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Bildung ist Ausdruck von Sozialisation und zwar ebenfalls in zweifacher Hinsicht. Zum einen ist sie Ergebnis kulturell gelenkter Sozialisation. In Bildung kommen sowohl Vorstellungen darüber zum Ausdruck, was einen „zivilisierten“ Menschen und einen gesellschaftsfähigen Menschen auszeichnet als auch konkrete Vorstellungen darüber, welche Handlungsbefähigungen erworben werden (müssen), um sozial angemessen an Gesellschaft teilhaben zu können. Die damit einhergehenden normierenden Engführungen von Sozialisation (als zunächst ergebnisoffener Prozess) zeigen sich z.B. in institutioneller Arrangements der Bildungsvermittlung und -aneignung. Ihre sozialisatorische Bedeutung zeigt sich aber auch darin, dass Bildung zu einer immer wichtigeren Ressource für eine gelingende Lebensführung in nachmodernen Gesellschaften avancierte.
Aus sozialisationstheoretischer Perspektive informieren Bildungsprozesse also über die Aneignung von sozialen und kulturellen Kapitalien als auch über die Verfahrenswirklichkeiten von Wissensvermittlung, Wissensaneignung und Ausbildung sozial wertgeschätzter Handlungsbefähigungen (Capabilities).
In den empirischen Analysen über Bildung werden daher neben den institutionellen Rahmenbedingungen von Bildungserwerbsprozessen lebens- und erfahrungsweltliche (wie z.B. milieuspezifische) Bildungsanlässe und Aspekte der Bildungsvermittlung untersucht. Datenbasis sind zum einen Daten der Isländischen Längsschnittstudie (Grundmann et al 2006; Grundmann/Edelstein/Steinhoff 2011), zum anderen ethnographische Analysen über milieuspezifische Bildungskulturen (Dissertation von Hornei) und erfahrungsbiographische Analysen von Bildungsverläufen im Übergangssystem von der allgemeinbildenden in die berufliche Bildung.
Seit 2001 werden am Lehrstuhl von Professor Dr. Matthias Grundmann Vorlesungen, Seminare, Lehrforschungsprojekte und Abschlussarbeiten zum Thema soziale und intentionale Gemeinschaften durchgeführt. Anknüpfend an soziologische, sozialpsychologische und sozialgeographische Theorien fragen wir nach aktuellen Prozessen der Gemeinschaftsbildung in modernen, individualisierten Gesellschaften. Mit teilnehmender Beobachtung und Besuchen in Gemeinschaften und im Dialog mit den Gemeinschaften (z. B. im Rahmen der "Gemeinschaftswerkstatt") geht es zum einen darum, Entwicklungsprozesse in Gemeinschaften zu erhellen und die Gemeinschaften in ihrem Wachstum (z. B. durch wissenschaftliche Reflexionen) zu unterstützen. Zum zweiten wollen wir die gesellschaftlichen Innovationspotentiale für eine zukunftsfähige, sozial-ökologische Entwicklung oder die Transformation individualistischer Gesellschaften hin zu sozial-ökologischen Lebensräumen herausarbeiten. Schließlich geht es auch darum, die gesellschaftspolitische Bedeutung der sozialen Gemeinschaftsbewegung für globale und regionale Entwicklungen aufzuzeigen.
Eine zweite Linie richtet ihren Schwerpunkt auf regionale Sozialstrukturen. Durch Studien, Lehrforschungsprojekte und Seminare zum Gemeinschaftserleben in kommunalen Lebenszusammenhängen (Armut und Eliten in Münster, Kriegskindheiten, regionale sozialpolitische Initiativen und Bewegungen), die von apl. Prof. Dieter Hoffmeister und Matthias Grundmann begleitet wurden, hat sich gezeigt, dass regionale Lebensverhältnisse in hohem Maße auch von den „Aktivierungspotenzialen“ in der Bevölkerung abhängen. Insbesondere für die Beantwortung der Frage nach der Etablierung nachhaltiger regionaler Lebensformen spielen daher Zusammenhänge zwischen sozialpolitischem Gemeinsinn und gemeinsamen sozial-ökologischen Handeln sowie der kooperativen Vernetzung von lokalen Akteur_innen für die Umsetzung nachhaltiger Lebenspraktiken eine entscheidende Rolle.
