Blut ist ein ganz besonderer Saft
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Beim ersten Mal, da tut's noch weh: Michael Schründer spendet zum
ersten Mal Blut. An das leicht mulmige Gefühl muss er sich erst einmal
gewöhnen. Fotos: Michael Billig |
Michael Schründer hat ein mulmiges Gefühl. "Bei Spritzen ist man immer nervös", deutet er auf dem Weg zur Blutspende in der Domagkstraße an. "Personalausweis und anderthalb Stunden Zeit mitbringen", hatte jemand am Telefon zu ihm gesagt, als er den Termin vereinbarte. Zuvor stellte die Stimme am anderen Ende der Leitung noch ein paar Fragen, die seine Spendetauglichkeit überprüfen sollten: "Sind Sie frisch gepierct oder tätowiert?" "Waren Sie in den vergangenen sechs Monaten im Ausland?" Diese und andere Fragen muss Schründer noch mal in seiner Akte beantworten.
Als er damit fertig ist, die Informationszettel gelesen und Einverständniserklärungen unterschrieben hat, geht es langsam ans Eingemachte. "Bitte die Hand zur Faust ballen", sagt eine Krankenschwester höflich, nachdem sie bei ihm Temperatur und Puls gemessen hat. Dann sticht sie ihm die Nadel in eine Vene. In Raum 30 des Instituts für Transfusionsmedizin lässt Schründer die ersten 50 Milliliter Blut. Die Abnahme verläuft problemlos. Anschließend braucht er eine Weile, um sich mit hoch gelegten Beinen davon zu erholen. "Man kann es an den heller werdenden Lippen sehen, wenn jemand kurz davor ist, ohnmächtig zu werden", weiß die Krankenschwester und reicht dem angehenden Biologen eine Cola. Zwei, fünf, zehn Minuten vergehen, ehe sich Michael Schründer aus seiner Schräglage erheben kann. "Es geht schon wieder", meint er mit einem müden Lächeln und macht sich auf zum Arztgespräch um die Ecke. Dort erfährt er, dass seine Blutwerte in Ordnung sind.
Bedarf kann nur zu 40 Prozent gedeckt werden
In einem Operationssaal im Universitätsklinikum Münster (UKM) findet bei einem älteren Mann eine Lebertransplantation statt. Mindestens zehn Blutkonserven werden gebraucht, um ihn ausreichend versorgen zu können. Menschen mit schweren Verletzungen, Blutarmut oder Gerinnungsstörungen sind ebenfalls auf Blutspenden angewiesen. "Wir können den Bedarf des Klinikums nur zu 40 Prozent decken. Der Rest muss eingekauft werden", bedauert Oberärztin Dr. Claudia Baumann. Sie leitet die Abteilung Blutspende im Institut für Transfusionsmedizin. Drei Ärzte, 14 Krankenschwestern und ein Zivildienstleistender kümmern sich um die Spender. Sehr selten kommt es vor, dass einer von ihnen kollabiert - deshalb ist auch das große Team notwendig.
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Verantwortlich für die Blutspende ist Dr. Claudia Baumann. In der Blutbank werden die Konserven bei durchschnittlich vier Grad gelagert. |
Thrombozytenspende belastet weniger
Im Krankenhaus auf der Station für Innere Medizin hat ein Tumor-Patient gerade eine Chemo-Therapie hinter sich. Sie ist der Grund dafür, dass sich nicht mehr genügend rote und weiße Blutkörperchen in seinem Blut befinden. Er benötigt außerdem neue Blutplättchen. "Im Schnitt produzieren wir 20 bis 25 TKs täglich", sagt Claudia Baumann. Wenn sie von TKs spricht, meint sie Thrombozytenkonzentrate. Das sind die Blutplättchen, die der Patient braucht und die aus dem Blut eines Spenders heraus gefiltert werden. "Bei den Thrombozytenkonzentraten decken wir den Bedarf hundertprozentig", so Baumann. Die Bio-Technologie-Studentin Viola Geißler gehört seit zwei Jahren zu denen, die regelmäßig ihre Thrombozyten zur Verfügung zu stellen. "Früher schleppte mich mein Vater gelegentlich zur Blutspende", erzählt die 28-Jährige. Allerdings bekommt sie wie Schründer Schwindelgefühle und wird kreidebleich, wenn man ihr Blut abnimmt. Deswegen ist sie auf Thrombozyten umgestiegen. "Davon kann ich fast meine Krankenversicherung bezahlen", denkt sich die Studentin Geißler, wenn sie einmal im Monat spendet. "Wir entschädigen die Leute für ihren Aufwand", berichtet Baumann. 40 Euro streicht Viola Geißler pro Spende ein. Dafür wird sie rund eine Stunde lang angezapft. Das Blut wird durch einen schmalen Schlauch geleitet, die gelbfarbigen Blutplättchen werden abgezweigt und die anderen Bestandteile wieder dem Blutkreislauf zugeführt. "Einmal dauerte es sogar 84 Minuten", erinnert sich Geißler.

