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Begegnung mit einem fremden Medium

Literaturwissenschaftler setzten sich mit Fotografie auseinander



Sachlich kühl behandelte Christina Dohle die "Sachliche Romanze" von Erich Kästner für das Projekt "Literatur und Fotografie" der Germanistik-Studierenden.


"Am Anfang war es seltsam, mit dem Bild zu arbeiten statt mit dem Text", erinnert sich die Germanistik-Studentin Julia Geppert. Im Rahmen des Hauptseminars "Literatur und Fotografie" beschäftigte sie sich mit ihren Kommilitonen zunächst auf theoretische Weise mit dem. Medium der Fotografie. Entstanden ist daraus inzwischen eine Ausstellung: 20 Studierende haben ihre Assoziationen und Imaginationen zu literarischen Texten fotografisch festgehalten und präsentieren sie voraussichtlich ab dem 3. Mai in der Teilbibliothek des Germanistischen Instituts im dritten Stock des Fürstenberghauses.

Organisiert wurde sowohl das Foto-Projekt als auch die Ausstellung in Eigenregie von den Studierenden. Zu sehen sein werden Bilder zum "Panther" von Rilke, zu Kästners "Sachlicher Romanze", zu Thomas Mann, Kafka und Brecht. "Die Themen konnte jeder frei wählen, aber wir haben vorgegeben, dass es Texte aus dem Lektürekanon deutschsprachiger Literatur sein sollen, damit sie auch wiedererkannt werden",  so Geppert. Herausgekommen sind Farb- und Schwarz-Weiß-Bilder, die mal assoziativ-verfremdend, mal illustrativ-anschaulich Prosa-Szenen oder Lyrik aufgreifen. Kombiniert werden sie in der Ausstellung mit jenen Textausgaben, die in der Bibliothek der "neueren Abteilung" vorhanden sind. "Wir konfrontieren das alte Medium Buch mit dem neuen Medium Fotografie. Das wird sicher spannend", meint Geppert. Für einen Ausstellungskatalog sucht die Gruppe im Augenblick noch nach Sponsoren.

Fotografie ist ein relativ neues Medium, das auch Gefahren in sich berge, so Geppert. Denn anders als in fiktionalen Texten halte man Fotografien oft für authentisch. "Wenn etwas im Bild festgehalten ist, dann ist es auch wirklich passiert. Dabei lässt sich durch Bildbearbeitung jede beliebige Realität erschaffen", meint Geppert. Deshalb hat sie sich für ihre eigene Arbeit Marcel Beyers "Spione" ausgesucht: Dem Leser wird ein Foto als Beweis präsentiert, dass eine Szene tatsächlich stattgefunden hat, doch am Ende stellt sich heraus, dass er vom Autor in die Irre geführt wurde.

Die enge Verbindung zwischen Text und Bild ist für Dozent Dr. Jürgen Gunia auf der fachwissenschaftlichen Ebene bezeichnend: "Literatur und Fotografie bilden ein intermediales Arrangement, in welchem man wunderbar beobachten kann, ob und wie sich Zeichensysteme – hier Schrift und Bild – ineinander übersetzen lassen und/oder sich gegenseitig kommentieren." Von der Initiative der Studierenden ist er begeistert: "Sie müssen ihre eigenen Assoziationen und Imaginationen zu einem literarischen Text ernst nehmen. Das wird häufig im Unterricht an der Uni übersehen, bildet aber die zentrale Grundlage für den weiteren analytischen Zugang zur Literatur." Bei seinen Studierenden hat er mit diesem Angebot offene Türen eingerannt. Das beweist nicht nur die Ausstellung an sich, sondern auch das Engagement, mit dem sie sich neben ihrem Studium dafür engagiert haben. Zu sehen sein soll sie bis zum Ende des Sommersemesters.   

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