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Ein fantastischer Wissenschaftler

Der Ingenieur Bernhard Chlebowski schreibt in seiner Freizeit Kurzgeschichten



Fantasie und Wissenschaft ergänzen sich nach Meinung von Bernhard Chlebowski hervorragend. 

 Foto: cr


Es gibt diese freien Tage, da ist er irgendwo, in seinem Haus im Bergischen Land oder in einer komfortablen Hütte in Norwegen, dann sind sie plötzlich in seinem Kopf: fantastische Kreaturen – noch ohne Namen, noch ohne Gesicht. Er nimmt den Laptop, setzt sich hin und fängt an zu schreiben: Fantasie-Inseln entstehen, aus Pragmatikern werden Träumer, Hexen erhalten ein skurriles Aussehen. Der Rest geht wie von selbst und die Fantasy-Geschichte ist fertig. "Meine Ideen kommen einfach so raus, wie bei einer Sprudelflasche, die aufgeht und es macht 'Plopp'. Fällt mir nicht gleich ein Name für eine Figur ein, gehe ich einmal um den Block und habe ihn", sagt Bernhard Chlebowski.

Schreiben ist sein Hobby, Ingenieur sein Beruf. Nach der Schule machte er eine Ausbildung, danach studierte er Chemietechnik und Biotechnologie. Seit 1991 arbeitet er als technischer Angestellter an der Uni Münster, wechselte von der Oberflächenanalytik zur Nanoelektronik. "Ich bin kein Manager-Typ, sondern wollte immer im Dunstkreis der Wissenschaft sein und was mit Technik machen. Es macht Spaß, die Welt zu erforschen."

Ein Naturwissenschaftler, der Geschichten erfindet und dann aufschreibt? Wie passt das zusammen? "Beides hat nichts miteinander zu tun, ergänzt sich jedoch gut. Die Wissenschaft bestimmen Formeln und Gleichungen. Wer ständig in Schemata denkt, schränkt seine Gedanken ein und ist irgendwann Gefangener seiner eigenen Modellvorgaben. Schöngeistige Literatur sprengt solche Fesseln. Sie regt die Fantasie an", sagt Chlebowski. "Wenn ich acht Stunden im Labor gearbeitet habe, kann ich mich abends bei einem schönen Buch entspannen. Schreiben ist für mich ein Ausgleich zu meiner strukturierten Arbeit."

Von klein auf war er ein begeisterter und kritischer Leser. Als Grundschüler kaufte er vom Taschengeld den Science Fiction-Roman "Die letzte Generation" und las die Story von den Übergöttern in einem Rutsch. Später empfahl ihm sein Lehrer die Lektüre von Thomas Mann, weil er in Aufsätzen oft Schachtelsätze bildete. "Dr. Faustus hat mir nicht so gut gefallen. Die Sprache ist exzellent, aber Thomas Mann braucht lange, um auf den Punkt zu kommen."

Wie er zum Schreiben gekommen ist, kann Chlebowski nicht mehr genau sagen. "Ich plante nichts, sagte mir nur, ich schreibe mal ein Buch, und habe es getan. Das Manuskript ließ ich liegen, es ging um einen missglückten Versuch mit Bakterien, und habe es später verworfen –  zu belanglos, zu holprig." Danach war Pause. Studium und Job ließen keine Zeit fürs Schreiben. Stattdessen wälzte er Fachliteratur und schrieb Berichte für die Analytik.

Doch eines Tages war dieses Gefühl wieder da, dass da noch ein Talent schlummert, das still verkümmert und wieder ausgepackt werden muss. Übers Internet erfuhr Chlebowski vom Schreibwettbewerb eines amerikanischen Verlags. "Eine Person musste an einen Stein kommen und ihn wieder loswerden. Ich habe mich hingesetzt und die Geschichte geschrieben. Meine Frau war wie immer meine erste Leserin und begeistert davon." Auch der Jury gefiel "Das Siegel der Tawor-Hexe". Der Text wurde gedruckt, ein unterhaltsamer Lesestoff, der sich um einen Typen dreht, für den nur das existiert, was er sehen und anfassen kann. Dann aber wird er in eine andere Welt verschleppt, um das Siegel zu bergen.

Chlebowski ist 45 Jahre alt und schreibt vor allem Fantasy- und Mystery-Geschichten – fünf wurden veröffentlicht. "Ich habe auch schon an Science Fiction gedacht, fürchte nur, das würde abdriften in eine dieser Star Trek-Geschichten und davon gibt es schon so viele." Seinem Konzept wird er treu bleiben: einfach drauf los schreiben. So wenig wie Chlebowski zu den Menschen gehört, die ausrechnen, wie viel Tapete sie für vier Wände brauchen, genauso wenig zählt er zu den Autoren, die sich seitenlang die Lebensläufe von Figuren ausdenken, bevor sie loslegen. "Ich schreibe mal ein paar Zeilen am Anfang, dann am Schluss und in der Mitte fange ich an zu streichen. Diese Arbeitsweise macht Spaß, ich kann sie mir aber nur im Privatleben erlauben."

Das Manuskript seines neuen Werkes, ein Roman von 350 Seiten diesmal, liegt fertig in der Schublade. Ein Jahr lang hat er immer wieder sporadisch an der Geschichte von einer verschollenen Seherinnen-Kaste geschrieben. "Jetzt überlege ich, ob ich es los schicke."

Spätestens bei der Frankfurter Buchmesse würde er dann wissen, ob der Roman veröffentlicht wird. Wenn nicht, ist das für Bernhard  Chlebowski kein Drama. Schließlich will er nicht hauptberuflich Schriftsteller werden. Er will weiterhin schreiben, wenn ihn die Lust packt, Walter Kempowski und Wolfgang Hohlbein lesen, und sich Zeit für andere schöne Dinge nehmen. "Ich mache abends zu Hause nicht die Tür auf und sage zu meiner Frau 'Ich habe keine Zeit, ich muss schreiben.' Ich kann mir den Luxus erlauben: Wenn ich keine Lust habe, dann lasse ich es."   

Conni Rist