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Entscheidung über Studienbeiträge bis März vertagt

Außerordentliche Senatssitzung in Handorf
 Demo 20 Jan Kh Hartwig  

Dialogbereit: Prof. Karl-Hans Hartwig, selbst überzeugt von der Notwendigkeit von Studienbeiträgen, spricht mit den demonstrierenden Studierenden auf dem THW-Gelände.

Foto: Peter Grewer

 

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"Über Stock und über Stein, lasst uns in die Sitzung rein!" Die rund 500 Studierenden, die sich am 20. Januar noch vor dem Morgengrauen vor dem Gelände des Technischen Hilfswerks (THW) in Münster-Handorf eingefunden haben, sind sauer. Sie wollen an einer außerordentlichen Sitzung des Senats teilnehmen. Die reguläre am Mittwoch zuvor musste wegen Beschlussunfähigkeit geschlossen werden. Nun wollen sie nicht verstehen, dass nur 15 von ihnen eingelassen werden. Jetzt, am Samstagmorgen um acht Uhr, wollen sie verhindern, dass der Senat Studienbeiträge beschließt. Auf der anderen Seite des Zaunes steht eine Hundertschaft Polizisten, unter anderem aus Köln und Bochum. Die betrachten gelassen das Treiben vor den Toren des THW, schließlich sind sie nicht zum ersten Mal bei einer Demo gegen Studiengebühren dabei und gut ins Thema eingearbeitet. "Was, nur 300 Euro?" will eine Polizistin wissen, "bei uns in Köln sind es 500."

"Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut!" Drinnen im Sitzungsraum sind die Sprechchöre der Studierenden gedämpft zu hören. Rektorin Prof. Ursula Nelles stellt das Eckpunktepapier des Rektorats vor: Trotz einer grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber Studiengebühren sei man gezwungen, diese auch an der WWU einzuführen, da der Staat seinen Aufgaben nicht mehr nachkomme. Finanziert werden könnten mit Studienbeiträgen, die anders als im Rest des Landes 300 Euro betragen sollen, beispielsweise zusätzliches Lehrpersonal, längere Bibliotheksöffnungszeiten, Tutorien, hochschuldidaktische Weiterbildung und Lerngebäude. Eine paritätische Kommission soll sicherstellen, dass die Gelder ausschließlich zur Verbesserung von Lehre und Studienbedingungen eingesetzt werden.

"Warum sollen wir für etwas bezahlen, was selbstverständlich ist, nämlich gute Lehre?" Für den AStA-Vorsitzenden Tom Münster ist es kein Trost, dass die WWU 200 Euro weniger als im Landesdurchschnitt will. Er fürchtet beispielsweise, dass die Kommission faktisch ohne Einfluss sein wird. "Wir brauchen nicht zwangsläufig Studiengebühren", meint er und trifft damit den Nerv nicht nur der studentischen Senatoren. Auch viele der Professoren würden Studiengebühren nur ungern einführen. Prof. Norbert Sachser, Dekan der Biologie, bringt es auf den Punkt. "Ich bin eigentlich gegen Studiengebühren, aber der Bologna-Prozess und damit die Umstellung auf Bachelor und Master wird scheitern, wenn wir dafür keine zusätzlichen Mittel bekommen."

"Keine Gewalt, keine Gewalt!" Draußen ist es ruhiger geworden. Als sich ein kleines Trüppchen gegen den Zaun lehnt und versucht, ihn einzudrücken, erheben sich sofort die Stimmen, die für einen friedlichen Protest plädieren. Doch eine Viertelstunde später versuchen es rund 15 Demonstranten erneut, der Zaun beginnt bedrohlich zu schwanken, die Polizei sprüht Pfefferspray. Die Stimmung droht umzukippen. Prorektor Prof. Karl-Hans Hartwig, zuständig für strategische Planung und Qualitätssicherung, kommt nach draußen und spricht mit den Studierenden. Sie hören ihm aufmerksam zu, durchaus gewillt zu argumentieren und nicht nur zu demonstrieren.

"Bildung für alle, und zwar umsonst!" Nach vierstündiger Beratung wird im Saal mit 16 gegen sieben Stimmen ein Antrag der wissenschaftlichen Mitarbeiter angenommen: Eine Kommission, in der ebenso viel Studierende wie Professoren sitzen, soll bis zu einer außerordentlichen Senatssitzung am 14. März eine detaillierte Analyse vornehmen, konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Lehre und Studienbedingungen an der WWU machen und auch Aussagen zur Höhe der dazu gegebenenfalls nötigen Studienbeiträge und deren Verteilung treffen. Die Entscheidung ist vertagt. Als die Studierenden, inzwischen deutlich dezimiert, davon erfahren, ist der Jubel groß. Schnell ziehen sowohl Demonstranten wie auch Polizisten ab. Im Weggehen sinniert eine Studentin: "Besser, als wenn Deutschland die WM gewonnen hätte ..."

Senatsvorsitzender Prof. Janbernd Oebbecke und Rektorin Nelles sind zufrieden mit dem Ablauf der Sitzung. Mit dem Ergebnis, so Nelles, "kann das Rektorat in jeder Hinsicht gut leben". Nach Meinung von Oebbecke muss eine Senatssitzung unter Polizeischutz aber eine einmalige Ausnahme bleiben. Damit das höchste Gremium der Uni handlungsfähig bleibt, ist er von der großen Mehrheit des Senats ermächtigt worden, künftig eine schriftliche Abstimmung zum Thema Studienbeiträge durchführen zu lassen, wenn Sitzungen des Gremiums erneut gesprengt würden oder wegen Beschlussunfähigkeit geschlossen werden müssten.

bn

Weitere Informationen sind unter www.uni-muenster.de/Rektorat/studienbeitraege/infos.html zu finden.

Siehe auch Drei Fragen an ... Prof. Pieroth  

Die Kommission:

Professoren:
Matthias Lehr, Gernot Münster, Janbernd Oebbecke und Wolfram Pohlers

Studenten:
Thorsten Dikmann, David Herr, Gero Lueg, Kurt Stiegler

wissenschaftliche Mitarbeiter: Dietmar Lammers, Dagmar Hüpper

sonstige Beschäftigte:
Annette Wöstenkötter, Jörg Vos