Bildung ermöglicht friedliches Zusammenleben

Geographen untersuchten Verhältnis zwischen Christen und Muslimen

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Das alltägliche Nebeneinander im griechischen Xanthi ist weit gehend unproblematisch.

 
Auch wenn das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Südosteuropa oft geprägt war von Spannungen, gab es doch viele Regionen, in denen Menschen unterschiedlicher Religion über lange Zeit friedlich zusammen lebten. "Die Erfahrungen in Bosnien haben allerdings gelehrt, dass es jahrhundertlang gut gehen kann, um dann plötzlich zu eskalieren", sagt der Geograph Prof. Cay Lienau. Im Rahmen des vom Land NRW mit rund 180.000 Euro geförderten Projektes "Interethnische Beziehungen von Christen und Muslimen in Südosteuropa" hat er gemeinsam mit dem Geographen Gerasimos Katsaros, Dr. Thede Kahl vom Ost- und Südost-Institut der Universität Wien und weiteren Mitarbeitern versucht, herauszufinden, wie das Zusammenleben von Christen und Muslimen in religiös und ethnisch gemischten Siedlungen in Südosteuropa funktioniert und welches Konflikte fördernde und mindernde Faktoren sind.

Ausgewählt für die Untersuchung wurden jeweils eine ländliche und eine städtische Siedlung in der rumänischen Dobrudscha und im griechischen Westthrakien, wo orthodoxe Christen und Muslime seit Jahrhunderten friedlich miteinander auskommen. In beiden Regionen zählen Muslime zur Minderheit; in der Dobrudscha sind es vor allem Tataren, in Westthrakien sind es türkischstämmige Muslime und Pomaken, slawisch-sprechende Muslime. Die muslimische Minderheit stellt in Thrakien ein Drittel der Bevölkerung. Sie musste lange für Aggressionen der Türkei gegen Griechenland büßen. Die türkische Regierung habe Muslime stets als "Speerspitze im Fleisch von Griechenland" benutzt, so Lienau.

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Integriert in staatliche Feiern werden auch muslimische Kinder. Seit 1990 hat der griechische Staat seine Minderheitenpolitik geändert.    Fotos (2): privat

 
Viele Probleme der Minderheit wurden von dieser in religiöse Konflikte umgedeutet. Trotzdem kam es nur selten zu offenen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen. Das alltägliche Mit- und Nebeneinander ist über Jahrhunderte "trainiert". Um herauszufinden, wie die Menschen miteinander umgehen, führten die Wissenschaftler in beiden Ländern jeweils rund 120 Gespräche mit den Vertretern von Kirche, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und anderen Bürgern. Bei Einladungen zu Hochzeiten und Beerdigungen oder ins Kaffeehaus  konnten sie den Alltag hautnah erleben, berichtet Lienaus Mitarbeiter Katsaros.

Während in Rumänien politische Konflikte keine Rolle für das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen spielen, ist die Situation in Griechenland anders. Hier lässt sich nachvollziehen, wie eine geänderte politische Haltung auch gesellschaftliche Auswirkungen hat. Wurden Muslime früher von Staats wegen oft ausgegrenzt beziehungsweise benachteiligt, hat sich dies seit 1990 geändert. Seitdem gibt es große Anstrengungen, durch eine Novellierung des Bildungssystems muslimische Kinder in die griechische Gesellschaft zu integrieren. Minderheitenschulen, die je zur Hälfte auf griechisch und auf türkisch unterrichten, machen die Kinder mit beiden Kulturen vertraut. Seit 1996 gibt es Sonderkonditionen für den Zugang zu Hochschulen und zum Arbeitsmarkt. "Früher haben muslimische Kinder in der Türkei studiert, heute haben sie die Chance, in Griechenland zu bleiben. Dadurch ändert sich ihre Perspektive", erläutert Lienau. Wo früher nur ein Nebeneinander herrschte, kann so ein Miteinander entstehen. Auf diesem Weg sind allerdings erst wenige Schritte getan: Mischehen beispielsweise sind in Griechenland anders als in Rumänien noch nicht akzeptiert.

Bildung, so der Schluss von Lienau und seinem Team, ist der wichtigste Faktor für ein friedliches Zusammenleben. "Es gibt eine muslimische Elite, die zwar Gleichberechtigung, aber zugleich auch den Status quo der Separation erhalten will", so Katsaros. "Daneben entwickelt sich eine zweite muslimische Elite, die in Griechenland studiert hat und sich mehr mit dem Staat identifiziert." Darüber hinaus habe sich gezeigt, dass eine höhere Bildung weniger anfällig für Verführung mache, betont Lienau. Verführung durch die eigenen Politiker, die jegliche Probleme mit dem griechischen Staat als Benachteiligung ihrer Ethnie und Religion begreifen. "Jeder griechische Bürger hat Konflikte mit dem Staat, egal ob orthodox oder muslimisch. Aber einzelne muslimische Führer versuchen, das für sich auszunutzen", so Katsaros. Erfolg haben sie eher in Bergdörfern, wo die Menschen konservativer und weniger gebildet sind als in den Städten. Je traditioneller beispielsweise das Frauenbild ist und je offener Religion ausgelebt wird, desto größer auch der Wunsch nach Trennung. Nicht nur die Kenntnis des jeweils anderen, sondern auch der eigenen kulturellen und religiösen Hintergründe spielen eine wesentliche Rolle bei der Minderung des Konfliktpotenzials.

Früher, so meint der Sozialgeograph, habe es vielleicht auch in Griechenland das Potenzial für gewaltsame Konflikte gegeben. Heute, nach dem Wandel der offiziellen Politik gegenüber der Minderheit, scheint ihm das wenig wahrscheinlich. Wurde beispielsweise früher der Nationalfeiertag am 25. März als Befreiung vom türkischen Joch begangen, wird er heute anlässlich der Neugründung des griechischen Staates gefeiert. An den Feierlichkeiten nehmen auch muslimische Schüler teil. An Ramadan oder zu Weihnachten schicken sich die Nachbarn der jeweils anderen Konfession oft eine Aufmerksamkeit.

Und noch ein einfaches Beispiel fand Lienau für den Versuch, die unterschiedlichen Kulturen zu versöhnen: Griechische Dorfplätze werden immer mit einem Denkmal geschmückt, häufig mit Helden aus den Freiheitskriegen. "In einem Dorf, in dem sowohl Christen wie Muslime leben, fanden wir nur den leeren Denkmalsockel mit einer Tafel ohne Symbol oder Inschrift", erzählt er.

bn