KoWiki funktioniert nur mit Kommunismus
Ersetzt die Bücherberge durch das schnelle Online-Lexikon: Sebastian Schmalz rief gemeinsam mit Christoph Iserlohn „KoWiki“ ins Leben. Foto: Ingo Salmen |
Vorbild war die Internet-Enzyklopädie Wikipedia. Als offenes Content-Management-System können Nutzer diese Webseiten nicht nur lesen, sondern auch bearbeiten. Autorenrechte gibt es nicht. "Wikis sind in gewisser Weise kommunistisch. Der individuelle Beitrag dient in erster Linie dazu, das große Ganze zu verbessern", erklärt Schmalz, der im Herbst sein Examen gemacht hat und jetzt über die Vermischung von Werbung und Unterhaltung promoviert.
Anders als bei KoWikis großer Schwester sollen die Artikel allerdings wissenschaftlichen Standards genügen, damit die Studierenden sie später zitieren können. Deshalb durchläuft jeder Eintrag eine doppelte Prüfung. Wenn ein Nutzer einen Artikel veröffentlicht hat, diskutieren und verbessern ihn die anderen Nutzer im so genannten Peer-Review. In einem zweiten Schritt, dem Experten-Review, redigieren dann Dozenten des Institut für Kommunikationswissenschaft (IfK) den Eintrag. Befinden sie ihn für gut und vollständig, erhält er ein Gütesiegel und wird für die weitere Bearbeitung gesperrt. Auf diese Art sollen die Beiträge mit der Zeit einen zitierfähigen Status erreichen.
Das KoWiki deckt vorerst nur das Wissensgebiet der Online-Kommunikation ab. Sinnvoll, wie Schmalz findet, denn das Internet ist ein Feld, auf dem sich im Vergleich zu den klassischen Medien rasend schnell viel verändert und großer Forschungsbedarf besteht. Deshalb war es Schmalz und Iserlohn wichtig, eine Plattform zur Verfügung zu stellen, auf der ebenso schnell eine wissenschaftliche Reflexion und Wissensgenerierung stattfinden kann.
Die erste Grundausstattung erhielt das KoWiki durch einen medienpraktischen Kurs von Prof. Christoph Neuberger im Wintersemester 2005/06. Neuberger hatte die KoWiki-Idee von Anfang an unterstützt und stellte den Teilnehmern frei, ob sie an der Wissensplattform im Internet mitarbeiten oder ihr eigenes Online-Tagebuch erstellen wollten. Erleichtert hörten die KoWiki-Gründer, dass sich die meisten für das KoWiki entschieden hatten. Denn eins war den Gründern von Anfang an klar: Funktionieren wird’s nur, wenn es Autoren gibt.
Doch genau daran mangelt es dem KoWiki immer noch. Ein Grund könnte sein, dass Professoren die Werbetrommel für Online-Enzyklopädien nur zaghaft rühren, denn die wissenschaftliche Qualität von Wikipedia-Artikeln reicht meist nicht an die von Fachlexika heran. Auch sind die Einträge alles andere als zitierfähig – Textstellen sind häufig nicht belegt oder gar falsch. Außerdem haben schon zu viele Studierende das große Internet-Nachschlagewerk als prima Plagiatvorlage entdeckt. Der schlechte Ruf von Wikipedia in wissenschaftlichen Kreisen macht auch dem KoWiki trotz Experten-Review zu schaffen. Die Folge: Schmalz und seine Mitstreiter müssen auf Professorenseite noch Überzeugungsarbeit für das KoWiki leisten.
Aber auch auf studentischer Seite stößt das Konzept nicht auf uneingeschränkte Begeisterung. „Sobald es keinen Leistungnachweis gibt, sinkt die Motivation doch sehr stark. Ich bin aber Idealist und glaube, dass der Wiki-Gedanke auch an Unis Zukunft hat“, verficht Schmalz das Wissen aus studentischer Hand. Er hofft, dass die kleine, aber feine Sammlung von rund 600 Artikeln bald Zuwachs erhält. Immerhin: In einigen Seminaren können Studierende mittlerweile tatsächlich Leistungsnachweise durch einen Eintrag im KoWiki erhalten – ein paar Hausarbeiten weniger, die fast ungelesen im Regal verstauben.
jri
Das KoWiki ist unter http://Kowiki.uni-muenster.de zu finden.