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Einmal noch die Sonne sehen

DVD über Holocaust-Überlebende hatte Premiere

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Überlebt hat Erna de Vries nur mit Glück. Jetzt drehten Studierende der Geschichtswissenschaft einen Film über sie.

Foto: Peter Sauer

 

Zwei Hörsäle des Fürstenberghauses platzen fast aus allen Nähten. Rund 1000 Menschen wollten bei der Filmpremiere von "Ich wollte noch einmal die Sonne sehen" mit dabei sein. Kein Hollywoodstar lockte, auch keine Teenieband oder ein Dokumentarfilmer vom Schlage eines Guido Knopp. Nein, zehn Studierende der Westfälischen Wilhelms-Universität zeigten ihr Debüt und das hatte es in sich. Unter dem Namen "Projekt Zeitlupe e.V." drehten sie eine 45-minütige Dokumentation über die jüdische KZ-Überlebende Erna de Vries.

 

Mit 19 Jahren entkam sie in letzter Sekunde dem Gastod in Auschwitz-Birkenau. Wie es dazu kam, was de Vries fühlte und wie sie heute ihr zweites Leben lebt zeigt der Film in ruhigen, aber zu Herzen gehenden Bildern. Die Zwischentexte spricht "Wilsberg"-Darsteller Leonard Lansink. Insgesamt investierten die Studierenden vom Verein "Zeitlupe e.V." zwei Jahre lang jede freie Minute, interviewten Erna de Vries, stöberten in Archiven und bereisten Originalschauplätze. So drehten sie etwa im Frauenlager Ravensbrück. Dort fingen sie befreiend-zarte Sonnenstrahlen vor der eisernen Landschaft der NS-Geschichte ein, welche symbolisch an de Vries’ damaligen letzten Wunsch erinnern. Den Tod in der Gaskammer vor Augen bat sie als 19-Jährige zu Gott, nur noch einmal die Sonne zu sehen.

Während des Films war es absolut still. Die Zuschauer verfolgten sehr konzentriert die hochwertige Doku, die mit ARTE-Produktionen ohne weiteres mithalten kann. Den Studierenden der WWU ist ein sensibler Film voller Tiefenschärfe gelungen, der über die übliche "oral history" hinausgeht. Denn Zeitzeugin Erna de Vries klagt nicht an. Ganz sachlich erzählt sie von den Drangsalierungen, Entbehrungen und Deportationen als Jüdin unter den Nationalsozialisten. Indem sie einfach das Grauen von damals direkt aus dem Bauch heraus erzählt, bekommt der Film eine besondere Brisanz. Die Alltäglichkeit des Holocausts wirkt präsenter als manches historisches Zahlenwerk. Die leise Stimmung des Films bewirkt eine authentische Mahnung an nachfolgende Generationen – ganz ohne Zeigefinger-Mentalität. Dem Verein "Zeitlupe e.V." ist ein zutiefst menschliches Portrait gelungen, eine subtile Reise zurück in eine unmenschliche Zeit.

ps


Kostenloser Download im Internet: www.zeitlupe.eu