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Proteste gegen Studiengebühr verschärft

Südflügel des Schlosses anderthalb Wochen lang besetzt

 Senatssitzung 

17. Mai, 15 Uhr: Vor der Senatssitzung treffen sich rund 600 Studierende, um gegen Studiengebühren und das Hochschulfreiheitsgesetz zu protestieren.    

Fotos (3): Peter Grewer

 
Turbulent ging es zu und am Ende wusste niemand mehr so richtig, worüber der Senat eigentlich abstimmen sollte. "Die Situation ist ziemlich unklar", so der Erziehungswissenschaftler Prof. Ewald Terhart, Gruppensprecher der Professoren. Mit Verwirrung begann am 17. Mai die bisher größte Auseinandersetzung zum Thema an der Uni Münster und verwirrend ging es dann auch weiter. Klar war immerhin, dass auch die Professoren im Senat einen Beschluss "An der Universität Münster werden keine Studiengebühren eingeführt" mitgetragen hätten – wohl wissend, dass ab Oktober ein neuer Senat im Amt ist, der das Thema jederzeit wieder auf die Tagesordnung setzen kann. Aber zu dem Beschluss kam es ohnehin nicht mehr, einige Studierende drängten auf die Bühne, so dass der Vorsitzende des Senats, Prof. Udo Schmälzle, die Sitzung beendete. Warum die Sitzung gesprengt wurde, bleibt unklar, ebenso wie die Frage, warum die eigenen studentischen Senatoren ausgetrillert und -gepfiffen wurden. Zu ihnen gehörte Caterina Metje, die immerhin deutlich machen konnte, worum es den Studierenden ging: "Wir wollen keine Diskussion über Studiengebühren unter dem Vorwand, es ginge um eine bessere Ausgestaltung von Lehre und Studium. Das hätte die zuständige Senatskommission schon vor zehn Jahren machen können." Aber auch sie konnte sich schließlich zwischen Trillerpfeifen und quietschenden Luftballons kein Gehör mehr verschaffen.

 Mitarbeiter Vorm Verschloss 

 22. Mai, 9 Uhr: Die Verwaltungsmitarbeiter   des Südflügels stehen vor verschlossenen Türen.

 
Besser ist es immer, miteinander zu reden

Bereits vor Beginn der Senatssitzung hatten es sich rund 20 Studierende auf dem Flur vor dem Rektorbüro im Südflügel des Schlosses bequem gemacht. Die bekamen zwar nichts vom Chaos im Senat mit, waren sich aber einig, dass sie Studiengebühren an der Universität Münster unbedingt verhindern müssen. Eine lose Gruppe hatte sich da zusammengefunden, zusammengehalten von der Angst, in Zukunft 500 Euro Gebühr pro Semester zahlen zu müssen. Schnell war ein organisatorischer Rahmen gefunden: Plenum der Schlossbesetzer um 13 und um 20 Uhr, Aufbau einer Internet-Seite, Essen aus der "Volx-Küche" an der Scharnhorststraße, auf jeden Fall gewaltfreier und möglichst legaler Widerstand. Was sie nicht wollten, kristallisierte sich ebenso schnell heraus: keine Studiengebühren, kein Hochschulfreiheitsgesetz, dafür Ausweitung des Mitspracherechts von Studierenden, weit reichende und gründliche Verbesserung der Lehre.

"Es ist immer besser, wenn man miteinander spricht, als wenn man auf Konfrontation geht", versuchte Rektor Prof. Jürgen Schmidt im Gespräch mit den Studierenden die Situation zu entschärfen. Doch er machte auch klar, dass viele der Forderungen nicht erfüllbar seien. Eine vollständige Ablehnung des Hochschulfinanzierungsgerechtigkeitsgesetzes (HFGG) durch die Universität beispielsweise sei nicht möglich, da es verfassungsgemäß zu Stande gekommen und die Uni als Landeseinrichtung an Gesetze gebunden sei. "18 Millionen Bürger haben dem Landtag ein Mandat gegeben, da können wir uns nicht drüber hinwegsetzen", so Schmidt. Das Hochschulfreiheitsgesetz  (s. auch muz-Artikel "Keine Angst vor Insolvenz")in seiner Gänze abzulehnen sei nicht sinnvoll, da es zu 75 Prozent mit dem derzeit geltenden Hochschulgesetz identisch sei. Das Maß der studentischen Mitbestimmung an Hochschulen wiederum sei weitestgehend festgelegt durch Bund, Land und Bundesverfassungsgericht.