Die beiden Schwerpunkte werden ab dem WS 2013/14 im Arbeitskreis Nachhaltigkeits- und Gemeinschaftsforschung zusammengeführt, um den ökologische Aspekt (Stichwort: starke Nachhaltigkeit) stärker in den Fokus zu rücken. Der Arbeitskreis tagt einmal im Monat. Geplant ist eine transdisziplinäre Erweiterung durch andere Fächer an der WWU, z. B. die Politikwissenschaft und die Sozialgeographie. Die Treffen sind für Studierende und Interessierte geöffnet. Als erster Schritt der Bemühungen kann die Tagung „Höher, weiter, schneller? Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Stadtentwicklung am Beispiel der Stadt Münster“ angesehen werden.
Die vorliegende Website gibt einen Überblick in diese soziologische, sozial-ökologische Gemeinschafts- und Nachhaltigkeitsforschung. Unter „Aktivitäten“ können aktuelle Projekte sowie Seminare und Vorlesungen der letzten Zeit eingesehen werden. Die Rubrik „Publikationen“ eröffnet Einblicke in unsere aktuelleren Veröffentlichungen und Projekt-Ergebnisse.
Sozialisation ist Vollzugswirklichkeit, ein individueller und kollektiver Gestaltungsprozess, im Zuge dessen Menschen Persönlichkeitseigenschaften, Identitäten, Zugehörigkeiten, Vorstellungen und Werte sowie soziale Praktiken des Miteinanders ausbilden. Im Zentrum dieser Vollzugswirklichkeit stehen sozialisatorische Interaktionen, aus dessen Verlauf sich sowohl in den beteiligten Akteuren als auch zwischen den Akteuren eine Wirklichkeit aufspannt, an denen sie ihr Handeln ausrichten. Diese Wirklichkeit ist voraussetzungsvoll, also gesellschaftlich und kulturell gerahmt. Wie aber lässt sich diese Vollzugswirklichkeit theoretisch modellieren, dass in ihr auch jene Gestaltungsprozesse zum Vorschein kommen, in denen sich Sozialisation letztlich ausdrückt? Wie können also die Praktiken der Sozialisation in den Blick genommen werden?
Eine Möglichkeit besteht darin, die sozialisatorische Interaktion als eine konflikthafte Situation zu modellieren, die durch widerstreitende Ansichten und Interessen der beteiligten Akteure entsteht (Oevermann). Ebenso wichtig scheint dabei aber auch das Bestreben der Akteure zu sein, ihre An- und Einsichten im Interaktionsgeschehen wechselseitig anzuerkennen (Honneth 1992; 2010). Schließlich lassen sich die so gefassten Interaktionswirklichkeiten aber auch als Versuch der Gestaltung des Miteinanders deuten (Grundmann 2006). Es geht bei all dem immer um den Umgang mit an und für sich widersprüchlichen Handlungsanforderungen und -bedürfnissen, wie sie idealtypisch mit dem Begriff der Ambivalenz umschrieben werden können (Lüscher 2010). Hierzu hat Lüscher auch eine Forschungsheuristik entworfen, an denen sich eine soziologisch fundierte Sozialisationsforschung orientieren kann. Mit Bezug auf das Konzept der Ambivalenz lässt sich aber auch beschreiben, wie in und durch Sozialisationsprozesse mit solchen basalen menschlichen Konfliktsituation oder der Anerkennungs- und Gestaltungsbedürfnisse umgegangen werden kann. Es kommen jene sozialen Praktiken in den Blick, in denen sich Sozialisation vollzieht. So lässt sich empirisch nachzeichnen, wie sich widersprüchliches Welterleben (z.B. moralische Dilemmata oder Differenzen zwischen Selbst- und Fremdbildern) auf die Persönlichkeitsentwicklung und die Genese der Handlungsbefähigung auswirken, welche Entwicklungsrisiken widersprüchlichen Handlungsanforderungen in unterschiedlichen Handlungskontexten (z.B. Schule, Familie, Peersgruppe) innewohnen, wie sich Individuen zu Gruppen zusammenschließen bzw. ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe entwickeln, wie Akteure in sozialen Bezugsgruppen mit individuellen und kollektiven Handlungsbezügen umgehen und wie sich Gruppenbildungsprozesse zwischen Kohäsion und Anomie vollziehen.