|
muz

Der aufrechte Gang als Zeichen des Menschen

150.000 Euro Förderung für Philosophen

Worin zeigt sich das "Wesen" des Menschen, was macht ihn in besonderer Weise aus? "Der aufrechte Gang", so lautet eine in der Geschichte des Denkens immer wieder gegebene Antwort. Das ist Anlass genug für Prof. Kurt Bayertz vom Philosophischen Seminar, den aufrechten Gang ins Zentrum seines "opus magnum" zu stellen: "In allen Epochen wurde er als Merkmal wahrgenommen, das den Menschen äußerlich sichtbar von der Tierwelt unterscheidet. Und er wurde auch immer wieder als 'wesentlich' erachtet: als körperlicher Ausdruck typisch menschlicher Eigenarten." Ziel ist es, eine Deutungsgeschichte des einflussreichen Denkmotivs "aufrechter Gang" vorzulegen – von der Antike bis in die Gegenwart.

Mit 150.000 Euro fördert die "VolkswagenStiftung" den Philosophen. Das Geld soll in erster Linie dazu dienen, eine Lehrstuhlvertretung zu finanzieren, um Bayertz die Freiräume zu verschaffen, sein Werk über "Glanz und Elend des aufrechten Ganges – Geschichte eines anthropologischen Denkmotivs" zu vollenden. Im Rahmen der Initiative "Pro Geisteswissenschaften" der "VolkswagenStiftung" werden jetzt erstmals insgesamt neun so genannte "Opus Magnum"-Werke gefördert.

"Unsere besondere körperliche Konstitution spielt eine Schlüsselrolle für unser philosophisches, theologisches und kulturelles Selbstverständnis – und hat zu allen Zeiten die Phantasie des Menschen beflügelt", erläutert Bayertz seine Grundthese. Die Sonderstellung des Menschen spiegelt sich daher in der Symbolik des aufrechten Ganges: So wurde und wird er verstanden als Ausdruck der menschlichen Vernunftnatur, als Zeichen der Hinwendung des Menschen zum Himmel, zu den Göttern beziehungsweise zu Gott oder als Metapher für die Anständigkeit ("Aufrichtigkeit") des Menschen. Damit sei, so Bayertz, der aufrechte Gang zugleich zu einer Norm und einem Ideal des Menschseins geworden: "Das zeigt sich bereits in der sprachlichen Nähe von ,aufrecht’ zu den Wertbegriffen ,recht’ und ,richtig’". Ein eindrucksvolles Beispiel für das anhaltende symbolische Gewicht liefert seines Erachtens der Appell an den "aufrechten Gang" im November 1989, der von der Oppositionsbewegung in der DDR aufgegriffen und zum Inbegriff ihrer Forderung nach einer politischen und gesellschaftlichen Wende wurde. In seinem Werk will Bayertz diese Deutungsmuster in ihren epochalen Bezügen nachzeichnen – und damit den Leser zu der zentralen Frage führen, was Menschsein bedeutet.

Die Initiative "Pro Geisteswissenschaften" will Geisteswissenschaftler unterstützen, die sich den neuen, komplexen Herausforderungen unserer Zeit stellen. Gefördert werden in der ersten Bewilligungsrunde acht Dilthey-Fellowships und neun "Opus-Magnum"“-Förderungen mit insgesamt über 4,6 Millionen Euro.     

bn