Apotheke aus der Natur
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Die berauschende Wirkung von Mohn ist seit jahrtausenden bekannt. Auch er wird im Arzneipflanzengarten kultiviert. Vor der eindrucksvollen Kulisse des Schlossgartens kommt seine Schönheit voll zur Geltung. Fotos (2): Peter Grewer |
"Noch sind Phytopharmaka im Allgemeinen deutlich billiger als chemisch hergestellte Substanzen. So kostet beispielsweise ein Gramm Morphin, das klassisch aus Mohn gewonnen wurde, um die zehn Euro, biotechnologisches Morphin dagegen drei bis vier Millionen Euro", verdeutlicht Prof. Andreas Hensel. "Man kann fast alle natürlich vorkommenden Stoffe auch biotechnologisch herstellen, aber in aller Regel ist es einfach unwirtschaftlich."
Von solchen pflanzlichen Materialien zur Gewinnung isolierte Rohstoffe zum Einsatz in chemisch definierte Arzneimittel sind die klassischen Phytopharmaka abzugrenzen, die die Arzneipflanze als komplexes Stoffgemisch beinhalten. Ein Vorteil solcher pflanzlicher Arzneimittel ist neben der Wirksamkeit die Verträglichkeit. Solche Arzneimittel sind zwar nicht nebenwirkungsfrei, aber unerwünschte Arzneimittelwirkungen treten doch eher seltener auf: "Der Mensch hat sich im Laufe der Evolution an den Umgang mit pflanzlichen Stoffen angepasst. Chemische Substanzen dagegen werden oft als Fremdstoffe vom Körper wahrgenommen."
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Arnika hilft bei Zerrungen und Blutergüssen. |
Nicht nur die klassischen und bekannten Phytopharmaka werden am Institut untersucht, auch ganz neue Medikamente werden in Zusammenarbeit mit der Industrie entwickelt. Dafür hat Hensel gerade den Transferpreis der Universität erhalten. Da viele bakterielle Erreger inzwischen Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt haben, ist es dringend geboten, neue Mittel zu finden, die prophylaktisch wirken, so dass die Erreger erst gar nicht in die Wirtszelle eindringen können. "Bestimmte Zuckerstrukturen verhindern, dass hochpathogene bakterielle Erreger andocken können. Basierend auf traditionellen Anwendungen bekannter Arzneipflanzen, die bei entsprechenden Symptomen ursprünglich eingesetzt wurden, konnten wir die entsprechenden Polysaccharide isolieren, die antiadhäsive Wirkungen gegen pathogene Erreger aufweisen", erläutert Hensel. Damit sind wirksame Mittel im Kampf gegen schwere Darmentzündungen, Magenschleimhautentzündungen, Parodontitis und Pilzinfektionen gefunden. Für jeden Keim und jedes Gewebe muss dabei die entsprechende Substanz passgenau zugeschnitten werden. "Wir wollen im Bereich der Arzneipflanzen Exzellenz zeigen und international eine Vorreiterrolle übernehmen", sagt Hensel selbstbewusst.
Ist der entsprechende Wirkstoff gefunden, ist die Arbeit der Phytochemiker noch lange nicht beendet. "Anders als synthetische Wirkstoffe sind Pflanzen Multikomponentensysteme, die mehr als einen Inhaltsstoff aufweisen. Wir müssen deshalb Methoden entwickeln, um die Inhaltsstoffe analytisch aufzutrennen und zu quantifizieren", so Hensel. Je nach Art und Anbau könne die Wirksamkeit sehr unterschiedlich sein.
Hilfreich nicht nur in der Lehre, sondern auch in der Forschung ist der rund 2,5 Hektar große Arzneipflanzengarten direkt hinter dem Institut an der Hittorfstraße, der auch öffentlich zugänglich ist. Hier werden die Arzneipflanzen selbst kultiviert, optimiert und können auf ihre Wirksamkeit getestet werden. Die größte Rhabarbersammlung Deutschlands ist hier zu finden, ebenso wie eine neue Arnika-Sorte, die erstmals nicht nur in den Alpen, sondern auch im Flachland wächst. Momentan entsteht hier auch das nationale Referenzzentrum für Artischockenkultivare, das ganz sicher künftig viele Fachbesucher nach Münster locken wird. Nicht nur Lehre und Forschung profitieren von dem attraktiven Garten. Er ist nun schon im zweiten Jahr öffentlich zugänglich, wurde mit zahlreichen Informationstafeln versehen und ein neuer Pavillon lädt zur Rast und Ruhe mitten in der Stadt ein.
bn