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Fußballspaß und Hopfensaft auf Laotisch

Doktorand Oliver Tappe lebte sechs Monate in Vientiane


Nicht nur Geschichte und Fußballkultur, sondern auch den heitmischen Hopfensaft untersuchte Oliver Tappe in Laos

Foto: Michael Billig

Eigentlich hätte Oliver Tappe in der Nationalbibliothek sitzen und Bücher mit gewundener Schrift wälzen müssen. Doch für zwei Wochen nahm er sich frei und zeigte seiner Freundin Karen ein wenig von dem Land, wo er sich für sechs Monate niedergelassen hatte. Von Februar bis August des vergangenen Jahres lebte und forschte der 28-Jährige in Laos, genauer in der Hauptstadt Vientiane. Hier untersuchte der Doktorand der Ethnologie die Ikonographie und Geschichtsschreibung des kleinen, südostasiatischen Staates.

"Ich will herausfinden, wie sich die Geschichte im Alltag der Menschen widerspiegelt", beschreibt Tappe das Ziel seiner Untersuchung. Dazu bediente er sich neben der Literaturrecherche vor allem der Methode des Interviews. Er sprach mit offiziellen Vertretern von der Laotischen Revolutionären Volkspartei, buddhistischen Mönchen, Studenten, Bauern und Leuten, die ihm zufällig auf der Straße in Vientiane begegneten. Dass die wenigstens von ihnen des Englischen mächtig waren, stellte kein Problem dar. Schon in Münster interessierte sich der Nachwuchswissenschaftler für laotische Sprache und nahm am Institut für Ethnologie an entsprechenden Kursen teil. Seitdem Prof. Volker Grabowsky im Jahr 1999 dort seine Professur antrat, gibt es dieses in Deutschland seltene Angebot. "Eine Sprache begreifst Du aber am ehesten da, wo sie alltäglich gesprochen wird", so Tappe, der an der Universität in Vientiane weiter Vokabeln lernte und an deren Aussprache feilte.

Die Religion ist tief verwurzelt

Las Oliver Tappe etwas über den Kampf der Laoten gegen die französische Kolonialmacht und gegen die Amerikaner während des Vietnam-Krieges, stieß er immer wieder auf den Namen Kayson Phomvihan. Dieser ist eine zentrale Gestalt in der Geschichte von Laos. Er war jahrzehntelang Parteiführer und Regierungsoberhaupt. "Doch er versuchte den Buddhismus aus den Köpfen der Menschen zu verbannen", berichtet Tappe aus seinen Untersuchungen. Wer schon einmal in Laos war, hat gesehen, dass Phomvihan damit keinen Erfolg hatte. Die Religion ist sehr stark in der Gesellschaft verankert. "Das musste auch die Partei einsehen. Sie suchte nach einer neuen Vorbildfigur und wandelte somit das Geschichtsbild", verrät der Doktorand eine seiner zentralen Thesen. Anhand von Straßennamen, Plakaten, Denkmälern und Museen zeigt er auf, wie der Staat heute seine Vergangenheit präsentiert. Er stellte fest, dass aktuell weniger Kayson Phomvihan, sondern Fa Ngum als Volksheld verehrt wird. Dieser gründete im 14. Jahrhundert das erste laotische Königreich namens Lan Xang. "Die alten Chroniken sagen, dass Fa Ngum den Buddhismus ins Land gebracht hat, was ihm heute noch viel Anerkennung in der Bevölkerung einbringt" so Tappe. Beispielhaft ist, was sich Anfang Juni in Laos ereignete: Ein Bauer hatte eine Höhle mit über 200 Buddha-Figuren entdeckt. Seitdem pilgern tausende Menschen zu der heiligen Stätte nahe Thakekh, eine Stadt östlich von Vientiane. Mit Räucherstäbchen, Blumen und Duftwasser preisen sie den Buddhismus. "Das zeigt, dass die Religion noch immer eine bedeutende Rolle im Denken und Handeln der Menschen spielt", ist Tappe überzeugt. Ein beeindruckendes Bild von der laotischen Geschichte bekommen Touristen und Wissenschaftler auch im Norden der Republik. Dort führen alle Wege über Luang Prabang. Die Tempelstadt gehört zu den schönsten Südostasiens. Rund 60 religiöse Bauwerke zieren das Weltkulturerbe der UNESCO. Auch Tappe und seine Freundin besuchten die 40.000-Einwohner-Stadt am Mekong.



