"Gezelligkeid" und dunkles belgisches Bier
Schnell Freunde gefunden hat Ansgar Burchard in Wien, wo die Studierenden aus 135 Studiengängen wählen können. |
Zu ihnen zählt Niederländisch-Studentin Stefanie Schneider. Sie studierte bis zum Sommer 2006 an der Radboud Universiteit Nijmegen. Für Erasmus-Studenten gibt es dort keine Studiengebühren. Zugangsvoraussetzungen sind jedoch neben dem Personalausweis eine Geburtsurkunde im Original. Da sich die Uni auf ihre Nachbarn eingestellt hat, bietet sie spezielle Niederländisch-Kurse für Deutsche an. Zu den schönsten Erlebnissen zählte für Stefanie neben der sprichwörtlichen "gezelligkeid", dass sie auf einer Käseform eigenen Käse herstellen konnte. Toll seien auch die umfassenden und – für Erasmusstudenten kostenlosen – Sportangebote gewesen, von Fitness über Spinning bis Windsurfen. Auch freute sie sich über flachere Hierarchien: "Man duzt sich viel schneller." Nach einem Praktikum in Den Haag ist für sie klar: "Ich möchte möglichst schnell wieder nach Nijmegen zurück."
Nicht weit entfernt liegt Leuven. Dort studiert die junge Belgierin Kathryn Timmermann. Seit September 2004 gibt es überall Bachelor- und Masterstudiengänge, was sie gut findet. Die Vorlesungen und Übungen sind auf Niederländisch oder Französisch, Seminare gibt es nicht. In Leuven sucht man vielfältige Fächerkombinationen wie an der WWU Münster vergeblich. Man studiere schneller, da man in Belgien nicht gleichzeitig arbeite und studiere. Dafür gibt es so gut wie keine Semesterferien. Pro Ausbildungsjahr fallen Gebühren von rund 520 Euro an. Zu den Annehmlichkeiten im wahrsten Sinne gehören nach Kathryns Erfahrung für deutsche Studierende aber das dunkle belgische Bier, die Waffeln und natürlich die leckeren Pralinen.
Wirtschaftswissenschaftlerin Sophie Wohlhage und Theologin Elisa Mileta wählten Leuven für ihr studentisches Auslandsjahr aus. Die beiden Deutschen stellten überraschend fest, dass alle Belgier am Wochenende immer nach Hause fahren (auch weil es in den Wohnheimen keine Waschmaschinen gibt) und daher immer donnerstagsabends "der Bär los ist". Fast jeder zweite Einwohner von Leuven ist ein Student und wohnt in der City, die gerade in der wärmeren Jahreszeit "wie ein riesiger Biergarten" wirke. Wer hier nicht studiert, hat sich wohlweislich in die Vororte zurückgezogen, denn die Innenstadt ist auch für partyerfahrene Studenten wie Sophie und Elisa nicht selten "sehr laut, vor allem nachts". Unbedingt empfehlenswert sei es, ein Fahrrad zu mieten. Für zehn Monate schlägt dies nur mit 35 Euro zu Buche. Die Zimmersuche muss man selbst in die Hand nehmen. Zweck-WGs mit WCs für neun Leute seien Usus. Die beiden können den Auslandsaufenthalt dennoch nur weiter empfehlen: "Man kriegt gute Arbeitsplätze und Praktika angeboten, wenn man zeigt, das man sich in Belgien auskennt."
Magisch angezogen vom Land der Unpünktlichen
Marek Dinka studiert die meiste Zeit an der Uni Wien. Er lobt die Auswahl: aus 135 Studiengängen an 17 Fakultäten kann gewählt werden. Empfehlenswert seien auch die zahlreichen Kunst- und Technik-orientierten Hochschulen in Österreich. Mit dem Kauf der International Student Identity Card gibt es viele Vergünstigungen. Gerade Erasmus-Studierende erhalten Angebote, um per Mentoring Land und Menschen kennen zu lernen. Die Wohnheime seien eher von geringem Standard, da die sanitären Anlagen oft auf den Gängen sind. Der Geographiestudent genießt seinen Auslandsaufenthalt an der WWU Münster, da es hier das Fach Raumplanung gebe, das in Österreich nicht angeboten wird: "Das ist für mein berufliches Fortkommen sehr wichtig."
