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muz

Fremde Federn - Leserbriefe

zu muz 2/06, S. 1, „Gerechtigkeit ist auch mit Gebühren möglich“:

Mit großem Erstaunen stellte ich fest, dass die Uni-Zeitung schon auf dem Titelblatt klar Position für Studiengebühren bezogen hat: „Gerechtigkeit ist auch mit Gebühren möglich“, lautete der dazugehörige Titel. In lange Wortklauberei möchte ich hier nicht verfallen, nur soviel sei angemerkt: Dass Studiengebühren – wie behauptet – eine gerechte Regelung des Hochschulzugangs ermöglichen, ist genauso vehement anzuzweifeln wie die Behauptung, dass Studiengebühren im Einklang mit internationalem Recht stehen. Durch allgemeine Gebühren wird ein Keil zwischen die StudentInnen getrieben – dieser Keil finanzieller Natur schafft soziale Ungleichheit – persönlich möchte ich es nicht miterleben, dass studieninteressierte, aber nicht zahlungskräftige junge Leute auf gleichaltrige StudentInnen hinaufblicken müssen! Als Hochschulgruppe attac-campus werden wir diesen Keil nicht zwischen uns treiben lassen!

Gerechtigkeit mit allgemeinen Gebühren ist nicht denkbar, da sie Selektion und Ausschluss mit sich bringen. Aus zwei weiteren Gründen lehnt attac-campus die Gebühren ab: Sie werden zu sinkenden StudentInnenzahlen führen und sie werden einseitig „marktverwertbare“ Studiengänge fördern, somit zu einem Aussterben von Nebenforschungsfeldern und kleinen Fächern führen. Herrn Pinkwarts Handeln betrachte ich aus diesen Gründen als höchst fahrlässig! Herrn Prof. Pieroths Interpretation des Passus des UN-Sozialpakts muss ich an dieser Stelle Folgendes entgegenstellen: Die anzustrebende Unentgeltlichkeit des Studiums wird in dieser Passage gerade herausgestellt: "[…] insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit […]", heißt es dort, sei die Zugänglichkeit zu den Hochschulen für "jedermann" – und wohl auch für alle Frauen - zu gewährleisten. Die Förderung von Maßnahmen zu diesen Zwecken, wird ausdrücklich als einzuhaltendes Gebot qualifiziert: "[…] der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise […] jedermann […] zugänglich gemacht werden muss."

Allein der Sache nach sind Studiengebühren also unzulässig, da sie gegen geltendes Recht verstoßen! Daran ändert auch die Praxis der UN-Sozialkommission nichts. Diese hatte wie im Artikel berichtet bereits allgemeine Gebühren in Neuseeland und Australien bewilligt. Der Umstand, dass Herr Minister Pinkwart sich mit dem Gesetz zur Herstellung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen (HFGG) dermaßen über Rechtsbestimmungen der Vereinten Nationen hinwegsetzt, wirft nicht das günstigste Licht auf Herrn Pinkwarts Einstellung zu dieser völkerrechtlichen Institution.

Es wird sich zeigen, wie viele Studentinnen und Studenten schlussendlich als gebührenzahlende Einzelkämpfer ihr Dasein an der Uni fristen wollen und wie viele dafür eintreten werden, keine monetären Keile in die Studierendenschaft treiben zu lassen!

Jean-Baptiste Thomas
attac-campus Münster


zu muz 2/06, S. 2, „Trotz Startproblemen positive Erfahrungen“:

Andrea Kronisch schätzte die Erfahrungen mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge, als "zum größten Teil positiv" ein. Fakt ist, dass nur eine geringe Zahl von Studierenden von positiven Erfahrungen zu berichten weiß.

Der Arbeitskreis Studienreform der Fachschaftenkonferenz beschäftigt sich seit einiger Zeit mit der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor/Master und deren Umsetzung an der Uni Münster. Aus den bisher gesammelten Eindrücken können wir die Situation nicht anders als chaotisch bezeichnen. Anders sind Losverfahren in der Soziologie und vielen anderen Fächern, "Reise nach Jerusalem"-Spiele mit den Kursen in der Anglistik, wo Plätze in Pflichtveranstaltungen fehlen, und sich überschneidende Pflichtveranstaltungen nicht zu erklären.

