|
muz

Keine Panik!

Psychologen untersuchen die Mechanismen von Angststörungen

Muz705 Angst-in-menschenmengen

Manche Menschen bekommen grundlos Angst in Menschenmengen, ihnen kann mit einer Therapie geholfen werden.

Foto: Peter Grewer

Plötzlich und unvermittelt ist sie da: Das Herz beginnt zu rasen, die Welt dreht sich vor den Augen, die Knie werden weich. Einen unmittelbaren Anlass für die Angst können die Betroffenen nicht erkennen. Eben das unterscheidet die Panik von anderen Angststörungen wie einer Spinnenphobie oder Höhenangst: Es gibt keinen verständlichen Grund, plötzlich und unerwartet überfällt sie den Patienten aus dem Hinterhalt. Die Abteilung für klinische Psychologie des Psychologischen Instituts I und die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums beteiligen sich an einer vom Bundesforschungsministerium mit insgesamt 2,5 Millionen Euro finanzierten Studie, um die Heilungschancen von Panikpatienten zu verbessern.

Und die sind jetzt schon gut, bestätigt PD Dr. Alexander Gerlach: "Bis zu 80 Prozent der Patienten können geheilt werden und ein Leben ohne Panikattacken führen." Der Psychologe untersucht im Besonderen die Panikstörung mit Agoraphobie, also der Angst vor Menschenmassen und weiten Plätzen. Panikstörung und Agoraphobie können auch getrennt voneinander auftreten, was aber eher selten ist. Im Prinzip kann bei jedem Menschen eine Angstreaktion fälschlicherweise ausgelöst werden. Rund 30 Prozent erleben einmal in ihrem Leben eine Panikattacke, doch nur etwa fünf bis sechs Prozent der Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine dauerhafte Panikstörung, wobei Frauen ein zwei- bis dreimal höheres Risiko haben zu erkranken. Die Panik ist zwar grundlos, aber Menschen neigen dazu, trotzdem eine Ursache für die Angst zu finden. "Deshalb verknüpfen sie die Angst mit der Situation, in der sie sich befunden haben, als sie auftrat", erklärt Gerlach.

Vor allem Situationen, die keinen Ausweg zu haben scheinen oder die schwer zu kontrollieren sind, führen zu Panik. Das kann das Gedränge im Kaufhaus oder auf dem Wochenmarkt sein, die Enge im Fahrstuhl oder im Zug. "Panik tritt zwar nicht nur in diesen Situationen auf, sondern auch, wenn jemand allein zu Hause ist. Aber in einer Menschenmenge ist es besonders schlimm, wenn man das Gefühl hat, die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren", so Gerlach. Deshalb vermeiden Menschen die angstauslösenden Situationen und ziehen sich zu Hause zurück.

"Die Konfrontation ist sehr, sehr harte Arbeit, aber sie lohnt sich."

Das aber, weiß Gerlach, ist genau die falsche Strategie. Die Psychologen nutzen zur Behandlung die so genannte Kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Den Patienten wird erklärt, woher die Panikattacken kommen und lernen, ihre Symptomatik in einem neuen Rahmen zu verstehen. Dann werden sie mit den angstauslösenden Situationen konfrontiert, um zu lernen die unangenehmen körperlichen Symptome auszuhalten. "Wir erklären genau, was passiert, damit die Patienten auch bereit sind, das Risiko einzugehen", erläutert Gerlach. "Die Konfrontation ist sehr, sehr harte Arbeit für den Patienten, aber sie lohnt sich."

Die Studie soll klären, ob es dabei besser ist, die Selbstkompetenz zu stärken und die Betroffenen alleine mit der Situation fertig werden zu lassen, oder ob sie besser begleitet werden, um sie bei der schwierigen Konfrontation direkt zu unterstützen. Die münsterschen Forscher haben das Ziel, die Therapie in Zukunft noch effektiver zu gestalten. Dafür suchen die Psychologen rund 80 Patienten, die bereit sind, an der Studie mitzuwirken. Sie erhalten eine Therapie auf dem neuesten Stand der Wissenschaft, die von den Krankenkassen finanziert wird, und eine genaue Diagnostik. Die wiederum, sorgfältiger als üblich, dient auch der Wissenschaft, denn Gerlach und sein Team wollen auch herausfinden, ob Patienten mit unterschiedlichen körperlichen Symptomen auch unterschiedlich therapiert werden sollten. "Die einen haben Herzrasen, den anderen wird schwindelig, die dritten werden kaltschweißig", beschreibt Gerlach. Insgesamt, so vermuten die Wissenschaftler, sind Panikpatienten sensibler für ihre eigenen Körperfunktionen, was wiederum die Angst verstärkt. "Wenn ich Herzrasen habe, denke ich natürlich als erstes an einen Herzanfall, auch wenn keine körperlichen Ursachen vorliegen", so Gerlach. "Viele der Patienten leiden echte Todesangst."

An der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie werden unter Leitung von Prof. Volker Arolt mithilfe der funktionellen Magnetresonanztherapie (fMRT) die Gehirnfunktionen von Panikpatienten untersucht. Die weisen nicht nur emotionale, sondern auch physiologische Veränderungen im sogenannten "Angstnetzwerk" des Gehirns auf.  Besonders wichtige Bereiche sind hier unter anderem der sogenannte Mandelkern, die Amygdala sowie bestimmte Bereiche der Hirnrinde im präfrontalen Kortex. Zahlreiche Untersuchungen deuten darauf hin, dass diese körperlichen Veränderungen durch eine erfolgreiche Therapie auch wieder normalisiert werden können.

Alle Bemühungen sind nutzlos, wenn der Patient nicht bereit oder fähig ist, sich auf die Therapie einzulassen. "Warme Worte alleine bringen nichts" so Gerlach. Aber manchmal hat die Krankheit ihre eigene Funktionalität entwickelt, wodurch es schwieriger ist, die Motivation zur Behandlung zu finden, oder zusätzliche Erkrankungen wie eine Depression rauben dem Patienten die Kapazitäten, um sich auf eine Behandlung einzulassen. Doch mit 80 Prozent gehört die Panikstörung mit Agoraphobie zu jenen psychischen Erkrankungen, die die höchste Heilungsquote haben. Und jene 80 Patienten, die Gerlach für seine Studie sucht, haben gute Chancen, zu ihnen zu gehören.

bn

Weitere Informationen sind unter  www.panikinfo.de zu finden.