Für Lehramtsstudentin Laurie Losgen war ihr Weg ins Ausland schon früh klar. Schon nach dem Abi wollte sie unbedingt nach Griechenland: "Das zog mich irgendwie magisch an: die Musik, das Land, die Geschichte, die Menschen." Aber sie studierte erst einmal einige Semester Sport und Ernährungswissenschaften auf Lehramt. Dann stieß sie auf das Angebot eines Auslandsjahres und ging für zehn Monate an die nordgriechische Universität Ioannina. Zum modernen 850 Hektar großen und modernen Campus gehört auch das bekannte Kloster Dourouti aus dem 18. Jahrhundert. Stolz zeigt sie ihre Fotos, die mehr an Urlaub erinnern. Exkursionen werden oft angeboten und so erlebe man in der relativ kurzen Zeit viel von dem Gastland. "Das weit verbreitete Klischee, dass alle in Griechenland zu spät kommen, stimmt", erklärt die quirlige Studentin mit einem süffisanten Lächeln, "aber dafür sind sie sehr hilfsbereit, besonders gegenüber den selten vertretenen deutschen Studenten." Es gibt engagierte Tutoren, die schon ab dem Flughafen behilflich sind. Während die Lehrveranstaltungen auf Griechisch sind, können Essays, Hausaufgaben und Übungen auch auf Englisch oder Französisch abgefasst werden. Die Studentenwohnheime empfand sie als "super sauber und neu, mit Riesenbalkonen, allerdings nur mit Doppelzimmern". Wer nach Griechenland reise, komme sehr schnell mit den Griechen ins Gespräch – wenn man ihre Sprache spreche. Allerdings müsse man sich auch daran gewöhnen, dass in den Discos viel griechische Musik laufe, der Nationalstolz sehr präsent sei und griechische Söhne eine enge Mutterbindung besäßen. Aber das hat Laurie nach eigenem Bekunden "gar nicht gestört".
Fasziniert trotz aller Widrigkeiten war Benjamin Oberste-Berghaus (rechts) von der Türkei und seiner Universität in Istanbul. Fotos (2): privat |
Sorgfältige Vorbereitung ist am wichtigsten
Das nötige Visum gibt es beim türkischen Konsulat in Münster. Aufwändiger ist es, an die ebenfalls benötigte Aufenthaltgenehmigung zu bekommen. Denn die gibt es nur im Istanbuler Polizeihauptquartier: "Ein totales Durcheinander. Stundenlanges Warten ist selbstverständlich. Wer bis dahin keinen türkischen Freund hat, etwa aus dem Sprachkurs, kommt kaum weiter." Die Vorlesungen sind auf Türkisch und Englisch. Wichtig sei es auch, sich auf die Kultur des Landes einzulassen. Da Alkohol offiziell nicht gerne gesehen wird, ist er im Studenten-Wohnheim tabu: "Betrunkene Kommilitonen haben in der Türkei echte Probleme."
Ob Benjamin, Laurie oder Kathryn – die Auslandsjahr-Tester demonstrieren anschaulich: Ein Auslandsstudium vertieft nicht nur sprachliche und fachliche Kenntnisse, sondern stärkt auch die Persönlichkeit, ermöglicht es, dass eigene Studium aus einem anderen Blickwinkel zu sehen und neue sozio-kulturelle Zusammenhänge zu erleben. Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist: Tipps zur Organisation und Finanzierung gibt das engagierte Team des Auslandsamtes der WWU Münster um Marejke Baethge, Julia Simoleit und Christian Weiners, etwa über Studienprogramme und Stipendien. Wichtigste Voraussetzung für den Erfolg: eine sorgfältige Vorbereitung (Planungszeit rund 15 Monate), die weit gehend von der Eigeninitiative der Studierenden abhängt.
Marejke weist auf die Haupt-Vorteile hin: "Die im Ausland erworbenen Scheine kann man sich an der Heimatuni anrechnen lassen." Ein Auslandsaufenthalt gilt zudem als persönlicher Gewinn bezüglich der bei der Berufssuche wichtigen Soft Skills, wie Flexibilität, Vielseitigkeit und Durchsetzungsvermögen. Auch gebe es im Ausland gute Jobchancen. Schon jetzt entscheiden sich jährlich rund tausend Studierende der WWU Münster für ein Semester oder Studienjahr im Ausland. Das waren vor zehn Jahren erst rund 600. Fast zwei Drittel nehmen am europäischen Austauschprogramm ERASMUS teil.
Peter Sauer
Interesse an einem Auslandsaufenthalt?
Informationen auch zu Fördermöglichkeiten sind unter www.daad.de oder www.uni-muenster.de/Auslandsamt/ zu finden.