Erforscherin des weißen Lichts
Lichtemittierende Dioden, die weißes Licht erzeugen, könnten herkömmliche Glühbirnen ersetzen. Fotos (2): Peter Grewer |
De Cola, eine in Bologna ausgebildete Chemikerin, zog Mitte 2005 mit zwölf Mitarbeitern ihres Arbeitskreises aus Amsterdam in das CeNTech und übernahm einen Lehrstuhl für Physikalische Photochemie und Photonische Materialien am Physikalischen Institut. Mittlerweile ist die Gruppe auf 20 Mitglieder angewachsen, größtenteils Chemiker und einige Physiker, und De Colas Lehr- und Forschungstätigkeiten reichen weit über das physikalische Institut hinaus: Neben den Vorlesungen für Physiker ist sie an der Ausbildung der Chemie-Doktoranden des Graduiertenkollegs beteiligt. Ihre Forschungsprojekte laufen in Kooperation mit Arbeitsgruppen aus der organischen, anorganischen und der Biochemie, der medizinischen Fakultät, mit Elektrotechnikern und Vertretern der Industrie.
"Ich sehe mich selber als reine Chemikerin, wobei man mich im deutschen Universitäts-System wohl eher als Physikalische Chemikerin bezeichnen würde", beschreibt De Cola ihre wissenschaftlichen Wurzeln. Sie rollt dabei ein wenig mit den Augen und zeigt sich sichtlich befremdet von der hiesigen, starren Institutszuordnung. Diese ist sie von ihren bisherigen Stationen als Forscherin – Italien, USA und den Niederlanden – nicht gewohnt und wünscht sich auch für Münster eine lockerere Universitätslandschaft. "Der Grund, weshalb ich von Amsterdam nach Münster gekommen bin, war die Perspektive, hier am CenTech mit einer Vielzahl von Wissenschaftlern aus allen Bereichen der Chemie, der Physik und vor allem auch aus der Medizin kooperieren zu können."
All dies erzählt die Wissenschaftlerin übrigens in fließendem Englisch, denn Deutsch kann sie aufgrund der Ähnlichkeit zum Niederländischen zwar verstehen, nicht aber sprechen. Da in der Arbeitsgruppe vier unterschiedliche Nationalitäten anzutreffen sind, ist Englisch als universelles Kommunikationsmedium der Wissenschaft allgegenwärtig. "Es wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass man sich innerhalb des Arbeitskreises auf Englisch unterhält", beschreibt Manuel Tsotsalas, einer der neuen münsterschen Doktoranden, das Arbeitsklima. Ihm gefällt gerade das sehr gut: "Das beugt der Grüppchenbildung vor."
Luminiszierende Farbstoffe aus Zeolith-Kristallen sind in der medizinischen Diagnostik hilfreich. |
Bei der Synthese ihrer Materialien setzt sie auf die molekulare Selbstanordnung einzelner Komponenten zu komplexen Systemen nach Prinzipien der Supramolekularen Chemie. "Alle anderen Ansätze, bei denen die Bausteine Schritt für Schritt zusammengefügt werden müssen, sind viel zu zeit- und kostenaufwändig", so De Cola. Gerade in den Materialwissenschaften geht der Trend zu immer komplexeren molekularen Systemen, die nicht nur im Labormaßstab, sondern auch industriell wirtschaftlich produzierbar sein müssen. "Die Supramolekulare Chemie ist ein Werkzeug, mit dem sich solche Strukturen selbstständig aus ihren einzelnen Bausteinen aufbauen lassen."
