Erst gesungen und dann gesprochen
![]() |
Enorme Bühnenpräsenz zeigt Annette Koch nicht nur als Pistache in Cole Porters "Can-Can" Foto: Staatsoperette Dresden |
Mit zwölf Jahren stand die heute 42-Jährige zum ersten Mal in ihrer Heimatstadt Hagen auf der Bühne: "Da habe ich mich gleich zuhause gefühlt." Zuhause ist sie in vielen Rollen, sei es die Rosina aus Rossinis "Barbier von Sevilla" oder die Dorabella aus "Cosi fan tutte". Für Mezzo-Soprane sind die Hauptrollen allerdings eher dünn gesät. Andererseits hat sie die Möglichkeit, auch Männerrollen zu singen: den Niklas in "Hoffmanns Erzählungen", den Cherubino in der "Hochzeit des Figaro" oder den Orlowsky in der "Fledermaus", Rollen, in denen ein Tenor zu kernig klingen würde und die selbst für einen Alt noch zu hoch angelegt sind.
Neun Jahre hat Koch an der Staatsoperette Dresden gesungen, bevor sie Ende Juni endgültig nach Münster gezogen ist. "Ich habe sehr viel Glück gehabt mit dem festen Engagement, es ist extrem schwierig geworden, irgendwo eine Festanstellung zu bekommen", sagt sie. Trotzdem hat sie nie bereut, in einen derart unsicheren Beruf, der Körper und Konzentration extrem fordert, einzusteigen. "Musik war schon immer das Mittel, mit dem ich mich am besten ausdrücken konnte", betont sie. "Für mich ist Stimme gleichbedeutend mit Identität." Das versucht sie auch ihren Studierenden an der Musikhochschule zu vermitteln. "Man erfährt beim Singen viel über sich selbst, aber es hängt vom einzelnen ab, wie sehr er sich dafür öffnet." Wenn das geschieht, dann ist das ein Glücksmoment für Koch: "Ich glaube, im Singen kann man den Menschen ganz rein und pur erleben, in seiner ganzen Persönlichkeit. Damit in Kontakt zu kommen, ist ungeheuer spannend."
Als Professorin für Gesang und Bühnenpräsenz kann Koch jetzt viele dieser Momente erleben. Dabei hatte sie früher nie daran gedacht, Gesang zu unterrichten, eher interessierte sie sich für Regie. "Inzwischen kenne ich den Betrieb aber gut genug, um zu wissen, dass einer Frau immer noch viele Steine in den Weg gelegt werden, das muss ich mir nicht mehr antun." Dass sie angefangen habe, Gesangsunterricht zu geben, sei eher Zufall gewesen. Doch inzwischen ist sie fasziniert davon, auch anderen Menschen beizubringen, wie sie sich über ihre Stimme ausdrücken können. "Es geht mir nicht darum, den Studierenden eine bestimmte Richtung vorzugeben, obwohl ich einen hohen technischen Anspruch habe. Ich muss etwas in ihnen freilegen, damit der Ausdruckswille ungehindert fließen kann." Da wird sie auch schon mal temperamentvoll, denn nur über Gefühle könne man die Studierenden aus der Reserve locken und motivieren.
Gefühle, die sind es, auf die es Annette Koch ankommt, nicht nur im Unterricht, sondern auch auf der Bühne: "Ich will einen Charakter zeigen und darüber die Menschen emotional erreichen." Das gelingt ihr nicht nur mithilfe der klassischen Musik. In Dresden hat sie auch viel in Musicals gesungen, Victor/Victoria im gleichnamigen Musikstück, die Lady Tiang im "König und ich". "Ich bin zwar keine Musicalsängerin, aber ich liebe es, weil es wunderschöne Rollen mit großen emotionalen Bandbreiten gibt."
Durch alle Emotionen, durch alle Höhen und Tiefen führt Koch die Zuhörer ihres Chanson-Programms, aus dem sie am 8. Juli beim Schlossgartenfest eine kleine Kostprobe geben wird. "Chansons sind für mich die freieste Form, mich auszudrücken, weil ich dann nicht ans Stimmfach gebunden bin." Auch wenn in Deutschland die Unterhaltungsmusik immer noch nicht ganz ernst genommen wird, will sie auf jeden Fall ihre Programme weiter ausbauen. "Ich liebe die Sprache und die ist in Chansons ja immens wichtig. Außerdem sind französische Lieder oder die Chansons von Friedrich Hollaender auch musikalisch sehr anspruchsvoll. Jedes Lied ist quasi ein Miniatur-Schauspiel, mit dem ich meine Zuhörer mit vielen verschiedenen Gefühlen konfrontieren kann", erklärt Koch ihre Faszination für die nur scheinbar leichte Muse.
bn