Besonders gefragt ist die Blutgruppe null negativ.
Allgemeine Bereitschaft zur Spende nimmt ab
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Besonders gefragt ist die Blutgruppe null negativ. |
Michael Schründer liegt auf einem Bett in Raum 29. Eine Krankenschwester desinfiziert die Haut an seinem rechten Arm. Dann sticht sie die Nadel ein. Sein Vollblut fließt in eine beutelähnliche Konserve, die auf einer Waage liegt. "Es ist ein komisches Gefühl", beschreibt Schründer, was in ihm vorgeht. 450 Milliliter seines Lebenssaftes nimmt man ihm ab. Dabei schaut er die meiste Zeit zur Decke. Nach sieben Minuten hat er es geschafft.
Während Schründer sich noch eine halbe Stunde im Pausenraum ausruht, wandert sein Blut in die Laboratorien der Klinik. Dort wird es zunächst auf das Vorliegen von Infektionskrankheiten wie Hepatitis, HIV und Syphilis untersucht. Gibt es einen positiven Befund, erhält der Spender eine schriftliche Benachrichtigung, dass er sich im Institut melden soll. In der Regel schließt jedoch der Fragebogen auf die Spendetauglichkeit derartige Überraschungen aus. Nach bestandenen Tests können die Laboranten das Vollblut weiter verarbeiten. Sie trennen es in ein Erythrozyten- und in ein Plasmakonzentrat. So kann mit den Produkten einer Spende mehreren Menschen geholfen werden.
"Die allgemeine Spendebereitschaft nimmt ab", gibt Oberärztin Baumann zu bedenken. Im Institut für Transfusionsmedizin verzeichne man zwar einen Aufwärtstrend, aber deutschlandweit sei dieser nicht zu spüren. "Besonders, wenn wir auf die Alterspyramide schauen, wird deutlich, dass wir künftig noch mehr Blut brauchen werden", betont Baumann. "Je mehr ältere Menschen, desto mehr Krankheiten", rechnet sie ergänzend vor. Im Jahr 2003 wurden allein im Uniklinikum 28.027 Blutspenden verabreicht. A positiv und null positiv sind die am häufigsten vorkommenden Blutgruppen. Besonders gefragt ist null negativ. "Das ist für alle Blutgruppen verträglich", hebt Baumann hervor. Während ihrer Studienzeit ist sie selbst regelmäßig zur Spende gegangen. Seit 1998 arbeitet sie in Münster und machte hier ihren Facharzt für Transfusionsmedizin.
Rund zwei Stunden sind vergangen, als Michael Schründer den Heimweg
antritt. Er macht in einem Supermarkt halt und kauft ein: zwei Liter
Milch, eine Sechser-Packung Eier, 1,5 Liter Apfelsaft, eine Packung
Fischstäbchen, ein Brot, eine Tafel Schokolade und eine Flasche
Ketchup. "Jetzt ist die Hälfte des Geldes wieder weg", stellt er an der
Kasse fest. 20 Euro hat er als pauschale Aufwandsentschädigung für die
Blutspende bekommen. Ob Schründer auch künftig Blut spenden wird, weiß
er noch nicht genau. Es hört sich aber so an, denn er sagt: "Beim
nächsten Mal werde ich auf jeden Fall ausgeschlafen sein."
Michael Billig