Das Heeresverpflegungsamt

Der Silospeicher
Der Bodenspeicher
Die Heeresbäckerei

Heeresverpflegungsämter „haben neben der Beschaffung, der Lagerung und Bewirtschaftung des Futters für die Pferde auch das Brot für den Mann in eigenen Bäckereien herzustellen und das dazu nötige Brotgetreide zu beschaffen und in Privatmühlen vermahlen zu lassen. (Nur in Königsberg und Dresden haben die Verpflegungsämter selbst Mühlen.) Auch stellen sie die Fleisch- und Gemüsekonserven für die Ausstattung der Truppen im Kriegsfalle bereit.“*
Bei dem 1938/39 von der Wehrmacht errichteten Proviantamt in Münster handelte es sich verwaltungstechnisch um ein Heeresverpflegungshauptamt, d.h. der Münsteraner Anlage war im Vergleich zu einem Heeresverpflegungsamt ein eigener Ankaufsbezirk für Getreide zugewiesen. Ein Heeresverpflegungshauptamt wurde von einem Oberstabszahlmeister geleitet, sein Vertreter war ein Oberzahlmeister. Die Leiter der Anlage wohnten in Dienstwohnungen auf dem Gelände; in dem heutigen Gebäude „An den Speichern 2“.
Das nahezu vollständig erhaltene ehemalige Heeresverpflegungshauptamt besteht u. a. aus sieben Bodenspeichern, zwei Silospeichern und einer Heeresbäckerei. Hinzu kommen einige ehemalige Wohn-, Verwaltungs- und Betriebsgebäude (Kraftfahrzeughallen, Fahrzeugwaage, Lokschuppen). In seiner Größe ist die Verpflegungsanlage beispielsweise vergleichbar mit den Magazinen in Hamburg, Halle (Saale) und München. Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges wurde in diesen reichszentral geplanten und zeitgleich errichteten Reichstypenspeichern das Getreide für die Versorgung der Soldaten mit Brot gelagert. In der Heeresbäckerei wurde das so genannte Kommissbrot gebacken.
Die Speichergebäude der Heeresverpflegungsämter wurden nach einheitlichen und typisierten Bauplänen erstellt. Die Bauplätze für die Verpflegungsanlagen des Heeres wurden von den obersten Reichsbehörden nach strategischen und logistischen Gesichtspunkten ausgesucht und festgelegt. Die Nähe zu Wasserwegen, Eisenbahnlinien und Verkehrsknotenpunkten bestimmte die Standortwahl für die Speichergebäude. Die Wehrmacht baute somit zielgerichtet gegen Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts ihre eigene Infrastruktur auf.
Während des Zweiten Weltkrieges blieb das Heeresverpflegungshauptamt Münster nahezu unzerstört. Die Alliierten hatten kein Interesse daran, eine Infrastruktur zu zerstören, die im Falle eines für sie siegreichen Ausganges des Krieges für die Versorgung ihrer eigenen Soldaten in Frage kam. Nach dem Krieg nutzten die britischen Streitkräfte bis 1994 das ehemalige Heeresverpflegungsamt ebenfalls für Lagerzwecke. Während dieser Phase hieß das umfangreiche Gebäudeensemble Winterbourne Barracks.

*) Hermann Franke (Hrsg.): Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften, Zweiter Band, Das Heer, Berlin, Leipzig 1937, S. 281.


