Arbeitskreis Gemeinschafts- und Nachhaltigkeitsforschung
„Der Arbeitskreis Gemeinschafts- und Nachhaltigkeitsforschung“ wurde im Wintersemester 2013/2014 am Institut für Soziologie ins Leben gerufen um bisher verstreute Forschungs- und Lehraktivitäten im Bereich der Familien- und Bildungsforschung sowie der Ungleichheits- und Sozialstrukturforschung zu bündeln und weiter auszubauen. Diese Synopse ergab sich aus der sozialisationstheoretischen Einsicht, die Soziogenese sozialer Beziehungen detaillierter und entlang sozialer Experimente des Zusammenlebens (exemplarisch anhand sozialer Gemeinschaften) nachzuzeichnen und aus empirischen Befunden zu zivilgesellschaftlichen Aktivitäten in Kommunen (wie z.B. Agenda 21; Transition-Town-Bewegung). Damit traten auch Fragen nach den regionalspezifischen Gestaltungspotenzialen zivilgesellschaftlicher Akteure ins Relief, die Aufschluss über die Transformationspotenziale für eine nachhaltige Gesellschaftlichkeit versprachen.
Insbesondere wurden dabei zwei Forschungsstränge miteinander verwoben:
1. Sozialisations- und Gemeinschaftsforschung: Am Lehrstuhl von Professor Dr. Matthias Grundmann wird seit Jahrzehnten zur sozialkonstruktivistischen Sozialisationsforschung und einer allgemeinen Theorie der Sozialisation geforscht. Im Zentrum steht die differenzielle Genese von Handlungsbefähigungen in unterschiedlichen sozialen Kontexten wie Familie, Schule und Peers und deren Bedeutung für gesellschaftliche Teilhabe in Freizeit, Beruf, Generationenbeziehungen und politischen Handlungsfeldern. Aus sozialisationstheoretischer Perspektive müssen sich solche Prozesse der Persönlichkeitsgenese auch auf soziale Beziehungen übertragen lassen. Exemplarisch dafür stehen familiale und gemeinschaftliche Sozialisationsprozesse. An ihnen ließen sich die soziogenetischen Figurations- und Gestaltungsprozesse nachzeichnen, die das Leben in Familien und Gemeinschaften kennzeichnen. Vor allem der Fokus auf gemeinschaftliche Lebensführung ermöglichte es zudem, gesellschaftliche Innovationspotentiale dieser Gemeinschaften für eine zukunftsfähige, sozial-ökologische Entwicklung und die Transformation individualistischer, wachstumsbasierter Gesellschaften hin zu sozial-ökologischen Lebensräumen im ländlichen und urbanen Raum herauszuarbeiten. Auf diese Weise wurde die gesellschaftspolitische Bedeutung der sozialen Gemeinschaftsbewegung für globale und regionale Entwicklungen aufgezeigt, indem das Transformationswissen dieser Pioniere (der sozial-ökologischen Transformation) ins wissenschaftliche Feld eingespielt wurde.
2. Stadt- und Regionalforschung: Eine zweite Forschungslinie, die seit über 30 Jahren von apl. Prof. Dieter Hoffmeister bearbeitet wurde, richtet ihren Schwerpunkt auf regionale Sozialstrukturen. Durch Studien, Lehrforschungsprojekte und Seminare zu kommunalen Lebenszusammenhängen (Armut, Integration, Kriegskindheiten, Eliten, Nachhaltigkeit) hat sich gezeigt, dass regionale Lebensverhältnisse in hohem Maße von den „Aktivierungspotenzialen“ in der Bevölkerung abhängen. Insbesondere für die Beantwortung der Frage nach der Etablierung nachhaltiger regionaler Lebensformen spielen daher Zusammenhänge zwischen sozialpolitischem Gemeinsinn und gemeinsamen sozial-ökologischen Handeln sowie der kooperativen Vernetzung von lokalen Akteur*innen für die Umsetzung nachhaltiger Lebenspraktiken im urbanen Raum eine entscheidende Rolle.
3. Soziologische, inter- und transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung: Um diesen Bereich stärker ins Zentrum der Forschungsaktivitäten zu stellen, wurden die beiden Schwerpunkte zusammengeführt, um den ökologischen Aspekt (Stichwort: starke Nachhaltigkeit) mit den sozialen Dimensionen hin zu einer genuinen sozial-ökologischen Transformationsforschung zu verknüpften. Hierzu wurde seit der Gründung des Arbeitskreises einerseits der Kontakt zu weiteren Forschungsdisziplinen ausgebaut (Politikwissenschaft, Erziehungswissenschaft, Landschaftsökologie, Geoinformatik, Humangeografie), um den interdisziplinären Charakter der Forschung weiter zu stärken. Andererseits wird ein enger Kontakt mit der Gemeinschaftsszene, denn Communitys unterschiedlicher sozialer Bewegungen und der Stadtverwaltung gepflegt und stetig weiter ausgebaut, um transdisziplinäre Perspektiven in der Forschung und Lehre zu stärken. Auch die Vernetzung innerhalb des sozialwissenschaftlichen Feldes treibt der Arbeitskreis voran und bündelt seit 2015 Diskursbeiträge der deutschsprachigen Nachhaltigkeitssoziologie im von ihm herausgegebenen Open-Access-Journal „Soziologie und Nachhaltigkeit“.
Die Schwerpunkte des Arbeitskreises liegen zusammengenommen in folgenden Wissenschaftsgebieten:
- Beziehungs-, Familien-, Bildungs-, Sozialisations- und Gemeinschaftsforschung
- Sozialökologische Transformations- und Nachhaltigkeitsforschung,
- Stadt- und Regionalforschung,
- Utopieforschung sowie
- Protest-, Bewegungs- und Partizipationsforschung.
Die aktuellen und abgeschlossenen Aktivitäten, Projekte und Kooperationen des Arbeitskreises (in theoretischer und empirischer Absicht) seit dem Jahr 2013 werden im Folgenden überblicksartig skizziert, um Interessierten einen konkreteren Einblick in unsere Tätigkeiten zu ermöglichen.