Tief in den Bergen von Laos versteckt liegt die alte Königsstadt Luang Prabang, die sich zu einem Touristenmagneten entwickelt.

Foto: Michael Billig

Mit der Borussia voll im Trend

Wenn man Oliver Tappe in Vientiane über den Weg lief, traf man ihn häufig in einem Fußballtrikot von Borussia Mönchgladbach an. "Das ist locker und luftig", begründet er seine Mode. Damit war er im Trend. Denn viele, vor allem junge Laoten tragen bei den Temperaturen um die 35 Grad Fußballtrikots. Allerdings bevorzugen sie englische Clubs. Die eigene Liga steht bei ihnen nicht so hoch im Kurs. "Alle Mannschaften kommen aus der Hauptstadt und spielen auf Kreisliga-Niveau", so Tappe, der ein großer Freund des runden Leders und Anhänger der „Fohlen" ist. Er ließ es sich auch nicht nehmen, das eine oder andere mal im Nationalstadion vorbeizuschauen. Für 2.000 Kip, rund 15 Cent, gab es jeden Sonntagnachmittag zwei aufeinander folgende Spiele zu sehen.

Natürlich hätte er auch selbst gern gekickt. In Münster hat er bei der zweiten Mannschaft von St. Mauritz gestürmt. In Vientiane wollte er sich jedoch auf seine Doktorarbeit konzentrieren: "Das Risiko einer Verletzung war mir zu groß". Schon beim Phi Mai, dem dreitägigen Neujahrsfest Mitte April, setzte ihn ein Verkehrsunfall außer Gefecht. "Wenn Laoten das neue Jahr feierlich begrüßen, fließt jede Menge Reisschnaps und Bier Lao", erzählt Tappe, der hier und da auch mal gekostet hat. "Keiner denkt daran, deswegen sein Moped stehen zu lassen." Unfälle sind keine Seltenheit. In solchen Situationen ist es üblich, die Schuld- und Kostenfrage ohne die Polizei zu lösen. Der bürokratische und finanzielle Aufwand ist sonst zu groß. Trotzdem registrierte die Staatsgewalt während der Neujahrsfesttage über 300 Unfälle mit Verletzten und zwei Toten. Tappe, der von einem Moped vom Fahrrad geschleudert wurde, hatte Glück und kam mit ein paar leichten Blessuren davon. Seine Forschungsarbeit, die vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst gefördert wird, konnte er nach ein paar Genesungstagen fortsetzen. Dass er sich im letzten Monat seines Aufenthalts doch noch überreden ließ, für die Fußball-Mannschaft des Finanzministeriums in der zweiten Liga aufzulaufen, zeigt, wie sehr der Gladbacher nach dem beliebtesten Sport der Welt geschmachtet haben muss.



Die Schonheit des Landes fasziniert Tappe ebenso wie die fremdartige Kultur.

Foto: Michael Billig


Vor drei Jahren war Oliver Tappe schon einmal in Laos. Damals absolvierte er ein einmonatiges Praktikum im Vientianer Nationalmuseum. Seitdem weiß er nicht nur aus Seminaren und Vorlesungen über das Land zu berichten. Was für ihn im Rahmen seines Ethnologie- und Geschichtsstudiums anfangs bloße Theorie war, hat sich inzwischen zu einem bedeutenden Inhalt seines Daseins entwickelt. "Ich könnte mir vorstellen, in Laos zu leben", sagt er und ergänzt: "Falls alle Stricke reißen." Damit meint Tappe, dass er später am liebsten als Hochschullehrer an einer deutschen Universität arbeiten möchte. Wenn das doch nicht klappen sollte, kehrt er womöglich wieder nach Laos zurück. "Hier kann ich problemlos einen Job als Englisch-Lehrer oder bei einer Hilfsorganisation finden."

Inzwischen ist Oliver Tappe wieder in heimischen Gefilden. "Rechtzeitig zur Einweihung des neuen Stadions und zur Saisoneröffnung war ich in Gladbach", so Tappe. Seine Doktorarbeit ist längst nicht abgeschlossen. Ein halbes Jahr, schätzt er, muss er dafür noch investieren. Wie es danach weiter geht und ob er in Deutschland bleibt, ist offen. Gewiss hängt seine Zukunft nicht vom Spiel mit dem runden Leder ab. Es sei denn, Tappe wird einmal Trainer der laotischen Fußball-Nationalmannschaft.

Michael Billig