Die Speichergebäude und ihre Bautypen

Der Silospeicher

Man unterscheidet zwei Speichertypen, den Bodenspeicher und den Silospeicher, der auch Zellen- oder Schachtspeicher genannt wird. Die Höhe eines Silospeichers entspricht bis zur Traufe ca. 17 m, bis zum Giebel ca. 24 m. Die Breite liegt bei ca. 13 m. Die Länge des gesamten Zellenspeichergebäudes beträgt 57 m. Von diesen Maßen weicht ein Bodenspeicher, in dem das Schüttgut nicht in einzelnen Silozellen, sondern lose auf dem Boden gelagert wird, nur geringfügig ab. Er ist ca. 1,50 m niedriger, 13,50 m breit und 60 m lang. Er besteht aus einem um 1,20 m erhöhten Sockelgeschoss, dem Erdgeschoss und vier Obergeschossen. Zwischen Sockelgeschoss und Erdgeschoss befindet sich eine Rampe für die Be- und Entladung des Speichers mit Getreide und Material. Die Baugestalt, die Ausrichtung und die Lage der Speichergebäude entsprachen den Anforderungen des Brand- und des Luftschutzes.
Die beiden unteren Geschosse der Speicher sind in Ziegelmauerwerk gehalten, die Obergeschosse sind verputzt. Die Verwendung von Backsteinen geht auf die bauliche Forderung zurück, die so genannten Reichseinheitsspeicher den baulichen Gepflogenheiten der Umgebung anzupassen.
Die rechnerische Lagerkapazität für das Getreide in den Münsteraner Speichergebäuden betrug insgesamt 38.610 Tonnen. Das Fassungsvermögen pro Gebäude lag somit durchschnittlich bei 4.290 Tonnen. Eine bestimmte Lagerfläche blieb jedoch immer frei, um das Korn um- und einlagern zu können.
Die beiden Silospeicher im Heeresverpflegungshauptamt Münster beherbergen jeweils 36 Silozellen für die Lagerung und Bearbeitung des Getreides. Sechs bis sieben Jahre kann Getreide von guter Qualität in einem Silo gelagert werden. Die hier vorhandenen Silos eigneten sich somit für die dauerhafte Einlagerung von Getreide, wobei der Zustand des Lagergutes mittels Sonden regelmäßig kontrolliert wurde. Bei Bedarf konnten die senkrechten Silokammern über Zugänge am Boden der Zellen belüftet werden.
Hinzu kamen drei kleinere so genannte Arbeitssilos, die separat begast werden konnten, falls größere Mengen an Getreide von Schädlingen und Ungeziefer befallen waren. Zu den Schädlingen zählten insbesondere der Kornkäfer, der Getreideplattkäfer und die Mehlmotte.
Außerdem befanden sich in jedem Speichergebäude eine Anlage für die Trocknung von zu feuchtem Getreide, eine mechanische Reinigungsmaschine, eine Waage sowie ein Staubabscheider und eine Staubabsackung. Elevatoren, so genannte Becherwerke, transportieren das Getreide in vertikaler Richtung; Verteilkettenförderer beförderten das Korn auf horizontaler Ebene.


Der Bodenspeicher

In die Fassade der Bodenspeicher sind über die vier Obergeschosse auf jeder Seite des Speichergebäudes je 96 Fenster eingelassen, die sich über 24 Achsen verteilen. Insgesamt 192 Fenster eines Bodenspeichers (abzüglich der Fenster des Treppenhauses) erfüllten den Zweck der Be- und Entlüftung des darin lagernden Getreidegutes. Die gesamte Anlage ist in Nord-Süd-Richtung ausgelegt, so dass die Giebel der Speichergebäude nach Norden bzw. nach Süden weisen. Die längsgerichteten Wandflächen der Bodenspeicher mit den je 96 Fensteröffnungen orientieren sich somit nach Westen und Osten. Sie nutzten die natürliche Luftzirkulation in West-Ost-Richtung.
Unterhalb der alten Fenster waren Lamellen angebracht, die per Zugvorrichtung schnell für die Belüftung des Getreides sorgten. Heute wird dieses Prinzip für die Klimatisierung von Archiven angewendet, früher diente es der Belüftung von Getreide und Mehlsäcken. Das Getreide wurde in einem Bodenspeicher über Rieselanlagen lose verteilt. Holzverschläge trennten die verschiedenen Schüttgüter voneinander. Diese ursprüngliche Teilung der Bodenspeicherflächen erfolgte durch das Einbringen von Holzbohlen in ein Stahlständerwerk. Es entstanden Holzwände, die variabel verändert werden konnten. Die Bohlen wurden für die Getreidelagerung in einer Höhe von bis zu ca. 2 m eingebracht. Die Tragkraft der Böden betrug 1500 kg pro qm. Bodenspeicher eigneten sich auch für jede andere Art der Lagerung von Stückgut.
Alle Bodenspeicher wurden in Stahlbetonskelettbauweise errichtet. Jedes Geschoss hat somit 60 Stahlbetonstützen, die zu den oberen Geschossen hin entsprechend der Belastungsabnahme dünner werden. Die Betonstützen sind mit Vouten versehen und weiten sich dementsprechend jeweils zur Geschossdecke aus, so dass sowohl Verringerung der Durchbiegung als auch Stahlersparnis gewährleistet werden.
Mindestens ein Aufzug war in jedem Bodenspeicher vorhanden. Verschiedene Bodenspeicher waren zudem mit einem zweiten Aufzug und einem zusätzlichen Sackaufzug sowie einer Sackrutsche ausgerüstet. Es gab außerdem ein schmales Treppenhaus mit einer Treppenlaufbreite von 1 m und eine Notleiter, die durch alle Geschosse vom Keller bis zum Dachgeschoss führte und in jeder Etage mit einer Sicherungsklappe versehen war.
Im Erstzustand waren alle Gebäude mit so genannten Biberschwänzen bedeckt. Aus Kostengründen konnte nur die ehemalige Bäckerei wieder mit dieser Dachhaut versehen werden. Dafür gab es einen einmaligen Zuschuss vom LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen.


