|
muz

Nach dem Druck ist vor dem Druck

100 Jahre Unizeitung: Eine "wissen|leben" entsteht

 Muz706 Wissen Leben 

Mit 40 Stundenkilometern rauscht die "wissen|leben" durch die Druckmaschine. Einen Tag später wird sie in der Uni verteilt.

Foto: jri

 
Es raschelt. Noch haftet der herbe Geruch von Druckerfarbe am Papier. Da liegt sie, plattgedrückt zwischen anderen Exemplaren ihrer Art, sauber eingeschweißt wartet sie darauf, abgeholt und in der WWU verteilt zu werden. Vier Wochen hat es gedauert, jetzt ist sie endlich das, was sie ist: ein glattes, brandneues Exemplar von "wissen|leben", der münsterschen Unizeitung.

Was auf sie zukommen wird, weiß nur ihre abgegriffene Vorgängerin. Die hat die besten Tage bereits hinter sich. Im besten Fall lagert sie leicht verknittert im Archiv, im schlechtesten gammelt sie zwischen verfaulten Birnen, Eiern und Salatblättern in einer münsterschen Biotonne vor sich hin. Kaum spuckten sie vor ein paar Wochen haushohe Druckmaschinen mit dunklem Getöse aus, haben Uni-Mitarbeiter und Studierende in ihr geblättert und gesucht, wo ihre Meldungen, ihre Terminhinweise abgeblieben sind. Die neue "wissen|leben" hat vom Leben einer Unizeitung zwischen Mensageruch und Hörsaalatmosphäre noch keine Ahnung. Noch ist sie nur bedrucktes Papier, Bedeutung bekommt sie erst, wenn ihre Leser sie in den Händen halten.

Die haben ihren Anteil daran, dass überhaupt erst eine Unizeitung entstehen kann. Ihre Anrufe und E-Mails bestimmen das Gesicht der "wissen|leben". Auf der Titelseite die Exzellenzinitiative oder doch den Bau? Die Forschungsseite füllen mit den Ausgrabungen in der Türkei oder dem Krieg der Hefen? Was mag wohl wichtig sein in den kommenden Wochen, was die Rezipienten interessieren? Was vorbei ist, ist vorbei, die Redaktion blickt grundsätzlich in die Zukunft und berücksichtigt nur Termine, die noch wahrgenommen werden können. Das macht die Sache nicht einfacher, immer wieder müssen Professoren und Mitarbeiter daran erinnert werden, auf ihre Ringvorlesung oder den internationalen Kongress rechtzeitig aufmerksam zu machen. Immerhin – die Internetseiten der Uni kennt wohl kaum einer so gut wie die Redakteurinnen, hier finden sich auf manch unscheinbarer Seite wahre Themenschätze. Aber auch die schwarzen Bretter liefern wertvolle Hinweise.

Immer reichlicher fließen die Ideen, die meisten Interviewpartner freuen sich über Anfragen und nehmen sich geduldig Zeit, um die schwierigsten Sachverhalte einfach aufzubereiten. "Wenn man lange genug fragt, bekommt man viele kluge Antworten", erzählt Redakteurin Brigitte Nussbaum. "Das ist das Faszinierende an dem Job: eine Privatvorlesung nach der anderen." Schien die nächste Ausgabe am Erscheinungstag noch in weiter Ferne, füllen sich nun nach und nach die Seiten, die wie ein Puzzle zusammengesetzt werden. In der Pressestelle werden sie im so genannten Ganzseitenumbruch am Computer erstellt, der Bleisatz ist schon lange passé.

Wenn alle Seiten abgenickt sind, wandert die "wissen|leben" gut versorgt mit Fotos und Buchstaben im Morgengrauen ins Druckhaus Aschendorff im Gewerbegebiet an der Hansalinie. Als kugelrunde Datei rollt sie auf die beiden Bildschirme des Grafikers. Inhalt hat sie schon, nur die Anzeigen fehlen noch. In den letzten zwei Stunden ihres Daseins als digitale Datei wächst die junge Unizeitung um ein Drittel. Gleichzeitig verpasst ihr ein Bildbearbeiter ein paar Räume weiter routiniert das entsprechende Make-Up: Er gleicht die Farbkurven der Fotodateien ans leicht gräuliche Papier an, hellt dunkle Partien auf und tönt helle Stellen ab.

Mittags erscheint sie hübsch zurecht gemacht auf dem Bildschirm im "Operating" des Verlags. Zwischen Druckmaschinen und der Grafikabteilung laufen in dem tageslichtlosen Raum alle Fäden zusammen. Kurz vor ihrem großen Auftritt müssen hier noch einmal alle Printprodukte auf den Monitor. Dort werden die pdf-Versionen der Seiten auf das Format der Belichtungsplatten gebracht und die Satzspiegel so angeordnet, dass sie in der Mitte einer Zeitungsseite erscheinen. Den Computer verlässt die "wissen|leben" im Belichtungsraum. Das Erste, was sie außerhalb der warmgelaufenen Festplatte erlebt, ist die kalte metallene Oberfläche einer Belichtungsplatte.

Statt des monotonen Surrens des Computers umgibt sie nun ein Höllenlärm. Sechs haushohe Druckmaschinen, so genannte Achtertürme, rattern in der Halle langsam an. Wenig später flitzen mit 40 Stundenkilometern Tausende von Unizeitungen über die Rollen der Türme. Nach zwei Stunden hat der ohrenbetäubende Lärm ein Ende. Dann liegt sie da, raschelnd und plattgedrückt zwischen anderen Unizeitungen. Bald greifen Studentenhände nach "wissen|leben", blättern Bedienstete und Professoren in ihr. Was dann folgt? Bücherregal, Archiv – oder das modrige Ambiente einer Biotonne.

jri/bn

Jubiläumsrätsel