Neues Leben im stillgelegten Kino
Wie eine Festung ragen die Münster-Arkaden in die Innenstadt. Wer hier hinein will, muss erst am Wachpersonal vorbei. Der kommerzialisierte Raum wird zugleich entöffentlicht. Foto: Peter Grewer |
15 Referenten verschiedener Fachrichtungen – nicht ausschließlich von der WWU – beleuchten Fragen rund um Stadt, Kunst und Öffentlichkeit aus ihrer Perspektive. Dass die Architektin darauf andere Antworten findet als der Philosoph oder ein Geograph, ist Absicht. "Spannend wird’s doch erst, wenn wir verschiedene Sprachen sprechen", sagt Hoeren, der die "Lectures" gemeinsam mit Brigitte Frantzen, Annkatrin Gründer und Ursula Franke vorbereitet hat. Der Philosoph Hans Blumenberg steht als Namensgeber für all das, was mit den Lectures transportiert werden soll. Hoeren schwärmt: "Ein Philosoph, der über den Tellerrand hinaus schaute." In seinem Werk setzte Blumenberg sich mit Metaphern auseinander – rhetorischen Figuren, die abstrakte Sachverhalte veranschaulichen. Ähnliches will auch der Senatsauschuss mit den "Blumenberg Lectures" leisten und dem nebulösen Begriff "Öffentlichkeit" Form geben.
Doch was heißt eigentlich "entöffentlicht"? Und was ist Öffentlichkeit? Hoeren, selbst Referent bei den "Blumenberg Lectures", lacht, als er die Frage hört. Raum sei ein Menschheitserbe, der gehöre niemandem, philosophiert er. Entöffentlicht werde eine Stadt dort, wo das nicht mehr gewährleistet sei. Als Beispiel für das Verschwinden von öffentlichem Raum nennt der Jurist die "Shopping-Mallisierung" deutscher Innenstädte. Während sich an Stelle der jetzigen Einkaufszentren früher noch öffentlicher Raum befand, stehen dort heute bullige Aufpasser, die das Privatgelände bewachen. "Bettler dürfen nicht mehr rein", kritisiert Hoeren. Skulpturprojekte 2007 und "Blumenberg Lectures" sind Versuche, den Münsteranern in Zeiten von geplanter Stubengassenbebauung den Wert freier Straßen, Plätze und Parks neu zu verkaufen.
Die diesjährigen Kuratoren befinden sich damit in bester Tradition, denn die Idee, Kunst aus den musealen "Gefängnissen" zu befreien und sie im öffentlichen Raum allen zugänglich zu machen, beflügelte 1977 auch die erste Skulpturenausstellung in Münster. In der als konservativ und bodenständig geltenden Domstadt erhitzte das die Gemüter derart, dass einige Künstler nur unter Polizeischutz an ihren Skulpturen arbeiten konnten.
Solche Szenen dürften den Referenten der "Blumenberg Lectures" erspart bleiben, denn Hoeren beschwört: "Keine Angst vor Intellektualität." Anders als die innerstädtischen Skulpturen vor 30 Jahren sind wissenschaftliche Vorträge außerhalb von Hörsälen in Münster nichts Neues mehr. Und wenn die dann noch fachübergreifend erklären wollen, wie sich öffentliche Orte verändern – kann es dafür einen besseren Ort als ein stillgelegtes Kino geben?
jri
Die Vorträge finden ab dem 23. Juni jeden Samstag im Metropolis-Kino am Berliner Platz 38 von 16 bis 18 Uhr statt. Weitere Informationen sind unter www.uni-muenster.de/KUK zu finden.