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Manchmal braucht man einfach Hilfe

Knapp ein Viertel der WWU-Studierenden leidet unter psychischen Problemen
Psychische Probleme

Schwierigkeiten im Studium haben schon so manchen aus der Bahn geworfen. Aber die Uni bietet auch Hilfe an.

Foto: rolleyes/Photocase

Plötzlich war es da. Dieses Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, keine Kontrolle über den Körper zu haben, ohnmächtig zu werden. Was da plötzlich ihre Welt in einer Vorlesung aus den Fugen riss, hatte Angela* noch nicht erlebt. Doch ihr Hausarzt konnte die Beschwerden, die sie als Kreislaufprobleme abgetan hatte, sofort als Panikattacke diagnostizieren und verschrieb Beruhigungsmittel. Patrick* dagegen wusste, was ihn bedrängte, als er dieselben Symptome spürte. Als Medizinstudent hatte er auch Vorlesungen in Psychologie mitgemacht. Als ihm schwummerig wurde bei der Blutabnahme, ahnte er: "Das ist eine Blut- und Spritzenphobie." Anders als Angela wusste er, wo er Hilfe finden konnte. Er marschierte in die Psychotherapie-Ambulanz der WWU, schilderte seine Nöte und bekam innerhalb von zwei Wochen einen Therapieplatz. Angela musste länger warten, doch auch sie hat inzwischen mithilfe einer Therapie ihre Panikattacken im Griff, nachdem die Beruhigungsmittel nur kurzfristig halfen.

Laut einer HIS-Umfrage unter den Studierenden der WWU aus dem Jahr 2001 leiden 22 Prozent unter psychischen Schwierigkeiten, zwei Prozent sind psychiatrisch erkrankt. Prüfungsängste, Angst vor dem Referat und Schreibblockaden sind die häufigsten durch das Studium verursachten Probleme, die Volker Koscielny von der Zentralen Studienberatung (ZSB) erlebt. Viele der Ratsuchenden kommen nur ein- oder zweimal. Für die schlimmer Betroffenen gibt es das Angebot von Gruppengesprächen: "Das ist hilfreich, weil man sich mit Betroffenen austauschen kann. Außerdem bieten wir als Hilfe zum Wiedereinstieg spezielle Techniken zum Studium, zur Prüfungsbewältigung und zur Stressverarbeitung an", erklärt Koscielny. Einmal in der Woche treffen sich die Studierenden, um zu lernen, wie sehr sie sich belasten dürfen und können, wie sie mit ihren Motivationsschwierigkeiten umgehen können und wie sie wieder soziale Kontakte finden. Häufig reicht das nicht aus, deshalb bietet die ZSB auch therapeutische Einzelgespräche kostenlos an.

Einen besonderen Service will die ZSB jetzt neu aufbauen: Paten, die von Psychologen speziell geschult werden, begleiten ihre Kommilitonen in der ersten Zeit durch das Studium, helfen ihnen bei der Organisation und unterstützen sie beim Lernen.

Angela musste lange auf ihren Therapieplatz warten, denn ihr war nicht bekannt, dass sie auch direkt in der Uni Hilfe hätte bekommen können. Rund zwei Monate musste sie warten, doch jetzt hat sie eine Therapeutin gefunden, die ihr die Angst vor der Angst nimmt. "Inzwischen geht es wieder sehr gut im Unialltag, das hat sich schnell wieder eingependelt", berichtet sie. "Zum Glück, denn ich wollte mir auf keinen Fall ein Semester dadurch stehlen lassen." Schon seit längerer Zeit leidet sie unter Klaustrophie, im Unistress sei dann wohl die Panik dazu gekommen: "Ich habe mich akademisch nicht überlastet gefühlt, aber organisatorisch." Lange war nicht klar, ob ihr Auslandssemster anerkannt würde, die bevorstehende Magisterprüfung verursachte zusätzlichen Stress.

"Ich hatte Angst davor, wieder Angst zu bekommen."

Durch die Erkrankung hat sie keine Probleme im Studium bekommen: "Für Magister ist das nicht so ein Problem, weil es keine Anwesenheitspflicht gibt. Und ich war niemals länger als zwei Wochen nicht an der Uni", berichtet sie. Anfangs fühlte sie sich allein, inzwischen geht sie offen mit der Panikstörung um: "Seitdem höre ich von vielen, die ähnliche Probleme haben." Ob die stärker verschulten Bachelor- und Master-Studiengänge mehr Druck bringen werden, kann Koscielny noch nicht sagen. Seinem Eindruck nach aber hat die Zahl der Hilfesuchenden dadurch zugenommen.

Bei einer Blutabnahme erwischte es Patrick, plötzlich hatte er Angst, ohnmächtig zu werden. "Ich habe eigentlich keine Angst vor dem Blutabnehmen gehabt, sondern Angst davor, wieder Angst zu bekommen. Da war die Therapie sehr hilfreich: Herauszufinden, wovor man eigentlich Angst hat, ist schwierig, wenn man alleine ist." Und die schlimmste Angst war es für ihn, seinen Beruf niemals ausüben zu können. Durch die Konfrontationstherapie ist seine Phobie schnell besser geworden. Er hat gelernt, nicht nur die negativen Erfahrungen zu speichern und immer wieder aufzurufen. Wenn er jetzt zur Blutabnahme geht, denkt er auch an die Male, bei denen er keine Probleme hatte. "Man muss einfach die Erfahrung machen, dass man die Situation aushalten kann", erklärt Patrick.

Im Nachhinein kann er der Krankheit sogar etwas Positives abgewinnen: "Es ist fast schon eine Bereicherung, wenn man als Mediziner einmal hautnah erfahren hat, was eine Therapie bringt."

bn

    *Name von der Redaktion geändert

Zentrale Studienberatung

Psychotherapie-Ambulanz