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Linke politische Gewalt und die ‚Terrorist Constituency‘ in Westdeutschland 1969–1979

Eveliene Veen

Promovendin: Eveliene Veen
Universität: Universität Münster
Supervisors: Prof Dr. Jacco Pekelder ( Universiteit Münster), Dr. Harm Kaal (Radboud Universiteit) Dr. Joost Augusteijn (Universiteit Leiden)

In den letzten zwei Jahrzehnten hat das Interesse der Forschung an den Umfeldern gewalttätiger militanter Gruppen sowie an der Auffassung, dass terroristische Anschläge nicht nur der Schaffung von Angst dienen, sondern auch eine Form der Kommunikation mit ihrer (möglichen) ‚Constituency‘ darstellen – also mit den Teilen der Gesellschaft, für die diese Gruppen angeblich kämpfen und die als potenziell revolutionärer Teil der Gesellschaft betrachtet werden können, ohne den terroristische Organisationen nicht existieren könnten – zugenommen. Die Grundlagen dafür wurden in den 1990er Jahren von Donatella Della Porta und Peter Waldmann gelegt. Della Porta war die Erste, die darauf hinwies, dass politische Gewalt im weiteren Kontext der sozialen Bewegungen, aus denen sie hervorgeht, gesehen werden muss, während Waldmann zeigte, dass gewalttätige Militante mit ihren Taten nicht nur Angst verbreiten wollen, sondern auch mit einer möglichen Anhängerschaft kommunizieren.

Im Jahr 2019 bauten Prof. Dr.  Jacco Pekelder und Dr. Joost Augusteijn auf dieser Theorie auf, indem sie das Konzept der ‚Terrorist Constituency‘ weiterfassten und sich auf die Entwicklungen innerhalb dieser fokussierten. Um ein vollständiges Verständnis eines Konflikts zwischen Terroristen und Staat und vor allem des Lebenszyklus terroristischer Organisationen zu erlangen, argumentieren sie, sei es entscheidend, die Dynamiken innerhalb der breiteren ‚Constituency‘ besser zu verstehen. Indem ich die Debatten innerhalb der ‚Constituency‘ der westdeutschen linken militanten Gruppen der 1970er Jahre untersuche, möchte ich diesen Ansatz weiterverfolgen und folgende Frage beantworten: Inwiefern wurden die Handlungen und Absichten der linken militanten Gruppen in Westdeutschland in den 1970er Jahren durch die Debatten innerhalb ihrer ‚Constituency‘ beeinflusst?

Die Prämisse meines Forschungsprojekts ist, dass militante Gruppen eine gewisse Zustimmung oder Anerkennung von dem brauchen, was sie als ihre ‚Constituency‘ betrachten. Ohne diese Zustimmung hören sie auf zu existieren. Um diese Zustimmung zu erhalten, verfolgten die militanten Gruppen genau, was ihre ‚Constituency‘ über sie dachte, und passten von Zeit zu Zeit ihre Taktiken an. Obwohl die Umgebung militanter Gruppen zunehmend in den Fokus der Forschung gerückt ist, beschränken sich viele Untersuchungen auf das direkte Umfeld dieser Gruppen. In meinem Projekt werde ich das breitere Umfled betrachten, also den Teil, der nicht in direktem Kontakt mit den militanten Gruppen stand, aber durch seinen Diskurs dennoch Einfluss auf sie ausübte.

Um die Hauptfrage zu beantworten, werde ich eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Quellen verwenden. Durch Diskursanalysen und Process tracing werde ich versuchen, die Debatten innerhalb der ‚Constituency‘ zu rekonstruieren. Mein Ziel ist es, den sich entwickelnden Diskurs über den Einsatz von Gewalt innerhalb der ‚Constituency‘ aufzuzeigen und zu untersuchen, inwiefern dies die militanten Gruppen selbst beeinflusste. Für dieses Forschungsprojekt werde ich drei Case Studies zu verschiedenen Teilen der ‚Constituency‘ untersuchen.