Projekt:
"Religion und Politik - der Umgang mit Friedhöfen, Gotteshäusern und religiösen Gedenkstätten in Zypern"
Obwohl die politischen Auswirkungen des Zypern-Konflikts bereits zahlreiche Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen zu ausgiebigen Forschungen animiert haben, ist ein spezieller Aspekt dieser Auseinandersetzung, der nach der unmittelbar nach Teilung der Insel 1974 erstmals deutlich hervortrat, in der wissenschaftlichen Forschung meist nur am Rande bzw. in höchst tendenziellen Schriften behandelt worden: Die Auswirkung der Politik auf das kulturelle und religiöse Erbe der beiden Volksgruppen der Insel (Griechen/Türken), insbesondere auf die Bestattungskultur und die Totenehrung.
Vor diesem Hintergrund wurde im März/April 2015 mit dem Pilotprojekt begonnen. Ziel war es, festzustellen, wie die türkische und die griechische Volksgruppe mit dem religiösen Erbe der jeweils anderen Volksgruppe in den von ihnen kontrollierten Gebieten umgeht.
Die ersten Ergebnisse wurden im Juni 2015 auf der internationalen Konferenz mit dem Titel „Das Mittelmeer und der Tod - Mediterrane Mobilität und Sepulkralkultur“ in Bochum präsentiert und liegen in gedruckter Form im 2016 veröffentlichten Konferenzband vor: "Zwischen Politik und Religion – Der Umgang mit den griechischen und muslimischen Grabstätten Zyperns nach der gewaltsamen Teilung der Insel 1974“, in: A. Berner, J.-M. Henke, A. Lichtenberger, B. Morstadt, A. Riedel (eds.), Das Mittelmeer und der Tod - Mediterrane Mobilität und Sepulkralkultur, 2016, pp. 269-295.
Kurzdarstellung des Teilprojekts 1:
Im Rahmen des Teilprojekts 1 soll Grundlagenforschung sowohl in dem von der Türkei besetzten Norden der Insel als auch in dem von der international anerkannten Regierung der Republik Zypern kontrollierten Süden betrieben werden. In einem ersten Schritt wird eine möglichst breite Bestandsaufnahme der Friedhöfe und Gotteshäuser der jeweils vertriebenen Volksgruppe im Norden und Süden der Insel durchgeführt; außerdem wird der Kontakt zu Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen und zu Initiatoren von bikommunalen Arbeitsgruppen gesucht, die sich mit Fragestellungen des kulturellen/ religiösen Erbes der Insel Zypern befassen.
Darüber hinaus werden auch rechtliche Grundlagen, d.h. internationale und nationale Vorgaben zum Umgang und Erhalt des kulturellen Erbes sowie Aktivitäten die von internationaler Seite zum Schutz des kulturellen und religiösen Erbes eruiert. Auch das Potenzial der vorhandenen zyprischen Archive bezüglich dieses Themenbereichs wird in weiteren Schritten untersucht.
Die Durchführung des ersten Forschungsaufenthaltes auf Zypern im Rahmen des Teilprojekts 1 im Oktober/November 2015 wurde durch die Unterstützung der Franz-und-Eva-Rutzen-Stiftung ermöglicht.
Im Jahr 2016 erfolgten weitere Forschungsaufenthalte. Hierdurch konnte in der ersten Phase des Teilprojekts bereits eine umfangreiche Dokumentation zum Zustand der religiösen Stätten der jeweils "anderen" erstellt werden. Unter anderem konnten bisher mehr als 35 Dörfer und Städte im von der Türkei besetzten Norden der Insel besucht und der Zustand der griechisch-orthodoxen Friedhöfe und Kirchen dokumentiert werden. Im Süden der Insel konnte bisher in mehr als 40 Dörfern der Zustand der religiösen Stätten der türkischen Zyprioten dokumentiert werden.
Im März 2017 konnten erste wichtige Ergebnisse und Erkenntnisse des Teilprojektes im Rahmen der internationalen Konferenz mit dem Titel “When the cemetery becomes political – dealing with the religious heritage in multi-ethnic regions: Cyprus, Lebanon, the Balkans ... ” in Münster präsentiert und diskutiert werden (Details zu dieser Konferenz finden sich oben auf dieser Seite). Es ist geplant, die Ergebnisse der Konferenz in der Schriftenreihe des Zypern-Instituts zu veröffentlichen.
Im Mai/Juni 2017 standen bei einem weiteren Arbeitsaufenthalt die Ergänzung der bisherigen Dokumentation, Archivbesuche und Diskussionen mit Forschern aus Zypern im Mittelpunkt.
