Die Heeresverpflegungsämter im Deutschen Reich 1936 bis 1944

Die vorliegende Verbreitungskarte weist die Standorte der Heeresverpflegungsämter und Heeresverpflegungshauptämter im Deutschen Reich über den Zeitraum 1936 bis 1944 nach. Sie basiert auf zwei wesentlichen Quellengrundlagen. Erstens einer im Bundesarchiv Militärarchiv Freiburg vorhandenen Karte, die den Stand der Wehrkreisgrenzen am 1.1.1942 festhält. Diese Karte durfte ursprünglich nur für militärische Zwecke genutzt werden. Zweitens einem mehrbändigen Werk von Georg Tessin*. Tessin erbringt nach intensiven Aktenstudien für nahezu alle Wehrkreise Nachweise über die Standorte der ehemaligen Heeresverpflegungsanlagen. Die Belege erfolgen von 1936 bis 1944. Alle ehemaligen Proviantämter, die Georg Tessin erwähnt, sind auf der Verbreitungskarte verzeichnet. Hinzu kommen einige Orte, die - über das Werk Georg Tessins hinausgehend - weitere Standpunkte von Heeresverpflegungsämtern benennen. Diese zusätzlichen Standorte konnten im Laufe des zweijährigen Forschungsprojektes zur heutigen Speicherstadt Münster, einem ehemaligen Heeresverpflegungshauptamt im damaligen Wehrkreis VI, ermittelt werden.
Die Quellenlage zu den Versorgungsstationen des Heeres vor und während des Zweiten Weltkrieges ist mangelhaft und nur schwer zu rekonstruieren. Das Forschungsprojekt zur Aufarbeitung der Geschichte der Speicherstadt, das am Institut für vergleichende Städtegeschichte an der Universität Münster angesiedelt ist und von der Westfälisch-Lippischen Vermögensverwaltungsgesellschaft (WLV), der Eigentümerin der Speicherstadt Münster, finanziell und ideell gefördert wurde, ist als ein interdisziplinäres Grundlagenforschungsprojekt zu verstehen, das sich erstmals der wissenschaftlichen Aufarbeitung dieser Thematik widmet. Im Rahmen des Forschungsprojektes konnten bisher nicht alle der ehemaligen Heeresverpflegungsämter lokalisiert und erfasst werden. Über zweihundert ehemalige Heeresverpflegungsanlagen sind allein auf der Verbreitungskarte verzeichnet. Viele dieser Standorte konnten bereits inventarisiert und fotografiert werden. Die Veröffentlichung der Verbreitungskarte verfolgt u. a. das Ziel der Vervollständigung der Nachweise der Standorte im damaligen Deutschen Reich. Die ehemaligen Heeresverpflegungsämter, die alle Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts nach einheitlichen Bauplänen entstanden, sind nicht nur ein Beweis für den Angriffskrieg, den das totalitäre Regime unter Adolf Hitler plante. Hinzu kommt die notwendige gesellschaftspolische Auseinandersetzung mit dem baulichen Erbe der während der Zeit des Nationalsozialismus entstandenen Gebäudekomplexe. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Anlagen in der Regel von den alliierten Streitkräften für die Versorgung ihrer eigenen Einheiten genutzt. Nach dem Kalten Krieg, im Zuge des Rückgangs der alliierten Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland, fallen viele dieser großflächigen Areale mit ihrem umfangreichen, sanierungsbedürftigen Gebäudebestand an den Bund, die Städte und Kommunen als so genannte Konversionsflächen zurück. Bei einer Konversion handelt es sich um die zivile (Neu-)Nutzung eines ehemals militärischen Objektes.
Die Speicherstadt Münster hat diesen Wandel sehr erfolgreich vollzogen. Alle Gebäude konnten inzwischen einer Neunutzung zugeführt werden. Die Erinnerung an die Vergangenheit wurde im Rahmen der Umbau- und Sanierungsmaßnahmen mannigfach über den Erhalt und die Integration von originalen baulichen Details bewahrt. Damit erfüllt die Speicherstadt auch eine verantwortungsvolle Vorbildfunktion für vergleichbare Konversionsprojekte.
Die Verbreitungskarte verfolgt zwei Ziele: Einerseits soll sie den von den Nationalsozialisten geplanten Aggressionskrieg über die zahlreichen Belege der ehemaligen Heeresverpflegungsanlagen sichtbar machen. Andererseits soll sie die Entwicklung dieses baulichen Erbes verdeutlichen. Was passiert heute mit den ehemaligen Heeresverpflegungsämtern im damaligen Deutschen Reich? Werden sie noch von den alliierten Streitkräften genutzt? Werden sie abgerissen oder zurückgebaut? Erfahren sie eine Konversion und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Die Verbreitungskarte und der Katalog sollen diese Entwicklung in kurzer, prägnanter Form begleiten. Die Publikation zum Forschungsprojekt „Die Speicherstadt Münster“ vermittelt darüber hinaus deutlich mehr Hintergrundinformationen zu diesem umfangreichen Themenkomplex.

*) Georg Tessin, Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939-1945, Sechzehnter Band: Teil 1. Wehrkreise I-VI, Teil 2. Wehrkreise VII-XIII und Teil 3. Wehrkreise XVII, XVIII, XX, XXI und besetzte Gebiete Ost und Südost, Osnabrück 1996.

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