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Nicht nur in der Bibliothek gehockt

Studierende untersuchten Fundstücke zur frühchristlichen Archäologie

 



Seltenes Exemplar: Abguss eines antiken Weihrauchgefäßes


Fast unscheinbar wirkt für den Laien der Abguss des ungefähr zehn Zentimeter hohen Weihrauchgefäßes aus Bronze. Doch ist seine Verzierung mit Figuren aus der Bilderwelt Palästinas ein wichtiger Beleg für die Entwicklung des Christentums im römischen Reich. Herausgefunden hat das die Studentin Ellinor Fischer, die gemeinsam mit 25 Kommilitonen die Ergebnisse eines interdisziplinären Projektes in dem Band "Zeugnisse spätantiken und frühchristlichen Lebens im römischen Reich" publiziert hat. Sowohl das Institut für Klassische Archäologie und Frühchristliche Archäologie als auch die Abteilung für Christliche Archäologie und Geschichte der Kirchlichen Kunst der Evangelisch-Theologischen Fakultät hatten daran Anteil.

Zwei Semester lang beschäftigten sich die Studierenden, begleitet und betreut von Prof. Dieter Korol, Suzana Hodak und Prof. Peter Maser mit ausgewählten Stücken, die hauptsächlich aus den Beständen des Archäologischen Museums stammen und teilweise sogar erstmalig dokumentiert wurden. Die bearbeiteten Fundstücke aus der Klein- und Gebrauchskunst gewähren Einblicke in die spätantike Alltagskultur zur Zeit des aufkeimenden Christentums. Und da die Entdeckungen der Studierenden kleine und größere Sensationen bergen, die nicht nur für wissenschaftliche Kollegen spannend sind, richtet sich die Publikation auch an interessierte Laien. Um diesen zu erklären, wie die methodische Einordnung archäologischer Fundstücke funktioniert, nennt Fischer ein simples Beispiel: "Wenn man einen Mann, einen Esel und eine Palme erkennt, kann man schon ahnen, es handelt sich um Jesus in Jerusalem."

So einfach war ihre Arbeit an der Publikation natürlich meistens  nicht, dafür aber umso spannender. Bevor man ein derartiges Denkmal in einen zeitlichen und kulturellen Kontext einordnen kann, muss man es erst penibel und exakt beschreiben und anschließend vergleichbare Kunsterzeugnisse sowie die einschlägige Literatur dazu suchen. Solch eine Bestimmung ist zwar langwierig und arbeitsintensiv, doch zum Ausgleich ist die Arbeit an den Originalen oder zumindest den Abgüssen davon eine handfeste und praxisnahe Aufgabe, berichtet Matthias Stanke: "Das ist schon etwas anderes, als nur in der Bibliothek zu hocken", so der 26-Jährige. Er beschäftigte sich mit einem figürlich verzierten Edelstein, dessen Original in Washington aufbewahrt wird, und der lange Zeit als Fälschung galt. Durch den Vergleich mit anderen Stücken kam Stanke zu dem Schluss, dass es sich um die Darstellung zweier spätrömischer Kaiser, den bekannten Christenverfolgern Kaiser Diokletian und seines Caesaren Galerius handeln müsse – ein Aspekt, der bisher in der wissenschaftlichen Gemeinde noch nicht genügend berücksichtigt worden ist.

Seine Kommilitonin Fischer widmete sich dem bereits erwähnten Weihrauchgefäß aus der frühbyzantinischen Zeit, welches neun Szenen aus dem Neuen Testament zeigt. Mit christlichen Darstellungen oder den Wahrzeichen bereister Städte verziert, waren solche Gefäße ein beliebtes Andenken der Pilger. Viele sind mit der Zeit verloren gegangen. So gehört auch der Abguss des im zweiten Weltkrieg verbrannten Gefäßes zu den eher selten Stücken dieser Art.

Zur Zeit ist das Weihrauchgefäß und weitere Stücke, die im Buch beschrieben sind, im Archäologischen Museum im Rahmen der Ausstellung "Christen geworden sind die Bewohner olympischer Bauten ..." zu sehen, die von Prof. Dieter Salzmann und Heinz-Helge Nieswand konzipiert wurde. Sie zeigt voraussichtlich bis zum 31. Juli spätantike Kunstwerke aus dem Alltag des römischen Reichs und schlägt eine Brücke zu der mittelalterlichen Bistumsgründung in Münster.  

saw