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Eins plus eins macht nicht immer zwei

SFB/Transregio in der Physik zu nanoskaligen Strukturen

Eins plus eins macht zwei? Im Nanobereich nicht unbedingt. Werden einzelne Moleküle zusammengesetzt, ergeben sich manchmal Strukturen mit völlig neuen Eigenschaften. Diese neuen Merkmale sind es, die die Wissenschaftler des neuen Sonderforschungsbereichs/Transregio 61 begeistern. Die Forscher wollen maßgeschneiderte molekulare Materialien herstellen, die zum Beispiel neue optische oder elektrische Merkmale aufweisen. Das Besondere: Wissenschaftler der WWU arbeiten dabei Hand in Hand mit ihren Kollegen aus China.

"Unser Projekt ist ein Novum", betont Prof. Harald Fuchs vom Physikalischen Institut, der gemeinsam mit seiner Kollegin Prof. Lifeng Chi die "deutsche Seite" des SFB leitet. "Bislang gibt es kein anderes deutsch-chinesisches Forschungsvorhaben dieser Qualität und Größenordnung. Auch für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist das eine Premiere". Die DFG unterstützt den SFB "Multilevel Molecular Assemblies – Structure, Dynamics and Functions" zunächst über vier Jahre mit rund sechs Millionen Euro.

Dass ein solches Kooperationsprojekt allerdings nicht aus dem Hut gezaubert werden kann, zeigt die lange Vorgeschichte. "Wir blicken auf eine über zehnjährige Zusammenarbeit zurück, die über die Jahre gewachsen ist und hochkarätige gemeinsame Publikationen hervorgebracht hat", so Chi. Diese bestehende Kooperation hat die Basis für den neuen Transregio, der im Juli gestartet ist, gebildet.

Projektpartner sind renommierte Einrichtungen der Pekinger Tsinghua-Universität, des "National Nanoscience Center of China" sowie der Chinesischen Akademie der Wissenschaft. Von münsterscher Seite sind unter anderem Arbeitsgruppen des "Center for NanoTechnology" (CeNTech) sowie des "Center for Nonlinear Science" (CeNoS) beteiligt. "Damit haben wir zwei wichtige Arbeitsbereiche der WWU eingebunden", so Fuchs.

Die Wissenschaftler interessiert, wie sich die chemischen Eigenschaften vom einzelnen Molekül über den Molekülverbund bis hin zu Molekülschichten ändern. "Wir haben die Technik, um solche Nanomaterialien herzustellen", erklärt Fuchs. Um ein umfassendes theoretisches Verständnis zu erhalten, sind Arbeitsgruppen beteiligt, die die komplexen Vorgänge auf Nanoebene durch Computersimulationen und Berechnungen ergründen.

"Nicht nur auf der Nanoebene ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile."

Neben Physikern und Chemikern sind auch Biologen im Boot. "Wir werden von der Biologie eine Menge lernen. Dort gibt es Molekülstrukturen mit spezifischen Eigenschaften, die als Vorbilder für unsere neuen maßgeschneiderten Moleküle dienen können", so Fuchs. "Allerdings sollen diese Nanosysteme nicht einfach kopiert werden. Wir wollen Konzepte aus der Natur auf neue Materialien übertragen." Zwar werden die synthetischen Moleküle, die von den Forschern kreiert werden, einfacher sein als die biologischen Vorbilder. Sie sollen aber auch neue Eigenschaften erhalten. So sind biologische Moleküle in der Regel nicht hitzebeständig. Gerade diese Eigenschaft könnte aber bei der Anwendung von Nanomaterialien in der Technik wichtig sein.

Einige Forscher des SFB arbeiten zum Beispiel an der Herstellung von Nanocontainern. Diese könnten in Zukunft dazu dienen, Medikamente im Körper zum "Einsatzort" zu transportieren. Andere Wissenschaftler untersuchen Transportmoleküle, die Farbstoffe vor oxidativem Abbau schützen und so für die Farbindustrie von Interesse sein könnten. Wieder andere wollen Moleküle mit speziellen Funktionen kreieren, beispielsweise photoaktive Moleküle oder "Hybridsysteme" aus synthetischen und biologischen Bestandteilen, die ganz neue Anwendungen ermöglichen könnten. "Die Grundbausteine solcher Systeme sind da. Es gilt jetzt, die Ansätze im Transregio zusammenzubringen", so Fuchs. Die Zusammenarbeit der Deutschen und Chinesen beschränkt sich nicht auf E-Mail-Korrespondenz und Videokonferenzen. Jährlich stattfindende Treffen – abwechselnd in Münster und in Peking – werden für den persönlichen Austausch zwischen den Forschern sorgen. Zudem finden jährliche Treffen der Doktoranden statt. Ohnehin werden die Studierenden, die im Transregio arbeiten, Gelegenheit haben, über den Tellerrand zu schauen.  Gegenseitige Forschungsaufenthalte sind Bestandteil des Ausbildungsprogramms. "Der Austausch ist besonders wichtig", erklärt Chi. "Nicht nur auf Nanoebene ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Auch die Forschergruppen werden gemeinsam mehr schaffen, als bei lauter Einzelprojekten herausgekommen wäre."

ch