Antragsteller: Can Ünlü, Fanny Mertens
Fachbereich, Studienrichtung: Philosophie
Projekttitel: Symposium zur Philosophie der Psychologie. Impulse zur Wiederbelebung eines interdisziplinären Dialogs
Fördersumme: 3.033,24 Euro
Kontakt: Fanny Mertens
Projektbeschreibung:
Für unser Symposion zur Philosophie der Psychologie haben wir in unserem Förderungsantrag Ziele auf zwei Ebenen formuliert: Inhaltlich betrachtet ging es uns darum, einen interdisziplinären Raum zu schaffen, in dem verschiedene Teildisziplinen der Fächer Philosophie und Psychologie drei zentrale Themen diskutieren können: Zum einen sollte das empirische Paradigma, das derzeit die akademische Psychologie dominiert, kritisch und mit Bezug auf seine gesellschaftliche Verankerung reflektiert werden. Zweitens sollten zentrale Begriffe der klinischen Psychologie auf ihre historische und gesellschaftliche Genese hin untersucht werden. Drittens wollten wir den aktuellen Status der Neuropsychologie innerhalb der Psychologie und der Gesellschaft behandeln. Die Behandlung der Themen hat sich unseres Erachtens dank der äußerst wertvollen Beiträge der angereisten Referent*innen und der engagierten Teilnahme Studierender und Promovierender der Psychologie, Philosophie und assoziierter Fächer auf einem differenzierten Niveau vollzogen. Insbesondere die Vielzahl geisteswissenschaftlicher Perspektiven (Literaturwissenschaft, Kritische Theorie, Wissenschaftstheorie, Phänomenologie) war dabei beachtlich und wertvoll. So konnten z.B. die literarisch geprägte Entstehungsgeschichte der Hysterie, die medizinhistorische Entwicklung der klinischen Psychologie oder die Rolle der Psychotherapie als Stärkung individueller Potenziale des Umgangs mit einer strukturell-gesellschaftlich verursachten psychischen Überforderung eingehend beleuchtet werden. In der Diskussion der drei Themenbereiche – und insbesondere in der Auseinandersetzung mit dem empirischen Paradigma – kam es mitunter zu Kontroversen: So diskutierten wir die empiristische Position, dass eine quantitative Operationalisierung psychischer Größen wie dem Gedächtnis eine sinnvolle bzw. sogar die einzige Möglichkeit sei, zu Erkenntnissen über die Psyche zu kommen. Die Entgegnungen von geisteswissenschaftlicher Seite führten die Einseitigkeit einer ausschließlich naturwissenschaftlichen Methode zur Erforschung der Psyche an, Wissenschaft werde bei einem solchen Vorgehen schnell mit Naturwissenschaft gleichgesetzt; dies entspreche zugleich dem ökonomisch und somit quantitativ geprägten Zeitgeist. Kultur- und sozialwissenschaftliche Zugänge zum Gegenstand Psyche, die diesen als eingebettet in kulturelle, historische und gesellschaftliche Bezüge erachten, so das Argument, würden damit vernachlässigt. So konnten wir, wie erhofft, Metareflexionen der Psychologie auf ihre Methode und ihre Begriffe hin anregen. Wir empfanden es als großen Erfolg, dass unser Symposion einen ersten Raum für manche der wissenschaftlichen Konflikte bieten konnte, die wichtige wissenschaftstheoretische Grundsätze der Psychologie berühren und für deren interdisziplinäre Austragung es unserer Beobachtung nach derzeit zu wenige Möglichkeiten gibt.
Etwas weniger zufriedenstellend gestaltet sich unser Fazit bezüglich unseres zweiten Ziels, das die institutionelle Ebene der Psychologie in Münster betraf: Wir wollten mit unserer Veranstaltung einen ersten Impuls für die Wiederbelebung des akademischen Austauschs von Psychologie und Philosophie in Münster leisten. Damit wollten wir insbesondere mit Blick auf die Gestaltung der psychologischen Forschung und Lehre in Münster darauf hinweisen, dass aus Sicht vieler Studierender die geistes- und kulturwissenschaftliche Komponente der Psychologie in ihrem Studium zu wenig thematisiert wird. Um die Relevanz geisteswissenschaftlicher Methodik und Fragestellungen (Gesellschaftsanalyse, Begriffs-, Ideen- und Wissenschaftsgeschichte etc.) für die Psychologie in den Fokus zu rücken, war es unsere Absicht, möglichst viele Forschende, Lehrende und Studierende der Psychologie aus Münster in das Symposion zu involvieren. Dies gelang nur in Ansätzen: Lediglich ein Referent auf dem Symposion – und damit umso wertvoller für uns – vertrat die empirisch-positivistische Position, gemäß der gültige Erkenntnisse über die Psyche nur mithilfe quantitativ-empirischer Methoden erlangt werden können. Das psychologische Institut Münster, wo derzeit vornehmlich gemäß dieser Position geforscht wird, war trotz zahlreicher Kontaktversuche unsererseits lediglich von studentischer Seite repräsentiert. Dies ist unserer Ansicht nach möglicherweise ein Symptom des derzeitigen Mangels an Anknüpfungspunkten, vielleicht sogar an Interesse der Psychologie gegenüber den Geisteswissenschaften und bekräftigt zugleich umso deutlicher die Relevanz von interdisziplinären Projekten wie diesem. In unserem Austausch mit den Lehrenden der Psychologie in Münster wurde unser Engagement zwar gewürdigt; jedoch entstand bei uns der Eindruck, dass viele Forschende die Teilnahme an dem Symposion deshalb nicht priorisierten, weil ihnen der Wert der Philosophie für ihr Fach nicht unmittelbar einleuchtet. Dies spricht dafür, die Wichtigkeit philosophischer Methoden und Fragestellungen für eine selbstreflektierte und methodisch wie inhaltlich ausdifferenzierte akademische Psychologie auch weiterhin verstärkt zu thematisieren. Nicht zuletzt scheinen auch die Rückmeldungen der Psychologie Studierenden selbst dafür zu plädieren. So wiesen die meisten darauf hin, dass die Teilnahme am Symposion ihnen neue spannende Perspektiven auf ihr eigenes Fach eröffnet hätte; gleichzeitig gab es aber auch einige, die ob der ihnen neuen unbekannten Themen oder des geisteswissenschaftlichen Sprachgebrauchs mitteilten, Schwierigkeiten im Folgen einiger Diskussionen zu haben. Für uns besonders spannend war dabei die Rückmeldung von Herrn Prof. Hartmann (selbst studierter Philosoph und Psychologe), der von ähnlichen Erfahrungen berichten konnte – die nunmehr 30 Jahre zurücklägen. Gerade dies bekräftigte uns daher auch, im Anschluss an das Symposion weitere interdisziplinäre Projekte zu verfolgen. Genannt seien hier exemplarisch zum einen der bereits existierende Arbeitskreis zur Philosophie der Psychologie als auch die Idee, am psychologischen Institut in Münster Blockseminare anzubieten.