|
muz

Zivilgesellschaftliche Verständigung

Neues Graduiertenkolleg in den Geisteswissenschaften hat Arbeit aufgenommen

Der Begriff der "Zivilgesellschaft" scheint modern, doch die Prozesse und Gefüge, die dahinter stecken, haben viel ältere Wurzeln. Definiert von Max Weber beschreibt er all jene Organisationen und Assoziationen, die jenseits von Markt und Staat agieren. Aktuelle Beispiele sind Attac und andere Non-Gouverment-Organisationen, aber auch die Theatervereine des 19. Jahrhunderts waren ein Teil der Zivilgesellschaft. Ihre Einflüsse in den Niederlanden und Deutschland vom vorvergangenen Jahrhundert bis heute zu untersuchen, ist Ziel eines neuen Graduiertenkollegs, das von Prof. Friso Wielenga vom Zentrum für Niederlande-Studien initiiert wurde. Es nahm Anfang Oktober unter Leitung von  Sprecherin Dr. Christiane Frantz vom Institut für Politikwissenschaft seine Arbeit auf.

So wie die Nachbarn Deutschland und Niederlande voneinander lernen können, so können auch die Zeitgenossen aus der Geschichte lernen und die Historiker von den Politikwissenschaftlern. Mit diesem Konzept ist es Wielenga gelungen, das zweite geisteswissenschaftliche Graduiertenkolleg an der WWU einzuwerben.  "Dabei geht es uns nicht nur um  feste Gefüge, sondern um gesellschaftliche Prozesse", erläutert Frantz. "Was geschah beispielsweise in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland und den Niederlanden?", fragt Wielenga. "Wie gehen beide Gesellschaften heute mit der Integration und Migration von Ausländern um? Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen der Gesellschaft und der politischen Kultur dabei?"

Fragen, auf die es keine allgemein gültige Antwort gibt, für die es aber gemeinsamer Anstrengungen bedarf, um sie zu lösen. "Wir wollen aktuelle Probleme zum Anlass nehmen, um die Vergangenheit zu erforschen", sagt die Politologin Frantz, während der Geschichtswissenschaftler Wielenga ergänzt: "Wir wollen über die Wissenschaft hinaus Lösungsbeiträge für aktuelle Probleme liefern." Das reicht von dem Umgang mit Alterungsprozessen in der Gesellschaft über die Integration bis hin zur Änderung der politischen Kultur – nicht unbedingt im Sinne der so oft beschworenen Politikverdrossenheit, sondern in Richtung von Organisationsformen jenseits der etablierten Parteien.

Die zehn Doktoranden, die in den Genuss eines Stipendiums kommen, kommen überwiegend aus Deutschland, aber auch aus den Niederlanden. So besteht eine Kooperation mit der Universität von Amsterdam. Die Historiker, Politologen, Ethnologen und Sprachwissenschaftler forschen unter anderem zu den Themenbereichen Integration und Migration, Religion und Politik und die Bedeutung der Sozialverbände bei der Auflösung der Milieus.

"Zivilgesellschaftliche Verständigungsprozesse haben eine hohe Relevanz", betont Frantz. Und ihr Kollege Wielenga ergänzt: "Wir bilden nicht nur für die Wissenschaft aus, sondern auch für die Praxis und wollen zeigen, dass es für Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler ganz unterschiedliche Berufswege gibt." So treffen sich im Graduiertenkolleg Doktoranden, die sich beispielsweise eine Auszeit von ihrer Arbeit in einem Brüsseler Ministerium nehmen, mit solchen, die einen Karriere als Hochschullehrer anstreben.    

bn