Instrumente stehen zur Verfügung, um ausländische Studierende nach Münster zu holen. Doch das wichtigste ist für Schröder ein individuelles und qualifiziertes Betreuungsangebot: "Wir müssen von Anfang an verdeutlichen, dass die Gaststudierenden willkommen sind und ihre Belange ernst genommen werden." Das wird beispielsweise durch ein Begrüßungsfrühstück in der "Brücke" oder durch ein Mentorenprogramm, das die Fachschaft organisiert, gewährleistet. Auch Kritik und Feedback seien wichtig: "Meist sind es nur kleinere Missstände, die sich leicht abstellen lassen."
Anke Kohl schwärmt derweil von ihrem eigenen Auslandsaufenthalt: "Ich hätte vorher nie erwartet, dass es so ein tolles Erlebnis wird. Es war eine unheimliche Bereicherung, eine andere Kultur kennengelernt zu haben."
bn