Die Heeresbäckerei

In den ehemaligen Heeresbäckereien der Heeresverpflegungsämter wurde für die Verpflegung der Soldaten das so genannte Kommissbrot gebacken. In der Regel waren diese Bäckereien mit doppelgeschossigen Backöfen der Firma Senking aus Hildesheim ausgestattet. Ein doppelgeschossiger Backofen besaß zwei Herdplatten, die separat ausgezogen werden konnten. Auf diesen Platten wurde das Kommissbrot als angeschobenes Brot gebacken, d.h. die Brote wurden nebeneinander auf das Backblech gelegt, gebacken und später auseinander gebrochen. In einzelnen Brotlagerräumen wurden die Brotlaibe bis zum Abtransport verwahrt. Bei der Ausgabe sollte das Kommissbrot möglichst 48 Stunden, mindestens jedoch 24 Stunden alt sein, da es vorher nicht transportfähig war.
Das Kommissbrot besaß nach der Fertigstellung ein Gewicht von 1,5 kg (2 Portionen zu 750 g). An das Brot wurden besondere Anforderungen gestellt, da es einen wesentlichen Teil der Verpflegung der Soldaten darstellte. Es musste sehr lange frisch und schmackhaft bleiben. Das Brot bestand zu 80% aus Roggenmehl; als Treibmittel wurde im Brotteig nur natürlicher Sauerteig eingesetzt. Das Mehl für die Brote wurde in Privatmühlen gemahlen. Nur die Heeresverpflegungshauptämter in Königsberg und Dresden besaßen eigene Mühlen. Entsprechend hoch war in den übrigen Verpflegungsämtern der logistische Aufwand für den Transport des Getreides und des Mehls. Zunächst wurde das Getreide in den einzelnen Speichergebäuden eingelagert; dann wurde es zum Vermahlen in eine Mühle geliefert. Im Anschluss wurde das Mehl bis zu seinem Verbrauch in aufgestapelten Säcken wieder in Bodenspeichern gelagert. Die Lagerfähigkeit und Lagerdauer von Getreide ist wesentlich höher als von Mehl. Insofern garantierte dieses Verfahren die hohe Qualität der einzelnen Bestandteile, die für das Kommissbrot verarbeitet wurden. Der Nährwert und die Konsistenz des Soldatenbrotes mussten immer gleich bleiben. Arbeiter und Beamte hatten dafür Sorge zu tragen, dass es nicht zu Abweichungen hinsichtlich der Beschaffenheit des Brotes kam.
Der zur eisernen Portion gehörige Zwieback wurde aus Weizenmehl in gesonderten Heeresbäckereien gebacken, die mit speziellen Zwiebackmaschinen ausgestattet waren. Diese waren im ehemaligen Heeresverpflegungshauptamt in Münster nicht vorhanden. Hier wurden in den zehn noch erhaltenen doppelgeschossigen Backöfen täglich ca. 20.000 Kommissbrote hergestellt, mit denen im Normalfall die vor Ort stationierten Einheiten versorgt wurden.


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