Der Weg ist das Ziel
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Wie der Wind fegt Manfred Pech über die Tartanbahn. Seine besondere Stärke ist inzwischen die Langstrecke. Fotos: bg |
Es ist ein drückend heißer Frühlingstag. Weiß-graue Wolken ziehen über den Himmel, die Luft riecht nach Regen. Ein kleiner Schauer hat nur kurz für etwas Abkühlung gesorgt. Eigentlich ein Tag an dem man schon vom bloßen Nichtstun ins Schwitzen gerät. Dessen ungeachtet dreht Manfred Pech einsam seine Runden auf der roten Tartanbahn in Münster- Roxel. Ruhig und gleichmäßig atmend setzt er einen Fuß vor den anderen, wirkt locker, aber zugleich auch hoch konzentriert. Der 62-Jährige hat sein Ziel fest im Visier: Er will zum 45. Mal in Folge das Deutsche Sportabzeichen machen.
Dabei hat sein beruflicher Alltag so gar nichts mit Sport zu tun. Seit rund 25 Jahren ist der Regierungsoberamtsrat nun nach seinem Wechsel von der Pädagogischen Hochschule an der Uni tätig und kümmert sich in seiner Funktion als Abteilungsleiter des Personaldezernats um die Belange des wissenschaftlichen Personals und der wissenschaftlichen sowie studentischen Hilfskräfte. Er steht in ständigem Kontakt zu den verschiedenen Fachbereichen, Instituten und Hochschullehrern, hilft bei Problemen, stellt Neuerungen vor. Abgesehen vom täglichen Treppensteigen kommt die körperliche Ertüchtigung dabei deutlich zu kurz. Den Sport sieht Manfred Pech daher als willkommenen Ausgleich zum Berufsleben: "Ich habe festgestellt, wenn man dienstlich belastet ist und vielleicht ein wenig Frust hat und sich dann auf dem Sportplatz austoben kann, ist das eine Art innere Befreiung. Man wird innerlich ganz ruhig und es stellt sich ein richtiges Wohlgefühl ein." Dieser Ausgleich zum Berufsalltag und das Gefühl, etwas für seine Gesundheit zu tun, sei es, was ihn immer wieder auf den Sportplatz treibe. Mit seiner Sportbegeisterung hat er auch seine Frau angesteckt, die seit zwei Jahren ebenfalls regelmäßig läuft. "Vielleicht dachte sie, der Kerl macht ständig was, jetzt muss ich auch mal ran", scherzt Pech.
Erstes Abzeichen schon mit 15 Jahren
Angefangenen hat alles zur Schulzeit. In der Volksschule kam er als Zehnjähriger erstmals bei den Bundesjugendspielen mit der Leichtathletik in Kontakt und ist ihr trotz Abstechern zu Handball, Fußball und diversen anderen Sportarten bis heute treu geblieben. „Mein Herz hängt einfach an der Leichtathletik", schwärmt der sportbegeisterte Beamte. "Vielleicht, weil es eine Einzelsportart ist, bei der man auf sich allein gestellt ist und sich immer wieder selbst beweisen kann." Mit 15 Jahren stellte er zum ersten Mal seine sportlichen Allroundfähigkeiten unter Beweis und erhielt dafür das Jugendsportabzeichen in Bronze mit Silberkranz, da das Schülersportabzeichen erst rund zehn Jahre später eingeführt werden sollte. Seitdem nutzt er jedes Jahr die Chance zum offiziell durch das Sportamt beurkundeten persönlichen Fitnesstest. Mit 35 erhielt er nach mehrmaliger Wiederholung des bronzenen und silbernen Sportabzeichens erstmals die Auszeichnung in Gold. Dieser folgten etwa 25 weitere goldene Anstecknadeln sowie besondere Ehrungen im Fünf-Jahres-Turnus durch das Sportamt der Stadt Münster.
