Fußballspaß und Hopfensaft auf Laotisch
![]() Nicht nur Geschichte und Fußballkultur, sondern auch den heitmischen Hopfensaft untersuchte Oliver Tappe in Laos Foto: Michael Billig |
"Ich will herausfinden, wie sich die Geschichte im Alltag der Menschen
widerspiegelt", beschreibt Tappe das Ziel seiner Untersuchung. Dazu
bediente er sich neben der Literaturrecherche vor allem der Methode des
Interviews. Er sprach mit offiziellen Vertretern von der Laotischen
Revolutionären Volkspartei, buddhistischen Mönchen, Studenten, Bauern
und Leuten, die ihm zufällig auf der Straße in Vientiane begegneten.
Dass die wenigstens von ihnen des Englischen mächtig waren, stellte
kein Problem dar. Schon in Münster interessierte sich der
Nachwuchswissenschaftler für laotische Sprache und nahm am Institut für
Ethnologie an entsprechenden Kursen teil. Seitdem Prof. Volker
Grabowsky im Jahr 1999 dort seine Professur antrat, gibt es dieses in
Deutschland seltene Angebot. "Eine Sprache begreifst Du aber am ehesten
da, wo sie alltäglich gesprochen wird", so Tappe, der an der
Universität in Vientiane weiter Vokabeln lernte und an deren Aussprache
feilte.
Die Religion ist tief verwurzelt
Las Oliver Tappe etwas über den Kampf der Laoten gegen die französische
Kolonialmacht und gegen die Amerikaner während des Vietnam-Krieges,
stieß er immer wieder auf den Namen Kayson Phomvihan. Dieser ist eine
zentrale Gestalt in der Geschichte von Laos. Er war jahrzehntelang
Parteiführer und Regierungsoberhaupt. "Doch er versuchte den Buddhismus
aus den Köpfen der Menschen zu verbannen", berichtet Tappe aus seinen
Untersuchungen. Wer schon einmal in Laos war, hat gesehen, dass
Phomvihan damit keinen Erfolg hatte. Die Religion ist sehr stark in der
Gesellschaft verankert. "Das musste auch die Partei einsehen. Sie
suchte nach einer neuen Vorbildfigur und wandelte somit das
Geschichtsbild", verrät der Doktorand eine seiner zentralen Thesen.
Anhand von Straßennamen, Plakaten, Denkmälern und Museen zeigt er auf,
wie der Staat heute seine Vergangenheit präsentiert. Er stellte fest,
dass aktuell weniger Kayson Phomvihan, sondern Fa Ngum als Volksheld
verehrt wird. Dieser gründete im 14. Jahrhundert das erste laotische
Königreich namens Lan Xang. "Die alten Chroniken sagen, dass Fa Ngum
den Buddhismus ins Land gebracht hat, was ihm heute noch viel
Anerkennung in der Bevölkerung einbringt" so Tappe. Beispielhaft ist,
was sich Anfang Juni in Laos ereignete: Ein Bauer hatte eine Höhle mit
über 200 Buddha-Figuren entdeckt. Seitdem pilgern tausende Menschen zu
der heiligen Stätte nahe Thakekh, eine Stadt östlich von Vientiane. Mit
Räucherstäbchen, Blumen und Duftwasser preisen sie den Buddhismus. "Das
zeigt, dass die Religion noch immer eine bedeutende Rolle im Denken und
Handeln der Menschen spielt", ist Tappe überzeugt. Ein beeindruckendes
Bild von der laotischen Geschichte bekommen Touristen und
Wissenschaftler auch im Norden der Republik. Dort führen alle Wege über
Luang Prabang. Die Tempelstadt gehört zu den schönsten Südostasiens.
Rund 60 religiöse Bauwerke zieren das Weltkulturerbe der UNESCO. Auch
Tappe und seine Freundin besuchten die 40.000-Einwohner-Stadt am Mekong.

Tief in den Bergen von Laos versteckt liegt die alte Königsstadt Luang Prabang, die sich zu einem Touristenmagneten entwickelt.
Foto: Michael Billig
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Tief in den Bergen von Laos versteckt liegt die alte Königsstadt Luang Prabang, die sich zu einem Touristenmagneten entwickelt. Foto: Michael Billig |
Mit der Borussia voll im Trend
Wenn man Oliver Tappe in Vientiane über den Weg lief, traf man ihn häufig in einem Fußballtrikot von Borussia Mönchgladbach an. "Das ist locker und luftig", begründet er seine Mode. Damit war er im Trend. Denn viele, vor allem junge Laoten tragen bei den Temperaturen um die 35 Grad Fußballtrikots. Allerdings bevorzugen sie englische Clubs. Die eigene Liga steht bei ihnen nicht so hoch im Kurs. "Alle Mannschaften kommen aus der Hauptstadt und spielen auf Kreisliga-Niveau", so Tappe, der ein großer Freund des runden Leders und Anhänger der „Fohlen" ist. Er ließ es sich auch nicht nehmen, das eine oder andere mal im Nationalstadion vorbeizuschauen. Für 2.000 Kip, rund 15 Cent, gab es jeden Sonntagnachmittag zwei aufeinander folgende Spiele zu sehen.
Natürlich hätte er auch selbst gern gekickt. In Münster hat er bei der zweiten Mannschaft von St. Mauritz gestürmt. In Vientiane wollte er sich jedoch auf seine Doktorarbeit konzentrieren: "Das Risiko einer Verletzung war mir zu groß". Schon beim Phi Mai, dem dreitägigen Neujahrsfest Mitte April, setzte ihn ein Verkehrsunfall außer Gefecht. "Wenn Laoten das neue Jahr feierlich begrüßen, fließt jede Menge Reisschnaps und Bier Lao", erzählt Tappe, der hier und da auch mal gekostet hat. "Keiner denkt daran, deswegen sein Moped stehen zu lassen." Unfälle sind keine Seltenheit. In solchen Situationen ist es üblich, die Schuld- und Kostenfrage ohne die Polizei zu lösen. Der bürokratische und finanzielle Aufwand ist sonst zu groß. Trotzdem registrierte die Staatsgewalt während der Neujahrsfesttage über 300 Unfälle mit Verletzten und zwei Toten. Tappe, der von einem Moped vom Fahrrad geschleudert wurde, hatte Glück und kam mit ein paar leichten Blessuren davon. Seine Forschungsarbeit, die vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst gefördert wird, konnte er nach ein paar Genesungstagen fortsetzen. Dass er sich im letzten Monat seines Aufenthalts doch noch überreden ließ, für die Fußball-Mannschaft des Finanzministeriums in der zweiten Liga aufzulaufen, zeigt, wie sehr der Gladbacher nach dem beliebtesten Sport der Welt geschmachtet haben muss.
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Die Schonheit des Landes fasziniert Tappe ebenso wie die fremdartige Kultur. Foto: Michael Billig |
Inzwischen ist Oliver Tappe wieder in heimischen Gefilden. "Rechtzeitig
zur Einweihung des neuen Stadions und zur Saisoneröffnung war ich in
Gladbach", so Tappe. Seine Doktorarbeit ist längst nicht abgeschlossen.
Ein halbes Jahr, schätzt er, muss er dafür noch investieren. Wie es
danach weiter geht und ob er in Deutschland bleibt, ist offen. Gewiss
hängt seine Zukunft nicht vom Spiel mit dem runden Leder ab. Es sei
denn, Tappe wird einmal Trainer der laotischen
Fußball-Nationalmannschaft.
Michael Billig