Gerechtigkeit ist auch mit Gebühren möglich
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Leere Taschen werden viele Studierende haben, sollten ab dem kommenden Jahr Studiengebühren eingeführt werden. Foto: Angelika Klauser |
Die Eckpunkte sind klar: Studiengebühren in Höhe von bis zu 500 Euro pro Semester, jede Hochschule hat das Recht, selbst über die Einführung von Studiengebühren zu entscheiden, auch BAföG-Empfänger müssen insgesamt bis zu 10.000 Euro von den ihnen gewährten Krediten zurückzahlen. Wie zu erwarten war, ist das Studienbeitragsgesetz Mitte März fast unverändert vom Landtag verabschiedet worden. Dabei hätte es gute Gründe gegeben, einige Ausgestaltungen des Gesetzes zu modifizieren. Einer davon ist der UN-Sozialpakt, der bereits 1976 in Deutschland in Kraft getreten ist. Darin heißt es ausdrücklich, dass zur Verwirklichung des Rechts eines jeden auf Bildung "der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss".
Nach Meinung des Staatsrechtlers Prof. Bodo Pieroth vom Institut für Öffentliches Recht und Politik und seiner internationalen Kollegen bedeutet das allerdings nicht, dass Studiengebühren immer unzulässig sind. Denn in diesem Passus komme die entscheidende Bedeutung nicht der Unentgeltlichkeit, sondern der Chancengleichheit zu. Er hatte die Gelegenheit, dies bei der Expertenanhörung vor dem Landtag darzulegen, aber: "Das war eine Anhörung nur für die Tribüne." Trotzdem hält er daran fest, dass die derzeitige Ausgestaltung des Studienbeitragsgesetzes rechtswidrig ist. Nicht wegen der Erhebung von Studiengebühren. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat festgelegt, dass Studiengebühren dann zulässig sind, wenn sie durch entsprechende Ausgestaltung ein Höchstmaß an sozialer Verträglichkeit aufweisen und den Zugang finanzschwacher Interessenten in keiner Weise erschweren.
"Studiengebühren an sich bedeuten noch keine soziale Ungleichheit", so Pieroth. "Anders sieht es allerdings mit der Ausgestaltung aus. Es kann nicht sein, dass die Lasten derjenigen, deren Eltern die Gebühren sofort zahlen können, ungleich geringer sind, als die derjenigen, deren Eltern arm sind und deshalb einen Bildungskredit aufnehmen müssen." Durch die Bildungskredite, so die Landesregierung, bleibe die Chancengleichheit gewahrt. In Anspruch nehmen kann sie jeder, zurück gezahlt werden müssen sie erst, wenn nach dem Studium ein gewisses Einkommen erreicht wird. Niemand müsse also fürchten, durch sein Studium arm zu werden. Allerdings sollen die Bildungskredite mit den marktüblichen Zinsen und Zinseszinsen zurückgezahlt werden.
"Das Deutsche Studentenwerk hat allerdings berechnet, dass nach einem zehnsemestrigen Studium aus den Studienbeitragsdarlehen statt 6.000 Euro rund 10.700 Euro allein für Studiengebühren beziehungsweise deren Zinsen zu zahlen sind", rechnet Pieroth vor. "Zwar verringert sich dieser Betrag wegen der Kappungsgrenze auf 10.000 Euro, der krasse Unterschied bleibt dennoch bestehen." Diese Ungleichbehandlung der Studierenden sei nicht gerechtfertigt.
Die UN-Sozialkommission selbst hat den Weg gewiesen, indem sie das australische und neuseeländische Studiengebühren-Modell billigte. Studierende müssen dort lediglich einen Zinssatz in Höhe des Inflationsausgleiches zahlen, derzeit zwei Prozent statt der marktüblichen 5,5 Prozent. "Mit einer so geringen Verzinsung werden diejenigen, die später zahlen müssen, nicht gegenüber denjenigen, deren Eltern gleich zahlen, benachteiligt", erklärt Pieroth.
Der Senat der WWU hatte im Wintersemester gegen Studiengebühren plädiert, so lange sie nicht sozial ausgewogen seien und in voller Höhe direkt den Hochschulen zugute kommen. Ob das der Fall ist, darüber lässt sich ebenfalls streiten, denn das Gesetz sieht vor, dass 23 Prozent aller im Land gezahlten Gebühren in einen Ausfallfond fließen sollen. Daraus werden die Ausfälle bei der NRW-Bank gezahlt, die durch nicht zurückgezahlte Gebühren entstehen. Das kann geschehen, wenn nach dem Studium nicht genügend Einkommen erzielt wird, um die Kredite abzustottern. Vor allem betrifft es aber BAföG-Empfänger, von denen rund zwei Drittel nach Schätzung des Wissenschaftsministeriums keine oder nur verringerte Studiengebühren zahlen müssen. Für sie springt die NRW-Bank ein. Damit sollen jene Hochschulen, an denen überdurchschnittlich viele BAföG-Empfänger studieren – wie in Münster der Fall – nicht benachteiligt werden.
bn