 Blockade Suedfluegel 

26. Mai, 11 Uhr: Noch ist der Südflügel blockiert. Doch der Rektor fordert den „unverzüglichen“ Abzug. Am folgenden Montag geben die rund 60 Studierenden auf.

 
Anderthalb Wochen harrten die Besetzer im Schloss aus, brachten für ihre Plenarsitzungen immerhin bis zu 200 Studierende auf die Beine. Dafür war ein Teil der Verwaltung blockiert, Vorlesungen und Tagungen mussten verlegt werden, weil die Schlossaula und die Hörsäle S1 und S2 von den Studierenden mit Beschlag belegt worden waren. Die nutzten sie für Arbeitskreise, Plenarversammlungen und Vorträge, um sich in die Problematik von Hochschulfinanzierung und Hochschulverfassung einzuarbeiten.

"Das ist hier keine reine Fun-Aktion, wir wollen inhaltlich arbeiten", hieß es immer wieder aus den Kreisen der Besetzer. Das Bemühen zeigte sich auch nach dem Abzug der Studierenden, nachdem Schmidt seine Duldung der Besetzung zurückgezogen hatte. Mit der Gründung der "Offenen Universität Münster" am 29. Mai hat sich eine Gruppe von rund 30 bis 40 Studierenden aller münsterschen Hochschulen konsolidiert, die zunächst in den Räumen der Fachschaft Soziologie unterkamen.

 Blockade Sauberes Schloss
 

 29. Mai, 14 Uhr: Die Besetzer hinterlassen ein sauberes Schloss.

 
"Studiengebühren sind für uns nur ein Teilaspekt", so Sven Fritsch, einer der Pressesprecher der "Offenen Universität Münster". "Wir wollen Themen aufgreifen, für die es im normalen Unialltag sonst keinen Raum gibt". Rasterfahndung und Hochschulfreiheitsgesetz gehören ebenso dazu wie die Verschwendung von öffentlichen Geldern in Nordrhein-Westfalen. Bis Ende des Semesters haben sie ein Vortragsprogramm zusammengestellt, wie es danach weiter geht, wird die Zukunft zeigen. "Wir wollen unsere Kommilitonen sensibilisieren und aktivieren."

Billardkugel im Aasee versenkt

So brachten sie mit einer Aktionswoche Mitte Juni das Thema Studiengebühren wieder in die Öffentlichkeit. Eine überdimensionale Billardkugel, versenkt im Aasee, sollte symbolisieren, dass das Bildungssystem aus dem Gleichgewicht geraten sei, auf dem Prinzipalmarkt wurde ein "Haus für die Bildung" eingerichtet. Und das, obwohl das Thema "Studiengebühren" an der Universität vom Tisch ist? "Das ist doch nur vorläufig. Im Wintersemester kommt das Thema mit Sicherheit wieder auf die Tagesordnung. Wir wollen uns jetzt inhaltlich fortbilden, um später die Diskussion fortführen zu können", so Fritsch.

Die wird an den anderen münsterschen Hochschulen bereits geführt. Die Katholische Fachhochschule hat schon Studiengebühren für Erstsemester zum kommenden Wintersemester eingeführt, an der Fachhochschule wurde gemeinsam von Senat und Studierenden überlegt, wie Studiengebühren aussehen könnten, nachdem auch hier eine Senatssitzung von den Studierenden gesprengt worden war. Ob und wann hier die Einführung von Studiengebühren beschlossen wird, ist noch unklar. Andere nordrhein-westfälische Hochschulen wie Köln, Aachen und Bonn haben bereits beschlossen, Gebühren einzuführen, aber noch nicht die dafür notwendigen Satzungen erlassen.

"Noch stehen wir im Vergleich mit anderen Hochschulen vergleichsweise gut da, aber das kann sich sehr schnell ändern", sorgt sich Sven Fritsch. Vor dem Abzug aus dem Schloss hissten die Besetzer denn auch ein Transparent mit der Aufschrift: "Fortsetzung folgt" ...  

 bn