Im November/Dezember 2017 wurden gemeinsam mit zypriotischen Wissenschaftlern weitere Feldforschungen in beiden Teilen der Insel durchgeführt. Außerdem wurden mit verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen Möglichkeiten zur Zusammenarbeit und Kooperation bei zukünftigen Teilprojekten erörtert (u.a. mit Vertretern der University of Nicosia).
Am 16. März 2018 veranstaltete das Zypern-Institut in Kooperation mit der Friedrich Ebert Stiftung (Büro Zypern) und dem Department of Governance and Politics der University of Nicosia eine internationale Konferenz in Nikosia (Zypern) mit dem Titel "When the Cemetery becomes political: Dealing with the religious heritage in Cyprus and its neighbouring countries" statt.
Im Rahmen des am Zypern-Institut angesiedelten Forschungsprojekts "Religion und Politik - der Umgang mit Friedhöfen, Gotteshäusern und religiösen Gedenkstätten in Zypern" wurde am 1. September 2018 mit einem neuen Teilprojekt begonnen, das planmäßig mit einer öffentlichen Präsentation der Ergebnisse am 2. Oktober 2019 im Fulbright Centre in Nikosia abgeschlossen wurde.
Ermöglicht wurde das neue Teilprojekt mit dem Arbeitstitel "The religious heritage of Cyprus: a survey in the districts of Kyrenia and Larnaca" durch eine Förderung des Außenministeriums der Niederlande. Zielsetzung war es, den Zustand des religiösen Erbes in zwei Distrikten der geteilten Mittelmeerinsel zu dokumentieren. Im Kyrenia-Distrikt im Norden der Insel wird der Schwerpunkt auf den griechisch-orthodoxen Gotteshäusern und Friedhöfen der griechischen Zyprioten liegen, die seit der Teilung der Insel de facto nur noch sehr eingeschränkt bzw. gar nicht mehr genutzt werden können. Im Larnaka-Distrikt stehen die religiösen Orte und Gebäude der islamisch geprägten türkischen Zyprioten im Mittelpunkt. Auch hier sorgte die Teilung der Insel dafür, dass diese Stätten fast im gesamten Distrikt nicht mehr genutzt werden.
Die gesamte Dokumentation ist hier abrufbar:
The religious heritage of Cyprus: a survey in the districts of Kyrenia and Larnaca by Thorsten Kruse (.pdf)
Bitte beachten Sie, dass die Datei eine Größe von ungefähr 150 MB hat!
Am 1. November 2019 veranstaltete das Zypern-Institut in Kooperation mit der Friedrich Ebert Stiftung (Büro Zypern) und dem Department of Governance and Politics der University of Nicosia eine internationale Konferenz in Nikosia (Zypern) mit dem Titel "Religion, Religious Spaces and Conflict: Cyprus, Lebanon, Bosnia"
Seit September 2020 führt Dr. Thorsten Kruse ein weiteres Teilprojekt des am Zypern-Institut angesiedelten Forschungsprojekts "Religion und Politik - der Umgang mit Friedhöfen, Gotteshäusern und religiösen Gedenkstätten in Zypern" aus. Das neue Projekt mit dem Arbeitstitel "The Religious Heritage in Cyprus – the City of Nicosia" wird in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung (Büro Zypern) durchgeführt.
Nach den interkommunalen Kämpfen in den 1950er und 1960er Jahren zwischen griechischen und türkischen Zyprioten im Bereich des Stadtgebietes von Nikosia wurden der nördliche und der südliche Teil der Hauptstadt Zyperns durch die sogenannte ‚Green Line‘ voneinander getrennt, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Dieser Prozess hatte zur Folge, dass es zu Bevölkerungswanderungen innerhalb des Stadtgebiets und den Vororten kam, an deren Ende eine starke ethnischen Trennung von türkischen und griechischen Zyprioten stand. Während die muslimisch geprägten türkischen Zyprioten in den nördlichen Stadtteile umsiedelten, verließen zahlreiche griechisch-orthodox geprägte Zyprioten ihre dortigen angestammten Viertel und suchten im südlichen Teil der Stadt Zuflucht. Die militärische Intervention der Türkei im Sommer 1974 die zur Teilung der gesamten Insel führte, manifestierte sich dieser Zustand.
Der Bevölkerungsaustausch hatte auch zur Folge, dass zahlreiche religiöse Stätten zurückgelassen werden mussten. Das Projekt zeichnet, die zum Teil Jahrhunderte alte Geschichte dieser zurückgelassen Orte nach und dokumentiert ihren heutigen Zustand. Mit ersten Resultaten ist Anfang 2021 zu rechnen.