Die Wendigkeit geht ein wenig verloren
In all der Zeit haben sich lediglich die Anforderungen der Prüfer sowie die eigenen Ansprüche und Vorlieben leicht verändert. Die früher gefürchtete Langstrecke fällt mit fortschreitendem Alter leichter als der einst bevorzugte schnelle Sprint. "Wendigkeit und Schnelligkeit gehen im Alter ein wenig verloren", gibt der 62-Jährige offen zu. "Das ist einfach so, damit muss man leben." Wo früher eher die Leistung im Vordergrund stand, zählen heute mehr gesundheitliche Aspekte und die persönliche Herausforderung und Bestätigung. "Man strebt sicherlich keine Höchstleistungen mehr an, aber setzt vielleicht im Jahr noch mal einen Schwerpunkt in einer Disziplin, um zu probieren, was da noch geht", erklärt Pech. "Aber generell will ich eben einfach mal sehen, wie lange man so was machen kann." Sein Nahziel ist es, 2010 die 50 Sportabzeichen vollzumachen. Und wer den Mann beim wöchentlichen Training beobachtet, erhält schnell den Eindruck, dass er dieses Ziel ohne Probleme erreichen wird. So lief er vergangenes Jahr die 100 Meter noch unter 16 Sekunden, einer sehr respektablen Zeit für einen Herrn jenseits der 60.
Auch im Büro kein Amtsschimmel: Manfred Pech ist für wissenschaftliche Angestellte sowie wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte zuständig. |
Manfred Pech ist davon überzeugt, dass es mit fortschreitendem Alter darauf ankomme, nicht viel, sondern regelmäßig Sport zu treiben. Darüber hinaus ist es für den sportlichen Alleskönner wichtig, auf breiter Ebene fit und nicht nur einseitig belastet zu sein. Darin sieht er zugleich die Schwierigkeit und den Reiz des Sportabzeichens: "Wenn man sich die Einzeldisziplinen anschaut, sind die Anforderungen ja gar nicht so hoch", meint Pech. "Die Schwierigkeit liegt in der Breite. Man muss von jedem etwas können. Diese Vielseitigkeit reizt mich beim Sportabzeichen besonders." Das ist auch der Grund, warum so mancher, der es ihm gleichtun will, scheitert. So musste ein Kollege, der auch "mal eben so" das Sportabzeichen machen wollte, nach ein paar Disziplinen zerknirscht feststellen, dass das ganze doch nicht ganz so einfach zu sein scheint, wie es auf dem Papier, der offiziellen Leistungstabelle des Deutschen Sportbundes, aussieht. Das Sportabzeichen ist ja auch ein Ehrenzeichen, das unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten stehe. Dafür müsse man schon ein wenig Leistung bringen, meint der engagierte Freizeitsportler.
Einfach Sportler durch und durch
Daher hat Manfred Pech über die Jahre einen ausgeklügelten Trainingsplan entworfen, obwohl er mit einem Augenzwinkern feststellt, dass er das Abzeichen mittlerweile auch ohne Vorbereitung schaffen würde. Aber für ihn gilt hier ganz klar: Der Weg ist das Ziel. Im Winter geht er einmal wöchentlich in den Kraftraum, bis im April die Freiluftsaison beginnt. Ab dann bereitet er sich den ganzen Sommer über im Vier-Wochen-Rhythmus auf die einzelnen Disziplinen vor. Am Anfang steht die Langstrecke auf dem Programm: Dann läuft er zwei Mal in der Woche 7,5 Runden beziehungsweise 3000 Meter zum Warmwerden. Stretching, kurze Sprints mit Tiefstart und noch ein paar Runden lockeres Auslaufen komplettieren die jeweils einstündige Trainingseinheit. Nach vier Wochen steht schließlich die Prüfung in der trainierten Disziplin an. Nach diesem Muster absolviert er Jahr für Jahr souverän seine Prüfungen im 200-Meter-Schwimmen, Weitsprung, 100-Meter-Lauf, Kugelstoßen und 3000-Meter-Lauf. "Wenn man die gebrachten Leistungen dann am Ende des Jahres beim Sportamt bestätigen lässt, freut man sich, dass man seine sportliche Vielseitigkeit mal wieder unter Beweis gestellt hat", erklärt Pech. "Ich bin eben Sportler durch und durch. Daher würde es mich auch arg treffen, wenn mir jemand sagen würde, du kannst ab sofort keinen Sport mehr machen." Falls es wirklich einmal soweit kommen sollte, hat der Marathonmann bis dahin aber sicher schon viele weitere Sportabzeichen gesammelt.
Björn Greif