Ein konkretes materialwissenschaftliches Vorhaben ist beispielsweise die Entwicklung von Materialien für lichtemittierende Dioden (LEDs), die weißes Licht erzeugen und somit potenziell herkömmliche Glühbirnen ersetzen könnten. Eine handelsübliche Glühbirne mit Wolframdraht vergeudet über 90 Prozent der Stromenergie durch Produktion von Hitze. Leuchtdioden hingegen sind keine Temperaturstrahler; in ihrem photonisch aktiven Material werden Elektronen durch fließenden Strom in einen angeregten Zustand versetzt. Fallen diese Elektronen wieder in ihren energiearmen Ausgangszustand zurück, so resultiert dies in der Emission von Licht spezifischer Wellenlänge. Prinzipiell läuft hier genau der umgekehrte Prozess der Photosynthese ab: Aus Stromenergie wird durch Anregung photonischen Materials Licht erzeugt, man spricht dabei auch von Elektrolumineszenz.
Jedes Diodenmaterial kann nur Licht einer bestimmten Wellenlänge und Farbe erzeugen, weißes Licht jedoch entsteht aus einer Überlagerung einer Vielzahl von Farben und enthält ein breites Spektrum an Wellenlängen. De Colas Mitarbeiter haben daher ein komplexes Molekül mit einem Iridiumkern synthetisiert, welches durch geringfügige Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung jeweils in orangenem, grünen oder blauen Licht leuchtet. Die richtige Kombination dieser drei Komponenten liefert weißes Licht. "Iridium eignet sich vor allem deshalb sehr gut für Anwendungen in LEDs, weil es ein so genannter Triplett-Emitter ist", erklärt De Cola die quantenchemischen Details ihres Systems. Triplett-Emitter zeichnen sich durch ihre hohe Effizienz aus und strahlen bei elektronischer Anregung besonders viel Licht aus.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt besteht in der Herstellung und Verwendung von biokompatiblen Nanopartikeln zur in-vivo-Bildgebung und für diagnostische Zwecke in der Medizin. Der Hauptbestandteil dieser Nanopartikel sind Zeolithe, kristalline anorganische Feststoffe aus Silizium- und Aluminiumoxiden, den Hauptbestandteilen von gewöhnlichem Glas. Einen Zeolith-Kristall kann man sich wie ein Bündel mehrerer paralleler Strohhalme vorstellen, nur dass diese auf eine Länge von etwa 30 Nanometern gekürzt wurden. Ein solches Teilchen verfügt über mehrere, in dieselbe Richtung verlaufende Kanäle mit jeweils einer Öffnung zu jeder Seite.
So wie man ein Knicklicht in einen der gebündelten Strohhalme schieben kann, können lumineszierende Farbstoffe durch diese Öffnungen in die kanalförmigen Hohlräume eingebracht werden, wo sie vor "lichtlöschenden" Molekülen, wie zum Beispiel Sauerstoff, geschützt sind. Dadurch wird die Lebensdauer der eingeschlossenen Markierungssubstanzen erhöht. Auch können die Zeolite als Basis für bessere Kontrastmittel bei der Kernspintomographie genutzt werden. Aufgrund der winzigen Größe und der chemischen Resistenz der Nanopartikel erhoffen sich die Forscher, dass es bei einer Injektion in lebendes Gewebe zu keiner körperlichen Abwehrreaktion kommt. Um dies herauszufinden arbeitet De Cola eng mit den Radiologen des UKM, Prof. Christoph Bremer und Prof. Walter Heindel sowie mit Industriepartner zusammen.
Doch trotz aller Orientierung auf mögliche Anwendungen ihrer Forschungsergebnisse sieht sich De Cola nicht als Nanotechnologin oder gar Ingenieurin: "Wir sind Nanowissenschaftler, das geht weit über den rein technologischen Ansatz hinaus! Wir wollen allgemein grundlegende, molekulare Mechanismen im nanoskaligen Maßstab untersuchen und verstehen."
Dank ihrer Kooperationsfreudigkeit und der, wie sie sagt, "wundervollen Hochschule mit hervorragenden medizinischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten" stehen ihr dafür in Münster alle Ressourcen zur Verfügung. Und auch über personellen Nachschub macht sich De Cola keinerlei Sorgen: Den münsterschen Studenten attestiert sie, enorm intelligent und "hell" zu sein. Beste Vorraussetzungen also für die Erforschung des weißen Lichts.
Simon Beuck