Das Erreichen der Ziele des Bologna-Prozesses müssen wir für die Uni Münster als gescheitert ansehen. Anstatt ein selbst bestimmtes Studium zu ermöglichen, führen die vielen Pflichtveranstaltungen zur Überbelastung der Studierenden und Lehrenden. Doch wenn Studierende in die Planung der neuen Studiengänge so gut wie überhaupt nicht einbezogen werden, wie es der Bologna-Prozess fordert, und wenn Bachelorstudiengänge eingeführt werden, bevor sie akkreditiert, also auf ihre Studierbarkeit überprüft, worden sind, ist das Ergebnis absehbar. Für annähernd keinen Studiengang liegen in Münster Akkreditierungen vor (vgl. www.akkreditierungsrat.de). Trotz allem werden diese Studiengänge bereits von tausenden Studierenden besucht. Dies halten wir für unverantwortlich, nicht zuletzt, da es nur in NRW möglich ist, in nicht akkreditierten Studiengängen Einschreibungen vorzunehmen. Permanent werden fächerspezifische Bestimmungen, Prüfungsordnungen, Punktekataloge etc. nach Kritik von Akkreditierungsagenturen oder Vorgaben von politischer Ebene abgeändert, so dass selbst die Dozierenden in der Regel keine Antwort auf verzweifelte Fragen haben und für die Studierenden im Lebendexperiment keine Verlässlichkeit in ihrem Studium und ihren Planungen besteht. Wenn sich im Artikel darauf berufen wird, dass die Nachbesserungen lediglich "formale Aspekte" beträfen, so müssen wir dort ein grundsätzliches Missverständnis des Bologna-Prozesses annehmen. Denn der Prozess soll gerade die formale Studienorganisation reformieren und wenn dort Fehler auftauchen, heißt das in der Konsequenz, dass die der Reform zugrunde liegenden Vorstellungen nicht verstanden sind und somit auch nicht realisiert werden können. Stattdessen wurden in Münster in vielen Fällen die alten Strukturen lediglich den neuen Anforderungen angepasst. Von "tief greifenden Veränderungen" kann keine Rede sein.

Die Erfahrungen der Studierenden mit dem elektronischen Anmeldesystem HIS-LSF sind ebenfalls alles andere als positiv. Von Leistungsfähigkeit kann in diesem Fall nicht gesprochen werden. Ebenso kann das Angebot an Allgemeinen Studien längst noch nicht als ausreichend bezeichnet werden. Hinzu kommt, dass den Studierenden viele Wahlmöglichkeiten schon im Vorhinein durch Beschränkungen in den Prüfungsordnungen wieder genommen werden.

Serena Müller
AK Studienreform
ak.studienreform@uni-muenster.de

zum Artikel


zu muz 2/06, S. 4, „Was und wie können wir wissen?“:

Gewissenhafter Journalismus ist es nicht, stattdessen wohl gedankenloses Nachreden von öffentlich immer und immer wieder verbreiteten Vorurteilen, wenn in Ihrem Artikel "Was und wie können wir wissen?" behauptet wird: "Nur wenige Disziplinen haben wie die Katholische Theologie, die Medizin oder die Philosophie eigene Institute oder Professuren eingerichtet, um über die Grundlagen ihres eigenen Fachs nachzudenken." Ignoranz in Bezug auf die Universität ist man von vielen Seiten gewöhnt; einer Universitätszeitung (!) sollte es jedoch angesichts solch weitgreifender Aussagen denn doch einfallen, zum Check der These einmal ins Vorlesungsverzeichnis der eigenen Institution zu schauen. Solch ärgerliche Falschheiten tragen zum seit langem vorangetriebenen Demontageprozess der Universität bei und bestätigen den vernagelten Segmenten von Öffentlichkeit immer nur ihre Vorurteile. Die münstersche Universitätszeitung bedient natürlich damit die landläufige Meinung, dass außer in der "Katholischen Theologie", weil die mit existentiellen Fragen zu tun haben mag, der Medizin, wo es um Leben und Tod geht und der Philosophie, der man das ohnehin konzedieren muss, weil man das für ihr Programm hält, über die Grundlagen des Wissens, seiner Ordnung und seiner Relevanz nicht „nachgedacht“ wird. Armes Münster!

Prof. Dr. Jürgen Helmchen
Institut I, Allgemeine
Erziehungswissenschaft


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