Auf den Spuren von Alexander Fleming
Es gibt Gespräche, die brauchen viel Führung, Fragen und Anschübe. Und es gibt Gespräche, die von einem Enthusiasmus und einer Gradlinigkeit des Gegenübers geprägt sind, dass es als Fragensteller reicht, aufmerksam zuzuhören und in eine neue, bisweilen fremde Welt einzutauchen. Für ein solches Gespräch sorgt Dr. Ivan Berg, Professor im Institut für Molekulare Mikrobiologie und Biotechnologie an der Universität Münster – er weiß genau, was jemanden interessiert, der ein Porträt über ihn schreiben möchte: Herkunft, beruflicher Werdegang, Arbeitsschwerpunkte, Persönliches.
Ohne Umschweife thematisiert er etwas Offensichtliches: seinen Akzent. Wenn das hörende Ohr vermutet, dass Ivan Berg aus Russland stammt, dann hat es Recht. Geboren wurde er im Jahr 1975 in der Hauptstadt Moskau. Sein beruflicher Werdegang ist mit seiner Herkunft eng verknüpft: Ivan Berg war etwa 13 Jahre alt, als er erkannte, was er werden will – Mikrobiologe. In diesem Alter bekam er ein Buch über Alexander Fleming, den Entdecker des Penicillins, in die Hand und war begeistert. Fortan nahm er an einer Schul-AG teil, in der er Bakterien züchtete. „Jeden Samstag habe ich mit Begeisterung geschaut, ob etwas in den Petrischalen gewachsen ist“, erklärt er.
Fast 30 Jahre lang war die Zwölf-Millionen-Einwohner-Metropole Ivan Bergs Lebensmittelpunkt: Kindheit, Studium, Promotion und wissenschaftliche Mitarbeit sind mit der Stadt verbunden. 2007 ging es gen Westen, konkret nach Freiburg im Breisgau. „In Moskau bin ich mit meiner Forschung an Grenzen gestoßen. Also habe ich mich bei Prof. Dr. Georg Fuchs in Freiburg beworben und eine erfolgreiche, in wissenschaftlicher Hinsicht sogar romantische Zeit begonnen.“ Unterstützt durch den Mikrobiologen Georg Fuchs, forcierte Ivan Berg eine Wissenschaftskarriere in Deutschland. Von 2011 bis 2016 erhielt er ein Heisenberg-Stipendium, das ihm den Übergang von der Postdoc-Stelle zur eigenen Professur ermöglichte. Letztere trat er am 1. Oktober 2016 in Münster an.
Der berufliche Erfolg, der sich spätestens in Freiburg einstellte, begleitet Ivan Berg auch in Münster. Als Spezialist für Stoffwechselwege forscht er dazu, unter welchen Bedingungen und unter Nutzung welcher Prozesse ein Organismus Kohlenstoff verarbeitet. Dabei geht es Ivan Berg darum, erstens ein Problem zu erkennen, zweitens das Problem als solches zu bestätigen und es drittens zu lösen. Das ist auch das Ziel des Projekts „Archean Park“, der jüngsten Erfolgsmeldung des Biologen. Ivan Berg und drei Kollegen aus Bremen, Potsdam und Duisburg-Essen haben im Oktober den mit 11,5 Millionen Euro ausgestatten „ERC Synergy Grant“ erhalten. Im sechs Jahre laufenden Projekt wollen die Forscher das Leben unter ursprünglichen Bedingungen, wie sie vor vier bis zweieinhalb Milliarden Jahren auf der Erde herrschten, untersuchen und danach fragen, welche Rolle eine hohe Kohlenstoffdioxidkonzentration für den Stoffwechsel von Mikroorganismen spielte. Ivan Berg ist überzeugt vom Vorhaben. „Ein besseres Team als unseres gibt es nicht, jeder ist weltweit der Beste auf seinem Gebiet.“
Ivan Berg ist anzusehen, wie stolz und glücklich er über den Grant ist. Freudig zeigt er ein alkoholisches Kaltgetränk, angereichert mit dem Mikroorganismus Hefe, das zufällig den Namen „Berg“ trägt und zur Feier des Grants besorgt wurde. Doch ihn treibt etwas anderes an. „Ein Grant ist etwas Formales. Größere Freude bereitet es mir, wenn ich etwas Neues entdecke und sich eine meiner Hypothesen als richtig erweist“, betont er.
Die große Begeisterung, mit der Ivan Berg von seiner Arbeit spricht, lässt fast vergessen, dass er mehr ist als nur Wissenschaftler. Seine beiden achtjährigen Zwillingskinder helfen ihm mit großem Erfolg dabei, die Mikrobiologie zumindest stundenweise zu vergessen. „Es macht Spaß, den Kindern beim Wachsen zuzusehen und mich durch ihre Veränderungen selbst zu verändern.“ Der schöne Satz von Ivan Berg, wonach man die Wissenschaft nicht aus dem Kopf nehmen könne, zeigt aber, dass die Arbeit für ihn nicht an der Institutstür endet und er jeden Tag den Traum seines 13-jährigen Ich lebt.
André Bednarz
Dieser Beitrag stammt aus der Broschüre „Zwölf Monate, zwölf Menschen“, erschienen im Februar 2024.
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