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Keine Macht über den Fußball

Literatur tut sich schwer mit Massenphänomen



Die Angst der Literatur vor dem Fußball spiegelt sich darin wider, dass nur wenige Titel erschienen sind.

Foto: Peter Grewer


Auch wenn der Markt für Fußballliteratur derzeit boomt, von einem wirklich innigen Verhältnis zwischen Literatur und Fußball kann man nicht unbedingt sprechen. Während einerseits so mancher Spieler eher einen großen Bogen um das feingeistige Wort zu machen scheint, gibt es auf der anderen Seite auch nur wenige Literaten, die den Fußball für wert befunden haben, sich mit ihm zu beschäftigen. Anders als das Boxen, von dem sich Autoren wie Brecht oder Wondratschek haben inspirieren lassen, bleibt der Massensport Fußball seltsam unsichtbar in der Literatur. Der Germanist Prof. Moritz Baßler, der seit einem halben Jahr in Münster lehrt, weiß auch, warum.

"Die Literatur will definieren, was sie beschreibt. Das geht beim Boxen, weil das nicht diese gesellschaftliche Rolle wie der Fußball spielt. Der Fußball selbst ist ein so mächtiger Diskurs, der bereits fest definiert ist, dass die Literatur keinen Ansatzpunkt findet", meint Baßler. "Wenn sich Literatur mit Fußball beschäftigt, wird sie nur danach beurteilt, ob diese Welt richtig wiedergegeben ist. So kann sie nicht die überlegene Haltung annehmen, die Literatur eigentlich gegenüber der Welt haben will."

Deshalb bleibt es bei wenigen Randphänomenen, die er derzeit mit seinen Studierenden in einem Hauptseminar behandelt. Handkes "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter"  ist das wohl bekannteste Fußball-Werk aus dem deutschen Sprachraum. Der Protagonist ist vom Fußball geprägt, seine Erfahrungen im Spiel prägen seine Sicht auf die Welt außerhalb des Sports. Er ist es gewohnt, ein Spiel zeichenhaft zu lesen, ganz in der Wahrnehmung einzelner Momente zu leben. Hier schließt sich der Kreis zur Literatur. "In beiden Systemen, dem Fußball wie der Literatur, gelten die gleichen Gesetze", erläutert Baßler.

"Fever Pitch" von Nick Hornby wendet sich weniger dem Fußball selbst als vielmehr den Fans zu. Wie auch bei Handke ist es nicht unbedingt ein Buch über den Sport, sondern über die Menschen, die ihn lieben und über ihre Entwicklung. Wolf Haas verwendet im "Knochenmann" eine an Flaubert erinnernde Reportagetechnik, die dem naiv anmutenden Erzähler einen hintergründigen Humor verleiht. Mord und Totschlag sind an der Tagesordnung, im realen Leben einer Hähnchen-Braterei ebenso wie auf dem Fußballfeld.

Baßler plädiert dafür, dass sich die Literatur endlich dem Fußball zuwendet, ihn als gesellschaftliches Phänomen wahrnimmt. Sein Interesse kommt nicht von ungefähr, liegt einer seiner Schwerpunkte doch auf der Gegenwartsliteratur und da besonders auf dem Pop-Roman. Der Erfolg seines Hauptseminars zeigt, dass sich auch Leser finden würden: "Ich musste den Spaß an der Sache nicht erst wecken, die Studierenden engagieren sich von ganz alleine."

    bn