Bakterien liefern abbaubare Kunststoffe
Mikrobiologen erforschen Ralstonia eutropha
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Auf der Suche nach neuen Kunststoffen ist Prof. Wolfgang Steinbüchel vom Institut für Mikrobiologie und Biotechnologie Foto: ns |
PHB sei chemischem Kunststoffen wie Polypropylen oder Polyethylen sehr ähnlich, meint der Professor: „Alle drei sind Polyester.“ Er zeigt eine Shampooflasche, die aus PHB besteht. Sie ist ein bisschen gelblich, ansonsten aber kaum von einer herkömmlichen Plastikflasche zu unterscheiden. „Synthetische Kunststoffe sind biologisch meist nicht abbaubar. Außerdem sind sie begrenzt, da sie aus fossilen Rohstoffen wie Erdöl oder Erdgas gebildet werden“, so Steinbüchel. PHB dagegen sei nahezu unerschöpflich und würde innerhalb der normalen Kompostierzeit von 16 Wochen vollständig abgebaut.
Verpackungen aus PHB könnten also getrost in den Biomüll geworfen werden. Hört sich gut an, der biologische Kunststoff hat gegenüber chemischen Kunststoffen bislang aber einen entscheidenden Nachteil. „Die Produktion ist zu teuer“, bringt Steinbüchel das Problem auf den Punkt. Um den Stoff billiger herzustellen, versucht seine Arbeitsgruppe möglichst viele Informationen über R. eutropha und den Produktionsprozess von PHB zu sammeln. Dazu soll die Erbinformation des Bakteriums entschlüsselt werden. Und zwar in zweierlei Weise: Zum einen soll das Genom sequenziert, also die Reihenfolge der Basenpaare der DNA bestimmt werden. Andererseits soll auch eine Annotierung der Gene erfolgen. Einzelne Gene sollen auf der DNA identifiziert werden und hinsichtlich ihrer Funktion untersucht werden.
„Dieser Schritt ist besonders entscheidend“, meint der Professor. Das Genom von R. eutropha sei mit 750000 Basenpaaren ungefähr doppelt so groß wie das Genom von E. coli, dem am besten untersuchten Bakterium. „Wo auf diesem riesigen Genom nun tatsächlich die Gene liegen, die an der Herstellung von PHB beteiligt sind, ist eine kniffelige Frage“, sagt er. Bereits seit drei Jahren beschäftigt sich seine Arbeitsgruppe mit der Untersuchung des Bakteriums. Sie beteiligt sich an der Forschungsinitiative „GenoMik – Genomforschung an Mikroorganismen“ des Bundesforschungsministeriums. Bundesweit untersuchen rund 70 Forschergruppen aus Akademie und Industrie die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Bakterien für Umwelt, Landwirtschaft, chemische Industrie, Biotechnologie und Medizin.
Die Erforschung von R. eutropha läuft in Kooperation mit den Universitäten Berlin und Göttingen. Die Initiative geht bis zum Sommer 2006 in eine zweite Förderphase. Inzwischen hat die Arbeitsgruppe um Prof. Steinbüchel das Genom von R. eutropha vollständig sequenziert und die an der PHB-Produktion beteiligten Gene weitestgehend identifiziert. „Der Kunststoff wird in drei Schritten produziert, drei verschiedene Enzyme katalysieren seine Synthese", erklärt der Professor. Diese Enzyme seien relativ unspezifisch und könnten auch dazu benutzt werden, um andere biologisch abbaubare Polyester wie zum Beispiel die besonders harte Poly-3-mercaptopropoinsäure oder die gummiartige Poly-3-hydroxyoctansäure herzustellen.
„Mithilfe der Erkenntnisse über die Erbinformation von R. eutropha versuchen wir jetzt, Bakterienstämme zu züchten, die PHB effektiver und billiger produzieren“, so Steinbüchel. Und wieder erstaunt das Bakterium durch seine Vielseitigkeit. Es benötigt lediglich Kohlenstoffdioxid, Sauerstoff und Wasserstoff, um den Kunststoff herzustellen. „Kohlenstoffdioxid gibt es ohnehin in Massen und Wasser kann durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden“, sagt Steinbüchel. Der für die Elektrolyse notwendige Strom könne zum Beispiel aus geothermalen Energiequellen gewonnen werden. Die Arbeitsgruppe steht hierzu in Verbindung mit der isländischen Firma „Prokarya“.
In großen Metallkammern – so genannten Bioreaktoren – züchten die Mikrobiologen die Bakterien. Aus einer Bakterienkultur, die ein Kilogramm wiegt, gewinnen sie auf diese Weise innerhalb von zwei bis drei Tagen immerhin 800 Gramm PHB. „Die Bakterien sind randvoll mit dem Speicherstoff gefüllt“, sagt Steinbüchel. Wie elektronenmikroskopische Aufnahmen der Bakterienzellen zeigen, wird das PHB in mehreren Körnchen, so genannten Grana, gespeichert. Spezielle Hüllproteine – die Phasine – halten die Grana zusammen, erklärt der Professor: „Ohne Phasine liegt nur ein einziges PHB-Granulum vor.“ Somit könnten sie durch eine bestimmte Dosierung der Phasine Kunststoffpartikel von definierter Größe herstellen.
Biologisch abbaubare Verpackungen, resorbierbare Membranen für Operationswunden oder auch Nanopartikel, die als Träger für Hormone oder Antigene dienen – die Einsatzmöglichkeiten sind vielseitig. Eine Bakterienzucht im großen Stil ist allerdings nicht das Ziel der Forscher. Um die Produktion noch billiger zu gestalten, möchten sie die für die PHB-Produktion notwendigen Gene aus den Bakterien isolieren und in das Genom von Pflanzen einsetzen. „Zum Beispiel in Kartoffeln oder in Rapspflanzen“, sagt Steinbüchel lächelnd, aber keinesfalls ironisch. „Biologisch abbaubare Kunststoffe sind durchaus zukunftsweisend. Fossile Rohstoffe werden schließlich immer knapper“, betont er.
ns