Erzählungen für Erwachsene

Ausstellung in der Universitäts- und Landesbibliothek zu "1001 Nacht" in Europa

[Märchenwesen]
Die orientalischen Märchenwesen aus "1001 Nacht" sind inzwischen europäisches Volksgut.
   
Die Erzählungen und Märchen aus "1001 Nacht" begeistern seit Generationen die europäischen Kinder. Doch die bis heute bekannten Geschichten aus Kinder- und Jugendbüchern haben wenig mit dem arabischen Vorbild gemeinsam. Vor dreihundert Jahren wurde der Kanon von Antoine Galland unter dem Titel "Mille et une Nuit" zum ersten Mal in eine uropäische Sprache übersetzt. Aus diesem Anlass zeigt die Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) zusammen mit dem Institut für Arabistik und Islamwissenschaft vom 2. zum 21. Februar im Lesesaal der ULB die Ausstellung "300 Jahre 1001 Nacht in Europa". Konzipiert wurde sie von Prof. Heinz Grotzfeld und Dr. Anke Osigus.

Durch Gallands "Mille et une Nuit" entdeckte Europa die Sammlung, womit eine bis heute andauernde Rezeption eingeleitet wurde. Gallands Werk ist jedoch nur zu einem Teil die "Übersetzung" einer schriftlichen arabischen Vorlage. Mehr als ein Drittel der Geschichten, darunter auch "Aladin und die Wunderlampe" oder "Ali Baba und die vierzig Räuber", beruhen auf einer mündlichen Quelle. Sie wurden Galland von dem Aleppiner Hanna Diâb erzählt. Europa bekam also von Anfang an eine eigene Rezension von "1001 Nacht" vermittelt, die sich nur zu einem Teil mit den in der arabischen Welt zirkulierenden Rezensionen deckte. Im Europa des 18. Jahrhunderts wusste man, dass man nicht über vollständige Handschriften verfügte und europäische Reisende und Forscher suchten eifrig nach vollständigen Exemplaren. Diese gelangten erst zwischen 1800 und 1810 aus Ägypten nach Europa. 1839 erschien eine englische Übersetzung, in der zwar auch "anstößige" Stellen gestrichen oder geändert worden waren, sonst aber neue Maßstäbe für die Wiedergabe eines arabischen Textes setzte. 1885 folgte eine englischsprachige Übertragung, die nicht nur die anstößigen Stellen wiedergibt, sondern auch deren literarische Qualitäten akzeptabel umsetzt.

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erkannten einzelne Arabisten, dass "1001 Nacht" in der arabischen Welt über Jahrhunderte hinweg stets in mehreren, mehr oder weniger voneinander abweichenden Rezensionen verbreitet war und es kein kanonisches Geschichtenrepertoire und keine kanonische Textform gibt. Beim großen Publikum ist diese Erkenntnis bis heute nicht angekommen. Denn auch die Bemühungen um den vollständigen oder richtigen Text und die seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts immer getreuer werdenden Übersetzungen in europäische Sprachen haben das verbreitete Bild von "1001 Nacht" kaum tangiert. Die Verfilmung der Stoffe hat dieses Bild nur noch verstärkt, das durch die Ausstellung in der ULB revidiert werden soll.

bn