Dr. Valentin Peschanskyi
Raum 209
Bispinghof 3
48143 Münster
Deutschland
Tel: +49 251 83-24566
Fax: +49 251 83-24456
valentin.peschanskyi@uni-muenster.de
Fachstudienberater (Allgemeine Fragen zum Studium der Slavistik, Literaturwissenschaft)
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Die zum Reflexionsbild erstarrte Frauenleiche ist ein zentrales Motiv der europäischen Kunst, das sein russisches Kulturspezifikum durch die Verbindung mit der orthodoxen Ikone erhält. Die Studie untersucht die Transformationen lebendiger Frauenfiguren zu toten Bildkörpern und geht deren Funktions- und Bedeutungsvielfalt nach. Die hier betrachteten (Bewegt-)Bilder und Texte stellen den weiblichen Leichnam als (Heiligen-)Bild in vielschichtige ästhetisch produktive Spannungsfelder: zwischen Kult und Kunst, Dies- und Jenseits, Form und Zerfall, Ethik und Ästhetik. Insofern sie dabei auch das Verhältnis von Russland und (West-)Europa sowie zwischen Tradition und sich anbahnender Moderne verhandeln, problematisieren die Werke virulente Fragen der Zeit, Umbrüche und Krisen sowohl ästhetisch-poetologischer als auch religiöser, philosophischer, medialer, ethischer und sozialer Natur.
Zur Publikation
Der Tag ist in seiner Überschaubarkeit und Abgeschlossenheit die zeitliche Grundeinheit der menschlichen Existenz. Als solche verbindet er wie nur wenig Phänomene (beinahe) alle kulturellen Formationen, die in ihn ihre zyklisch-mythischen oder linear-eschatologischen Zeit- und Weltbilder hineinprojizieren. Darüber hinaus ist er der gemeinsame (Zeit-)Nenner, der die ansonsten kontingente und unkontrollierbare Natur mit den kulturellen Bedürfnissen nach Sinn, Rahmung und Ordnung verbindet. Schließlich hat der Tag auch Modellcharakter: In seinem regelmäßigen Verlauf von den frühen Morgenstunden bis zur Finsternis der Nacht ist er auch eine Miniatur größerer Zeitabschnitte, etwa des Jahres (vom Frühling bis zum Winter), eines Menschenlebens (von der Geburt bis zum Tod) oder gar der gesamten Kultur- und Weltgeschichte, sowohl in ihren religiösen als auch in ihren naturwissenschaftlichen Ausdeutungen. Kurzum: Im Tag verdichten sich unüberschaubare Zeitabschnitte zu greifbaren Einheiten; in ihm wird das Alltägliche repräsentativ.
Blickt man einmal auf diese Eigenschaften, die den Tag als kulturelle Zeitwährung besonders machen, so wird schnell deutlich, dass es just die Eigenschaften sind, die für gewöhnlich als Qualitätsmerkmale erzählender Künste gelten. Solche Kunstwerke konstruieren erstens zumeist eine Routine, die im Verlauf der Handlung durch ein Ereignis durchbrochen wird, versuchen zweitens die von ihnen symbolisch angeeigneten Phänomene auf eine repräsentative bzw. universelle Weise zu verdichten, stellen sie drittens in das Spannungsfeld von Natur und Kultur bzw. Immanenz und Transzendenz, und changieren viertens zwischen dem linear-historischen Weltbild und demjenigen des Mythos, das alles in der erzählten Welt in einen symbolischen Zusammenhang stellt. Die Dauer eines „Sonnenumflaufs“, die schon Aristoteles (Poetik, 1449b) so wirkmächtig als ideale Zeitform der Tragödie bestimmte, bringt diese vier in der Kunst ohnehin präsenten Spannungsfelder verstärkt zum Vorschein.
In meinem Habilitationsprojekt untersuche ich Texte, Filme und Computerspiele, die einen Tag erzählen. Die komparatistisch ausgerichtete Untersuchung fokussiert sich auf die slavischen Länder, insbesondere Polen, Russland und die Ukraine, bezieht aber auch Artefakte aus ganz Europa und Amerika ein. Im Vordergrund steht die Frage danach, wie die Zeitform Tag als selbstauferlegte Einschränkung, deren Wurzeln im Regeldrama und den (vermeintlichen) drei Aristotelischen Einheiten liegen, den Inhalt und die Form der Werke prägt und sie umgekehrt spiegelt. Das Ziel ist, sowohl kultur-, epochen- und medienspezifische als auch universelle Eigenheiten der Tageserzählung herauszuarbeiten.